G.F. Barner Classic 5 – Western. G.F. Barner

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Название G.F. Barner Classic 5 – Western
Автор произведения G.F. Barner
Жанр Языкознание
Серия G.F. Barner Classic
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740963101



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anzugreifen und Armeevorräte zu vernichten.«

      »Armeevorräte?«, empörte sich Elena, ohne Spaldings Aufforderung oder den Versuchen ihres Vaters, der sie fortziehen wollte, zu folgen. »Was meinen Sie mit Armeevorräten, Mr Spalding, etwa die Suppe?«

      »Diese Suppe!«, entgegnete Spalding scharf. »Mr Pearson, wollen Sie Ihre Tochter jetzt fortbringen, oder soll ich es tun lassen?«

      In diesem Moment schlug McCallum die Augen auf. Augenblicklich senkte Lannon den Lauf seines Revolvers und spannte den Hammer. McCallum brauchte einige Sekunden, bis er klar bei Verstand war. Er bewegte die Arme und den Kopf, spürte und sah den Strick und sagte wild: »Eine feine Sache, die du dir da ausgedacht hast, Captain, aber …«

      »Halten Sie den Mund!«, fauchte Spalding. »Ich bestrafe Sie wegen tätlichen Angriffs auf meine Männer und absichtlicher Verschüttung von Armeeverpflegung, McCallum! Halten Sie den Mund, zum Teufel!«

      »Den halte ich nicht, du Narr!«, schrie McCallum. »Probier doch mal die Suppe, wenn noch ein Rest im Kochgeschirr ist. Na los, probier sie, dann wirst du wissen, warum ich mich für den Schweinefraß bedankt habe!«

      Spalding drehte sich wortlos um, ging hin und nahm das Kochgeschirr auf, führte seinen Zeigefinger innen entlang und leckte ihn ab, um in der nächsten Sekunde auszuspeien. Danach sah er seinen Koch an.

      Howell war, obgleich seine Brandblasen ihn schmerzten, kreidebleich geworden.

      »Corporal Howell!«

      »Ja – ja, Sir!«, machte Howell halb erstickt und schwer würgend.

      »Howell, was ist in der Suppe für McCallum gewesen, Howell?«

      »Ni…, nichts, Sir!«

      Howells Blick irrte ab, traf Marconi, und nun wurde der blass, ein Vorgang, den Spalding bemerkte.

      »Marconi!«

      »Sir?«

      »Was haben Sie Howell gegeben, Marconi? Heraus mit der Sprache, Mann, oder Sie erleben was!«

      Marconi biss die Zähne zusammen und sah an seinem Captain vorbei in die Luft.

      »Marconi!«

      »A…, Alaunpulver, Sir!«, stotterte der Sanitäter. »Er – er sagte, sein Rasiermesser tauge nichts, er schneide sich dauernd und brauche das Pulver, um das Blut zu stillen. Ich – ich habe davon nichts gewusst, Sir!«

      Spaldings Blick wanderte ganz langsam weiter über die Gesichter seiner Männer und blieb schließlich auf dem Lannons liegen. Es gelang Lannon nicht, genauso bestürzt auszusehen, wie die anderen Kavalleristen. Sie hatten todsicher von der Gemeinheit nichts geahnt, er aber …

      »Unser Spaßvogel, wie?«, fragte Spalding sehr sanft und leise. »Sieh einer an, unser Spaßvogel Lannon hat wieder einmal eine feine Idee gehabt. Wenn man jemand Alaun in die Suppe streut, dann schmeckt die Suppe wie kalte Schweißfüße, wie? Zudem wird der Mann Bauchschmerzen bekommen und kaum noch reden können. Wirklich ein feiner Spaß, Lannon! Es kostet Sie nicht viel, Lannon, nur drei Tage! Und Ihnen, Howell, bringt er eine Woche ein, Sie Schweinefraßkocher. Jetzt zu Ihnen, Mister McCallum … Bilden Sie sich nicht ein, dass das etwas ändert. Sie kennen die Gesetze der Armee genau, oder?«

      McCallum schwieg verstockt.

      »Sie kennen Sie besser als andere!«, sagte Spalding eisig. »Sie kennen alles besser, weil Sie ein halber Indianer …«

      »Meine Mutter war keine Indianerin, du Lügner!«

      »McCallum, das kostet Sie eine Woche!«, schrie Spalding wütend. »Ich weiß, dass sie ein Halbblut war und einen mexikanischen Vater hatte – das war nicht abfällig gemeint, Sie empfindlicher Schurke! Sie sind klüger als andere, das wollte ich damit sagen, nichts sonst, verstanden? Sie wissen doch genau, dass Sie sich beschweren konnten, aber nein – Mister McCallum trägt seine Probleme allein aus – wie immer! Sie hätten die Männer nicht angreifen dürfen, obgleich man Ihnen einen Streich spielen wollte. Haben Sie das gewusst?«

