Название | Тотеnтаnz / Пляска смерти. Книга для чтения на немецком языке |
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Автор произведения | Бернгард Келлерман |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | Моderne Prosa |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 1948 |
isbn | 978-5-9925-0204-6 |
Das städtische Treiben gefiel ihm und ließ ihn die vielen Monate Kuraufenthalt in einem langweiligen Herzbad vergessen. Das Hupen der Autos, das Klingeln der Trambahnen, die dahineilenden Menschen erfüllten ihn mit einem neuen, starken Lebensgefühl.
Fabian war ein gutaussehender Mann, stattlich und mit vorzüglicher Haltung. Mit seinen vom Urlaub gebräunten Wangen, seinen lockeren braunen Haaren und seinen frischen graublauen Augen war er eigentlich zu hübsch für einen Mann. Dazu galt er für einen der bestgekleideten Männer der Stadt, der die peinlichste Sorgfalt auf sein Äußeres verwendete.
Die Stadt schien sich während seiner Abwesenheit nicht im geringsten verändert zu haben, und erst als er aufmerksamer hinsah, bemerkte er eine Wandlung in vielen Dingen.
Der Buchhändler Dillinger, der auch sein Lieferant war, hatte sich vergrößert und den Nachbarladen dazugenommen. War es nicht erstaunlich? Früher schien dieser Dillinger Demokrat mit stark sozialistischer Färbung zu sein, manche nannten ihn sogar einen Kommunisten, und jetzt hatte er sein Schaufenster voller Parteiblätter und Postkarten der heutigen Machthaber. Selbst in dem Schaufenster des Juweliers Nicolai entdeckte er eine Führerbüste, die unter einem Lorbeerbäumchen stand. Einige Häuser weiter war die Auslage des Schneiders März, angefüllt mit gelben und braunen Tuchrollen. Oder sah er sie heute das erste Mal?
Auch sonst entdeckte er noch da und dort Embleme, Abzeichen, Photographien und Führerbüsten, aber vielleicht waren sie ihm früher gar nicht aufgefallen?
Dann bog er zum Rathausplatz ein, auf dem, wie jeden Mittwoch und Sonnabend, Wochenmarkt abgehalten wurde. Er blieb stehen, um sich an dem geschäftigen Treiben zu erfreuen und die Sonne zu genießen. Dann suchte er sich den Weg zwischen Hausfrauen, Bauernweibern und Stapeln von Gemüsekörben, um zu seinem Lieblingsbrunnen zu gelangen, der in einer Ecke des Platzes stand. Seit Jahren hatte er ihn täglich erblickt, und es war selbstverständlich, dass er ihn heute mit besonderer Freude, wie einen alten Freund, begrüßte. Eine schlanke Jünglingsgestalt, die auf dem Becken des Brunnens stand, spiegelte sich träumerisch in der Wasserfläche, der Brunnen wurde Narzissbrunnen genannt. Auf dem Marmorbecken war mit deutlichen Lettern sein Name eingemeißelt. Der Brunnen stammte von seinem Bruder Wolfgang, den er liebte und bewunderte.
Wahrhaftig, es war eine Schande, dass er Wolfgang nicht mehr als einige flüchtige Karten aus seinem Urlaub geschrieben hatte! Er machte sich Vorwürfe und beschloss, seinen Bruder heute als ersten zu besuchen, mochten alle anderen sich noch etwas gedulden.
Das Rathaus, das nur einige Schritt vom Marktplatz entfernt lag, war ein modernes Barockgebäude, das prunkvoll und verschwenderisch gebaut war und doch einen nüchternen und leeren Eindruck machte. In einiger Entfernung von der breiten, repräsentativen Haupttreppe führte ein zweiter, schmaler Eingang hinauf zu den Büroräumen. Diesen benutzte Fabian, der die Rechtsabteilung der Stadt leitete, daneben aber noch eine umfangreiche Praxis als Rechtsanwalt betrieb. Er stieg eilig die Treppe zu seinen Amtsräumen empor, ohne jemand in dem kahlen, frostigen Treppenaufgang zu begegnen.
Als er aber die Tür seines Büros aufsperren wollte, fand er, dass von innen schon ein Schlüssel steckte. Er trat verwirrt zurück. Hatte er sich im Stockwerk getäuscht? In diesem Augenblick näherten sich Schritte, die Tür wurde geöffnet, und ein junger, hochaufgeschossener Mann stand vor ihm. Er hatte ein langgezogenes, hölzernes Gesicht, und besonders an den Wangen glaubte man noch die derbe Arbeit des Schnitzmessers zu erkennen. Sein Teint war unrein und der eines verbummelten Menschen.
«Sie wünschen». fragte der junge Mann mit dem hölzernen Gesicht frostig und rauh, wobei er ihn von oben herab musterte.
Fabian blickte ihn mit offenem Munde und albernem Gesichtsausdruck an. Er glaubte zu träumen und suchte sich angestrengt das rätselhafte Erscheinen des jungen Mannes zu erklären, der fast einen Kopf größer war als er.
