Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus Cusanus

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Название Philosophische und theologische Schriften
Автор произведения Nicolaus Cusanus
Жанр Философия
Серия Kleine philosophische Reihe
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783843800983



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zur Ähnlichkeit des Feuers sich umgestalten lassen, während andere Stoffe wegen ihrer unreinen Beschaffenheit zwar wärmefähig, aber nicht in Licht verwandelbar sind, so teilt auch Christus der Richter in einem einfachsten und unterschiedlosen Ausspruche (iudicium), in einem Momente, an alle auf die gerechteste Weise, ohne alle Mißgunst, nicht in zeitlicher, sondern natürlicher Ordnung, die Wärme der anerschaffenen Verständigkeit (calorem creatae rationis communicat) aus, und ist diese Wärme von jedem aufgenommen, so gießt er das göttliche Licht der Vernunft von oben ein, so daß Gott alles in allem ist und alles durch ihn, den Mittler, in Gott und ihm (dem Mittler) gleich, soweit dies nach der Empfänglichkeit eines jeden möglich ist. Daß aber einige Stoffe (quaedam), die mehr geeint und geläutert sind, nicht nur für Wärme, sondern auch für Licht empfänglich sind, andere kaum für Wärme, aber nicht für Licht, ist eine Folge der mangelhaften Disposition der Gegenstände. Da nun jenes unendliche Licht die Ewigkeit und Wahrheit selbst ist, so muß das verständige Geschöpf, das durch dasselbe erleuchtet werden will, sich über Welt und Zeit zu dem Wahren und Ewigen hinwenden. Denn Körperliches und Geistiges sind Gegensätze. Das bloße Vegetieren ist körperlicher Natur, es verwandelt die von Außen aufgenommene Nahrung in die Natur des Genährten, es verwandelt sich nicht das Tier in Brot, sondern umgekehrt. Der vernünftige Geist hingegen, dessen Tätigkeit überzeitlich, gleichsam am Horizont der Ewigkeit sich bewegt, kann das Ewige, weil es ewig ist, nicht in sich verwandeln; allein er kann auch sich, da er gleichfalls unzerstörbar ist, nicht so in das Ewige verwandeln, daß er aufhört, eine vernünftige Substanz zu sein. Er wird daher so in jenes verwandelt, daß er zur Ähnlichkeit mit dem Ewigen umgestaltet wird (absorbeatur), jedoch mit graduellem Unterschiede. Ist er stärker und inniger dem Ewigen zugewandt, so geht seine Vollendung durch das Ewige auch tiefer (profundius ab aeternis perficiatur), und sein Sein verbirgt sich in dem ewigen Sein (et abscondatur eius esse aeterno). Da Christus unsterblich ist und fortlebt, ja das Leben und die Wahrheit ist, so wendet sich, wer zu ihm sich wendet, zum Leben und zur Wahrheit hin; mit je regerem Eifer es geschieht, desto mehr erhebt er sich über das Zeitliche und Vergängliche zum Ewigen hin, so daß sein Leben verborgen ist in Christus. Die Tugenden sind die ewige Gerechtigkeit, die in alle Ewigkeit dauert, das Leben und die Wahrheit. Wer sich der Tugend zuwendet, wandelt auf den Wegen Christi, auf den Wegen der Reinheit und Unsterblichkeit. Die wahren Tugenden sind eine göttliche Erleuchtung (divinae illuminationes). Wer sich daher in diesem Leben durch Christus, der die Tugend ist, zur Tugend wendet, wird, wenn er von diesem zeitlichen Leben befreit ist, in der Reinheit des Geistes erfunden werden und eingehen dürfen in die Freude, Gott ewig zu besitzen. Die Hinkehr (conversio) unseres Geistes erfolgt, wenn er sich mit allen seinen geistigen Kräften zur reinsten ewigen Wahrheit im Glauben, dem er alles hintansetzt, hinwendet und diese Wahrheit als das allein Liebenswürdige liebt. Die Hinkehr zu Christus, der die Wahrheit ist, im felsenfesten Glauben ist Verachtung der Welt und siegreiches Bezähmen alles Weltlichen (est mundum istum deserere atque in victoria calcare). Christus auf das Herzlichste lieben heißt in geistiger Bewegung zu ihm hinziehen, der nicht nur liebenswürdig, sondern die Liebe (caritas) selbst ist. Zieht der Geist in den Stufen der Liebe zur Liebe selbst hin, so vertieft er sich, erhoben über die Zeit und alle weltliche Bewegung, in der Liebe (in ipsam caritatem profundatur). Wie jeder Liebende in der Liebe, so leben alle, welche die Tugend lieben, in Christus. Niemand kennt also die Wahrheit, es sei denn der Geist Christi in ihm. Wie es unmöglich ist, daß ein Liebender ohne Liebe sei, so ist es unmöglich, daß jemand Gott besitze ohne den Geist Christi, in welchem Geiste wir allein Gott anbeten können. Daher sind die Glaubenslosen, die sich nicht Christus zuwenden, als unempfänglich für das zur Glorie umgestaltende Licht schon verurteilt zur Finsternis und zum Schatten des Todes; denn sie sind weggewandt von dem Leben, das Christus ist, von dessen Fülle allein alle in der Herrlichkeit durch die Vereinigung mit ihm gesättigt werden. Hierüber will ich weiter unten in dem Abschnitte über die Kirche auf gleicher Grundlage zu unserem Troste noch einiges beifügen.