      »Ja, du Affe!«

      »McCallum!«, antwortete der Captain zitternd. Man sah ihm an, dass er vor Zorn fast explodierte. »Sie werden sich noch wundern, das verspreche ich Ihnen. Sie laufen hinter dem Wagen her – und Sie werden nun auch kein Wasser bekommen. Ich mache Sie klein, McCallum, so klein, dass Sie einem Sandkorn gleichen!«

      »Haha!«

      Das war alles, was McCallum sagte. Er hob den Kopf und sah Roscoe, seinen Quälgeist und Schinder an – und er lächelte auf eine Weise, die Elena nicht deuten konnte. Ihr lief bei diesem Lächeln ein kalter Schauer über den Rücken. Gott allein mochte wissen, wie lange ein Mensch in der Lage war, ohne Wasser und mit leerem Magen im dichten Staub hinter einem schweren Transportwagen zu laufen. Irgendwann musste auch der härteste Mann zusammenbrechen.

      *

      Es geschah von einer Sekunde zur anderen und so schnell, dass Elena nur noch einen gellenden Schrei ausstoßen konnte. McCallum brach blitzartig zusammen. Eben hatte noch das stereotype Lächeln wie eingefressen um seinen harten Mund gelegen, jetzt zerbrach das Lächeln, wie auch der Mann zerbrach. Er war sechseinhalb Stunden hinter dem Wagen hergelaufen, manchmal schwankend, aber immer wieder, als würde gerade dieses Schwanken ihm neue Kraft verleihen, kerzengerade hochkommend.

      Diesmal fiel er wie ein Baum um, und Elena wusste, dass er ohnmächtig geworden war, ehe sie nach der Wasserflasche griff, einfach den Schlag aufriss und aus der fahrenden Kutsche sprang. Der Wagen hinten fuhr weiter – der Mann hing am Strick, den Hals in der Schlinge, die sich zusammenziehen und ihn erdrosseln musste.

      »Halt – um Gottes willen, haltet an!«, schrie sie entsetzt. »Roscoe, Sie Teufel, lassen Sie halten!«

      Nun erst bemerkte sie, dass Roscoe, der das andere Lasso in der einen Hand hielt, bereits nach vorn geritten war und jenes Halslasso gelockert hatte.

      »Halt!«, befahl Roscoe scharf. Elena wusste nicht, ob sein Befehl ihr oder dem Fahrer des Wagens galt, sie lief weiter, sank neben McCallum in die Knie und bettete seinen Kopf in ihrem Schoß. Wie schnell sie die Flasche öffnen, das Mundstück zwischen McCallums Lippen anhob, hätte sie nie sagen können. Etwas Wasser rann über das Gesicht des Gefangenen, sie strich es ihm über die Wangen und die Stirn – und dann bewegte er die Lippen, er trank, aber er war noch nicht voll bei Bewusstsein. Plötzlich presste er die Lippen wieder fest zusammen. Nun war er genug bei Verstand, das wusste sie. Er öffnete die Lider, sah sie an – trotzig zuerst, seltsame Härte und Kälte in den dunklen Augen, bis er lächelte. Es war ein hilfloses, ja, es kam ihr vor, als wenn es ein beschämtes Lächeln war, das um seinen Mund kroch und in seine Augen trat.

      Plötzlich hatte sie nicht das Gefühl, dass dieser Mann ein Wilder, ein um sich beißender Wolf war. Er war ein Mensch, der Hilfe brauchte – jemand, dessen Augen ihr sagten, dass der Mensch nicht schlecht sein konnte.

      »Trinken Sie«, sagte sie zitternd. »Bitte, trinken Sie doch!«

      Der Hufschlag dröhnte hinter ihr, das Pferd schnaubte in ihrem Rücken.

      »Zurück – lassen Sie ihn los!«, brüllte Spalding. »Zur Hölle, was fällt Ihnen ein, Miss? Loslassen!«

      »Das werde ich nicht tun!«, antwortete sie. »Spalding, Sie sind ein Unmensch, Sie haben kein Herz im Leib – und so ein Mann führt und kommandiert andere Männer?! Spalding, Sie sollten sich zutiefst schämen, hören Sie? Er wird jetzt trinken, er wird …«

      »Sir, ein Reiter!«, schrie jemand irgendwo. »Sir, ein Mann – er liegt auf seinem Pferd – nordöstlich, Sir!«

      Spalding nahm den Kopf herum, sein Gesicht war bleich.

      Elena sah nichts davon, sie blickte nur auf den Mann hinab, der nun trank und nicht mehr lächelte. Ihr war, als hätte sie eine Sekunde das andere Ich dieses Mannes gesehen, die andere Seite seines Wesens, das nicht schlecht sein konnte, obgleich das, was er getan hatte, ein Verbrechen in den Augen der Armee und vielleicht auch vieler Zivilisten sein musste.

      McCallum