Die großen Western Staffel 4. Diverse Autoren

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Название Die großen Western Staffel 4
Автор произведения Diverse Autoren
Жанр Языкознание
Серия Die großen Western
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740912383



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gewollt hatte. Und dann fiel Jericho noch seine Schublade ein, in der viele schöne Blätter lagen mit Beschreibungen von Männern. Manche dieser Blätter hatten sogar ein Bild, damit man den Mann auch besser erkannte, um ja keinen Falschen einzulochen.

      »Mikel Miller?«, fragte Jericho. »Nein, ich kenne diesen Miller nicht, Señorita. So, ein Bravado hat ihm in die Seite geschossen? Ja, ich sehe jetzt den Verband unter dem Hemd. Hören Sie, wollen Sie vernünftig sein? Dann sehe ich mir Mikel Miller an.«

      Er sprach und dachte dabei unausgesetzt an Shannon, den dieses Mädchen Miller nannte, den es als seinen Geliebten bezeichnete.

      Großer Gott, was ist passiert, dachte Jericho bedrückt, was denn nur? Mikel hätte sich doch nie einem Girl als Miller vorgestellt, der und ein Girl – unglaublich. Aber immerhin, dieses Mädchen hier ist schön, wirklich schön. Wie muss es erst in einem Kleid und richtig frisiert aussehen? Mikel hat ein Girl – in seiner Situation macht er so etwas? Dieser schweigsame Bursche, der mit Frauen nicht viel im Sinn hatte, soll sich ausgerechnet eine Mexikanerin genommen haben – Mikel?

      David Jericho hielt das Girl fest und wartete auf dessen Antwort. Dabei dachte er an Mikel Shannon und daran, dass jemand zweitausend Dollar Belohnung auf Mikels Kopf ausgesetzt hatte – tot oder lebendig!

      Shannon hatte zwei Männer erschossen und war verletzt geflohen. Er musste nach Mexiko geflüchtet sein, aber nun war er hier, beinahe dort, wo er zu Hause war – in Arizona.

      Verrückt, dachte David Jericho, das ist alles verrückt. Mike Shannon ist in Arizona mit einer hübschen Mexikanerin, das ist schon irre genug. Dass er eine Kugel in der Seite hat, ist weniger verrückt, das musste mal so kommen. Aber, dass der Kerl herkommt und genau weiß, dass man ihn hängen wird, wenn man ihn erwischt, das ist so verrückt, dass ich es kaum fassen kann. Völlig irre ist es jedoch, dass ich ihn treffe. Ich muss ihm ein paar Armbänder verehren – ich, David Jericho Graves, denn dazu verpflichtet mich das Gesetz. Gesetz?

      David Jericho Graves, Undertaker, Sargmacher, Posaunenkünstler und Townmarshal atmete tief durch.

      Ich, dachte Jericho, der seltsamste Bursche, den Arizona jemals hervorgebracht hatte, ich werde den Teufel tun. Ehe ich Mike Shannon Armbänder verpasse, geht diese verrückte Welt unter. Zur Hölle mit dem Gesetz und dem Richter. Und wenn man mich dafür einlochen sollte – ich habe einen Mike Miller gefunden. Shannon – wer ist Shannon? Den Mann kenne ich nicht! Ich sch… auf das Gesetz, jawohl, ja!

      Manchmal, das wusste niemand besser als David Jericho, taugte das beste Gesetz für keinen Cent. Vor allen Dingen dann nicht, wenn es von einem Richter ausgenutzt werden wollte, um eine persönliche Rache an einem Mann zu vollziehen, der seinen einzigen Sohn erschossen hatte.

      Richter Aldrich, ich pfeife auf deinen Steckbrief, dachte Jericho grimmig.

      David Jericho sah das Mädchen an und wartete.

      *

      »Sie – Sie wollen Mike helfen, bestimmt – können Sie ihm helfen, Señor?«

      Das Mädchen schluchzte nicht mehr und schien jeden Versuch, sich aus Jerichos Griff zu befreien, aufgegeben zu haben.

      »Vielleicht«, antwortete Jericho knapp. »Ich verstehe etwas von Wunden, Señorita, aber wenn ich helfen soll, dann müssen Sie vernünftig sein und tun, was ich sage. Seit wann ist er nicht mehr bei Besinnung?«

      »Seit heute früh«, gab die Mexikanerin hastig zurück. »Gestern nach dem Sturm war es schon schlimm. Am Abend redete er nur noch wirres Zeug, aber er hatte noch ein paar wache Momente und sagte, ich solle hierher mit ihm reiten. Er beschrieb mir den Weg. Wasser, er wollte ans Wasser, damit ihn das vor dem Fieber rettete, doch es wurde immer schlimmer, Señor …, Señor …«

      »Graves«, brummte Jericho und ließ sie los. »David Graves – ich komme aus Jerome – von Norden, Señorita …, wie ist Ihr Name?«

      »Inez«, schluckte sie und blickte an ihm vorbei auf den angeblichen Mike Miller. »Ines Ramirez.«

      Es kam Jericho vor, als wollte sie dem Namen noch etwas hinzusetzen, denn sie holte Atem, schloss dann aber nach einem winzigen Zaudern die Lippen.

