Bittere Kapern. Peter Pachel

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Название Bittere Kapern
Автор произведения Peter Pachel
Жанр Языкознание
Серия Kommissarin Waldmann ermittelt auf Paros
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783957712752



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ihr Team keine weiteren Fragen gestellt.

      Plötzlich wusste sie, warum sie beim Anruf der Kommissarin überreagiert hatte. Es war das Foto von ihr, das die Polizistin auf dem Nachttisch in dieser Pension vorgefunden hatte. Ihre Mutter hatte ein Foto von ihr mit in den Urlaub genommen, obwohl sie schon seit Jahren keinen regelmäßigen Kontakt mehr pflegten. Die Polizistin hatte ihr das Bild nach dem Gespräch auf das Handy geschickt. Sie erinnerte sich noch an den Moment, in dem es aufgenommen wurde. Es war während eines Urlaubs in der Heimat ihres Vaters gewesen, ihre Mutter hatte es später rahmen lassen und in der Küche aufgestellt. Was hatte sie nur veranlasst, es mit in ihren Urlaub zu nehmen? Julia Moretti bemerkte, wie ihr heiß wurde. Eine fürchterliche Scham beschlich sie, nicht nur wegen des Fotos, auch dass sie keine Frage der Kommissarin beantworten konnte, setzte ihr zu. Sie wusste weder von einer ernsthaften Erkrankung noch kannte sie den Hausarzt ihrer Mutter. Das Schlimmste war aber, die Frage nach eventuellen Selbstmordabsichten. Nichts wusste sie! Letzteres konnte sie sich aber nur schwerlich vorstellen. Aufgewühlt suchte sie nach einem Blatt Papier und einem Stift, als endlich der erlösende Anruf von Markus kam.

      »Was gibt es so Dringendes, meine Liebe? Du klangst nicht gut.« Er hatte ihren momentanen Zustand gut erkannt.

      »Meine Mutter ist tot! Du musst sofort kommen«, brach es aus ihr heraus. Bruchstückhaft berichtete sie ihrem Freund von dem Anruf aus Griechenland, und das sie jetzt einiges zu organisieren hätte. Markus versuchte, seine Freundin zu trösten so gut er konnte, und versprach, noch heute einen Rückflug zu buchen. Nach einer weiteren Viertelstunde aufmunternder Worte ging es ihr ein wenig besser und sie widmete sich ihrem leeren Blatt Papier.

      Punkt eins auf ihrer To-Do-Liste war die Überführung. Sie hatte keine Ahnung, was da zu tun war, woher auch? Und wohin sollte sie ihre Mutter überhaupt überführen lassen? Nach Hamburg etwa? Sie verwarf den Gedanken sofort wieder. Der Lebensmittelpunkt von Eva Moretti-Bach war Köln, dort hatte sie die längste Zeit ihres Lebens verbracht und dort sollte sie beerdigt werden. Eine erste Entscheidung, die ihr erstaunlich leichtfiel, dass gab ihr Zuversicht für die weiteren Aufgaben, die es zu lösen galt. Von einer Freundin wusste sie, dass ein Beerdigungsinstitut alle Angelegenheiten bei Todesfällen übernahm, die kannten sich bestimmt auch mit den Formalitäten bei einer Überführung aus. Sie entschied, ein Institut in Köln damit zu beauftragen, die Vertraute und Nachbarin ihrer Mutter konnte ihr dabei bestimmt behilflich sein. Sie notierte – Beerdigungsinstitut in Köln anrufen – auf ihrem Zettel und hoffte die Kölnerin noch heute zu erreichen.

      Sie erinnerte sich gerne an die warmherzige Frau, bei der sie als Kind oft im Garten gespielt hatte, wenn ihre Familien gemeinsam ein Grillfest veranstaltet hatten. Damals war das Verhältnis ihrer Eltern noch in Ordnung gewesen und sie selbst hatte die kölsch-italienischen Sommerfeste geliebt.

      Weitere Kindheitserinnerungen waren plötzlich wieder da, aus den fröhlichen, unbeschwerten Tagen, als sie die Nachbarin noch „Tante“ Brigitte gerufen hatte. Sie war weit mehr als nur eine Nachbarin für sie gewesen, Brigitte Krüger war ein Mitglied ihrer Familie. Oft war sie zu ihr rüber in die Küche geschlichen und hatte beim Backen der knusprigen Reibekuchen geholfen. In solchen Momenten hatte Julia sich immer wie eine richtige Köchin gefühlt.

      Die Erinnerung rief ihr den Geruch nach heißem Öl und geriebenen Kartoffeln ins Gedächtnis. Ihr Vater sorgte bei diesen Anlässen stets für einen kulinarischen Beitrag aus seiner neapolitanischen Heimat und es wurden meist unzählige Kölsch getrunken. Wehmut stieg in ihr auf, wenn sie an diese Zeit zurückdachte. Brigitte Krüger würde zutiefst betrübt sein, wenn sie vom Ableben ihrer Mutter erfuhr. Eine liebevolle Frau, immer mit einer guten Portion rheinischem Humor unterwegs, selbst als sie ihren Ehemann nach langer, schwerer Krankheit verloren hatte. Julia Moretti griff nach ihrer Handtasche, in der sie stets ein abgegriffenes Notizbuch mit sich führte, darin war die alte Telefonnummer von ›Tante‹ Brigitte verewigt.