Während er langsam zurückwich, blickte er in das unbewegte, gefrorene und dabei hochmütige Gesicht des jungen Mannes, und in dieser Sekunde glaubte er ihn zu erkennen. Dieser junge Mann war einmal Rechtsgehilfe bei Justizrat Schwabach gewesen, eine Art Praktikant und Volontär, den er einige Male kurz in irgendeiner juristischen Frage gesprochen hatte. Er hieß Schillinger oder so ähnlich. Soviel er sich erinnerte, war er ein verkommener Student, der sich keines besonders guten Rufes erfreute und nur wenige Prüfungen mit Ach und Krach bestanden hatte. Justizrat Schwabach, der keiner Fliege ein Leid antun konnte, hatte ihn einige Zeit aus lauter Gutmütigkeit oder irgendwelchen anderen Gründen beschäftigt. Er galt seit langer Zeit als fanatischer Parteianhänger, und Fabian erinnerte sich nun, ihn öfter mit der Sammelbüchse getroffen zu haben.
«Herr Schillinger – wenn ich nicht irre». sagte er endlich, «Sie sehen, dass ich einigermaßen erstaunt bin». Im gleichen Augenblick fand er seine Fassung zurück, und es gelang ihm sogar sein bestechendes Lächeln.
Der lange junge Mann machte eine steife Verbeugung, es sah aus, als verbeuge sich nur der Oberkörper, während der Unterkörper unbeweglich blieb. Gleichzeitig verzog er die wulstigen Lippen, was ein Lächeln bedeuten sollte. «Schilling, ich bitt», antwortete er kühl. «Wenn ich nicht irre, Herr Doktor Fabian». Da Fabian nickte, öffnete er die Tür weiter und lud ihn mit einer ungelenken Bewegung ein, einzutreten. Mit etwas freundlicherer Stimme setzte er hinzu: «Bitte treten Sie ein. Ich bin seit einer Woche zum Leiter der Rechtsabteilung ernannt worden. Über Ihre persönliche Verwendung gibt wohl der Brief Auskunft, der für Sie seit vielen Tagen bereitliegt». Der junge Mann ging mit steifen großen Schritten zum Schreibtisch und überreichte Fabian einen Brief in einem braunen Umschlag, der sofort als amtlich zu erkennen war. «Darf ich bitten».
Fabian fühlte, wie seine Knie schwach wurden und sein Herz heftig pochte. Dieses Herz, da sieht man es wieder, ganz gesund werde ich wohl nie mehr werden, ging es ihm durch den Kopf. Schlimme Ahnungen erfüllten ihn.
«Wir haben uns zuweilen bei Justizrat Schwabach gesprochen, Herr Kollege Schilling». sagte er zu seinem eigenen Erstaunen sehr ruhig, indem er den Brief entgegennahm. «Aber Sie waren doch lange Zeit vom Justizrat weg, glaube ich». fügte er hinzu, in einem Ton, als wolle er ein langes Gespräch einleiten.
«Ich habe einige Prüfungen nachgehol», entgegnete Schilling und wandte den Blick den hohen Fenstern zu, um anzudeuten, dass er keine Lust zu einem langen Geschräch habe. Er wandte sogar den Kopf zur Seite, so dass Fabian die Pickel und unreinen Pusteln auf seiner Wange erkennen konnte.
«Einen Augenblick darf ich wohl noch stören? Es ist ja ein dienstliches Schreibe», wandte er sich höflich an den jungen Mann.
«Aber ich bitt», erwiderte Schilling gleichgültig, ohne den Blick zu wenden. Ohne jede Rücksicht deutete er Fabian an, dass er ihn möglichst rasch wieder los sein wollte.
Schon aber hatte Fabian das Schreiben überflogen: Er war bis auf weiteres beurlaubt und sollte sich zu weiterer Verfügung bereit halten. Und da stand auch der Name des neuen Herrn, den Fabian gestern zum erstenmal gehört hatte: Taubenhaus.
Fabian erblasste. Seine schlimmen Ahnungen hatten sich erfüllt. Aber er sammelte sich rasch, trat auf den jungen Mann zu und reichte ihm die Hand. «Herzlichen Dank, Herr Schillin», sagte er in liebenswürdigem Ton und fügte hinzu: «Wenn Sie beim Durchsehen der Akten auf den einen oder anderen Punkt stoßen, über den Ihnen eine Aufklärung nötig erscheint, so klingeln Sie mich einfach an, ich stehe Ihnen gern zur Verfügung. In der Sache Kraus und Söhne zum Beispiel sind ja die Wasserrechte reichlich verworren».
Trotz der Erregung, die ihn erfasst hatte, gelang es ihm, in kühler Sachlichkeit mit dem jungen Mann zu sprechen, der von triumphierender Schadenfreude bis zum Rande angefüllt war. «Vielen Dan», sagte der junge Mann, ohne Fabian eines Blickes zu würdigen. «Ich werde Sie von Fall zu Fall anrufen, schön. Die Sache Kraus und Söhne ist ja schon lange nicht aktuell, die Firma ist doch jüdisch». Er machte wieder eine steife Verbeugung, und Fabian verließ das Zimmer.
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