      »Also gut, Señorita Inez«, sagte Jericho gleichmütig.

      »Dieser Mann ist sehr krank, ich muss mir seine Wunde ansehen. Sie dürfen mich dabei aber nicht stören. Versuchen Sie auch nicht wieder, mich mit einer Waffe zu bedrohen – ich mag das nicht besonders, verstehen Sie? Sie haben auf mich geschossen, als ich hinter die Kakteen sprang, weil ich nicht wusste, ob der Mann hier nicht hinter den Büschen lauerte, vielleicht meine Pferde oder mein Geld haben wollte. Der Mann hätte auch auf mich schießen können. Sie hatten sein Gewehr, das ich Ihnen abnehmen musste, bevor wir so nahe an den Büschen waren, dass er mich mit einem Revolver hätte treffen können. Verstehen Sie, was ich gedacht habe?«

      Inez Ramirez blickte ihn groß an.

      »Deshalb haben Sie mich angesprungen, Señor Graves?«

      »Ja, nur deshalb«, brummte Jericho mürrisch. »Jetzt weiß ich, dass der Mann ungefährlich ist, doch Sie sind es immer noch – Sie könnten mich angreifen.«

      »No, no, no, Sie sollen ihm helfen, bitte, Señor Graves, bitte.«

      »Nun gut«, meinte Jericho. Er nahm das Gewehr und warf es neben die Pferde, den Revolver Shannons zog er aus dem Holster und steckte ihn in den Hosenbund. »Gehen Sie nicht in die Nähe des Gewehres, bleiben Sie an der linken Seite des Mannes, verstanden? Kommen Sie schon, er hat hohes Fieber, es ist keine Zeit zu verlieren. Sagen Sie mir nur eins: Hat ihn die Kugel unter den Rippen oder zwischen die Rippen getroffen?«

      Das Mädchen schluckte schwer, hastete neben Shannon und kniete nieder. Es nahm den Hut ab, um Shannon Luft zuzufächeln.

      »Rechts«, erwiderte Inez gepresst. »Oh, dios, Mike hat gesagt, die Kugel hätte ihn zwischen der zweiten und dritten Rippe unten getroffen und würde sehr tief stecken. Er war so tapfer. Er ist geritten und hat mich auf dem Pferd festgebunden, als der Sturm losbrach. Danach ging es ihm plötzlich so schlecht, dass er die Richtung änderte, in der wir flo…, eh, ritten.«

      Jericho tat so, als hätte er ihr Stocken nicht bemerkt. Er öffnete Shannons Hemd und zog es behutsam aus der Hose.

      »Wann hat er die Kugel bekommen, Inez?«

      »Vor – vor vier Tagen genau – am Abend vor vier Tagen, eine Stunde vor Mitternacht, Señor Graves. Warum fragen Sie?«

      »Es ist wichtig«, sagte David Jericho kurz. »Die Kugel kann kein Organ verletzt haben, sonst lebte er nicht mehr, verstehen Sie? Er hat jetzt hohes Wundfieber oder eine Entzündung im Leib, aber wenn man etwas gegen das Fieber hat und die Entzündung bekämpfen kann, überlebt er. Er ist groß und stark, ein kräftiger Mann, Señorita Inez. Sicherlich muss die Kugel heraus, ganz sicher sogar.«

      Er beobachtete sie, sah die jähe Furcht in ihren Augen, und wusste, woher diese Angst kam.

      »Sie muss heraus – eine Operation, Señor Graves? Sie meinen, ein Doktor muss ihn operieren?«

      »Er muss«, sagte Jericho ernst. »Wollen Sie, dass er stirbt? Diese Kugel kann ich nicht herausholen, das muss ein Arzt tun. Wenn ich genau wüsste, wo das Geschoss sitzt, könnte ich es vielleicht riskieren, doch die Wunde ist schon zu alt, verstehen Sie? Das kann wirklich nur ein Arzt machen.«

      »Ein Arzt«, stammelte Inez Ramirez. »Wo ist hier ein Arzt? Wie weit ist es bis zur nächsten Stadt – Sie müssten Mikel doch in eine Stadt bringen, oder?«

      »Genau das«, antwortete Jericho bestimmt. »Wenn ich den Wagen herhole und wir ihn in dem transportierten, könnten wir zwei Stunden vor Einbruch der Nacht in Wagon Creek sein. Dort lebt ein alter Arzt, der sich jedoch wie kaum ein anderer auf Wunden versteht. Er war einmal Armeearzt.«

      »Wagon Creek, ist das eine große Stadt?«

      »Nein, eine kleine«, gab Jericho zurück und machte den Verband wieder fest. »Dort leben keine fünfzig Menschen, aber der Arzt ist da, das allein ist wichtig.«