      Sie zögerte als sie den Reiter unter dem Buchstaben K umschlug. Wie sollte sie das Gespräch nach so langer Funkstille beginnen? Brigitte Krüger wusste von dem schlechten Verhältnis zwischen ihr und ihrer Mutter. Vor ein paar Jahren hatte sie sogar eines Abends angerufen und versucht zu vermitteln, doch Julia hatte sie barsch abgewiesen. Das wäre eine Angelegenheit, die sie nichts angehe, hatte sie wütend ins Telefon geschrien. Ob sie überhaupt bereit war, mit ihr zu sprechen?

      Das Brummen ihres Handys kündigte den Eingang einer Mail an, aus ihren Gedanken gerissen, schaute sie auf das Display. Als sie den Absender sah, fing sie leicht an zu zittern, Katharina Waldmann bat sie um Rückruf. Die Leiche wäre nun endgültig freigegeben worden und die Gerichtsmedizin in Athen brauche ein paar Angaben von ihr.

      Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Ihr blieb nicht viel Zeit zum Überlegen, sie war auf die Hilfe von Frau Krüger angewiesen. Entschlossen wählte sie die Nummer ihrer ehemaligen Nachbarin. Es erklang das gewöhnliche monotone Klingeln, während Julia mit zusammengepressten Lippen auf die Erlösung wartete.

      An der wohltätigen Stimme von Brigitte Krüger hatte sich nichts geändert, Julia fand sie sogar sanfter, als sie diese in Erinnerung hatte. Ihr Herz schlug viel zu schnell und genauso überhastet versuchte Julia, ihren Namen zu nennen, dabei überschlug sich ihre Stimme und die junge Frau kam ins Stocken.

      »Julia, wie schön, dass ich das noch erleben darf. Wie geht es dir mein Kind?«

      Kein Hauch von Vorwurf, Julia atmete erleichtert durch, widmete sich aber schnell dem Grund ihres Anrufs. Unter Tränen schilderte sie ihr Anliegen und Brigitte Krüger unterbrach sie nicht. Sie fühlte denselben Schmerz, der sie verstummt zuhören ließ.

      »Ich werde Eva fürchterlich vermissen. Sie war meine beste Freundin. Seit mein Mann verstorben ist, war sie immer für mich da.« Ihr versagte die Stimme, es dauerte eine ganze Weile bevor sie mit bebender Stimme weiterreden konnte. »Sie ist viel zu früh von uns gegangen. Ihr hattet nicht einmal die Gelegenheit, euch zu versöhnen. Ich habe in den letzten Monaten viel Zeit mit deiner Mutter verbracht. Ihr ging es ja immer schlechter. Du warst häufig im Mittelpunkt unserer Gespräche. Wie gerne hätte sich deine Mutter mit dir ausgesprochen.«

      Julia spürte, wie ihr der Boden unter den Füssen wegsackte.

      »Ertrunken, sagtest du? Das ist furchtbar! Dabei wollte Eva doch nur nochmal ans Meer, solange sie dazu noch in der Lage war.« Brigitte Krüger berichtete von Evas Krebserkrankung und dass die Ärzte sie auf ihren nahen Tod vorbereitet hätten. »Ich musste ihr hoch und heilig versprechen, dich nicht damit zu belasten. Ich habe mich darangehalten, obwohl ich oft mit dem Gedanken gespielt habe, dich anzurufen.« Jetzt konnte sie ihre Tränen nicht mehr unterdrücken, ein hilfloses Schluchzen drang an Julia Morettis Ohr. »Wie konnte das nur passieren?«

      Julia wartete einen Moment, bis das Weinen ihrer ehemaligen Nachbarin leiser wurde, dann sagte sie einfühlsam: »Das weiß ich nicht, nur so viel, dass die Polizei sie zu einer Untersuchung in die Gerichtsmedizin nach Athen gebracht hat.«

      »Es ist schrecklich. Sie hatte sich auf diese Insel gefreut und dann so was«, sagte Brigitte Krüger. »Aber vielleicht ist es auch Schicksal und ihr ist dadurch vieles erspart geblieben. In der letzten Zeit hatte sie starke Schmerzen.«

      Julia Moretti biss sich auf die Lippen.

      »Hat sie dir von der Insel erzählt? Warum ist sie gerade nach Paros geflogen?«

      Julia kannte keinerlei Verbindungen ihrer Mutter nach Griechenland, bis auf ihre Vorliebe für die griechische Küche, die ihr Vater nie hatte verstehen können.

      »Sie meinte, dort wäre auch im September noch gutes Wetter und das Wasser sei schön warm. Ich hatte ihr zu einer Reise nach Mallorca geraten, wegen der ärztlichen Betreuung in ihrem Zustand. Aber sie wollte sich partout nicht davon abbringen lassen«, seufzte die Nachbarin. »Vielleicht hatte es mit ihrer Sympathie zur griechischen Küche zu tun? Du erinnerst dich doch bestimmt noch an Alekis, das Restaurant auf der Venloer Straße? Dort war deine Mutter immer gerne.«

      In der Tat erinnert sie sich. Sie waren selten auswärts essen gewesen, dafür kochte ihr Vater viel zu gut, aber wenn sie essen gingen, dann meistens bei Alekis. Ihr Vater war nie mitgekommen. »Die Polizei zieht