      ZEHNTES KAPITEL

      Vom Ausspruche des Richters

      Es ist klar, daß kein Sterblicher jenes Gericht und den Ausspruch des Richters zu begreifen imstande ist. Da es über aller Zeit und Bewegung ist, so vollzieht sich jenes Gericht nicht in einer vorausgehenden Erörterung, nicht im Aussprechen von Worten und ähnlichen Äußerlichkeiten, welche eine Zeitdauer in sich schließen, sondern wie in dem Worte (er sprach und es ward) alles erschaffen ist, so wird in demselben Worte alles gerichtet. Auch fällt zwischen den Ausspruch und dessen Vollzug keine Zeitdauer, sondern es ist ein Moment: Auferstehen und Gelangen zum letzten Ziele. Letzteres nach zwei Richtungen: Verklärung durch Aufnahme unter die Kinder Gottes und Verdammung durch Ausschließen der von Gott Abgekehrten sind durch kein Zeitmoment voneinander getrennt.

      Die vernünftige Natur, die über die Zeit erhaben und der zeitlichen Zerstörung nicht unterworfen ist, die in ihrer Natur die unzerstörlichen Formen der Mathematik und der Naturwesen begreift und daher der selbst unzerstörbare Ort dieser unzerstörbaren Formen ist, wird durch eine natürliche Bewegung zur reinen, von aller konkreten Beimischung freien Wahrheit (ad veritatem movetur abstractissimam), als zum Ziele ihres Sehens und zu ihrem höchsten, genußreichsten Objekte hingetrieben. Und da dieses Objekt Gott ist, so ist die unsterbliche und unzerstörbare Vernunft nicht befriedigt, bis sie ihn erreicht, da sie nur in dem ewigen Objekte Befriedigung findet. Wenn nun die Vernunft, frei vom Körper, in dem sie den Meinungen der Zeit unterworfen ist (in quo opinionibus ex tempore subiicitur), nicht zum erwünschten Ziele gelangt, sondern vielmehr, während sie doch nach der Wahrheit ein Verlangen hat, in Unwissenheit versinkt, und während ihr höchstes Sehnen kein anderes ist als die Wahrheit selbst, nicht wie in Rätseln und Symbolen, sondern mit höchster Gewißheit von Angesicht zu erfassen, in der Stunde des Scheidens von dieser Welt wegen ihrer Abkehr von der Wahrheit und Hinkehr zu dem Vergänglichen in dieses von ihr erstrebte Vergängliche hinabsinkt, in die Ungewißheit und Verworrenheit, in das finstere Chaos der bloßen Möglichkeit, in der keine wirkliche Gewißheit ist (cum cadat ad incertitudinem et confusionem, in ipsum tenebrosum chaos merae possibilitatis, ubi nihil certi actu), so sagt man mit Recht, sie sei dem geistigen Tode verfallen (recte ad intellectualem mortem descendisse dicitur). Denn für die Seele ist das vernünftige Erkennen ihr Sein, das Ersehnte erkennen ihr Leben. Wie es daher ihr ewiges Leben ist, zuletzt das Ersehnte, Beharrliche, Ewige zu erfassen, so ist es ihr ewiger Tod, von diesem ersehnten festen Ziele getrennt und in das Chaos der Verwirrung hinabgestürzt zu werden, wo sie nach ihrer Weise von dem ewigen Feuer gequält wird, das wir uns nicht anders denken können als die Qual dessen, der der Leben gebenden Nahrung und der Gesundheit, ja, was noch mehr ist, auch der Hoffnung, je diese Güter zu erlangen, beraubt ist, und daher, ohne je zu erlöschen, ohne Ende beständig stirbt in ewigem Todeskampfe (ut sine extinctione et fine semper moriatur agonizando). Das ist ein über allen Begriff qualvolles Leben, denn es ist ein solches Leben, das zugleich Tod ist, ein Sein, das ein Nichtsein, ein Erkennen, das ein Nichtwissen ist. In dem Früheren ist gezeigt, daß die Auferstehung der Menschen erhaben über alle Bewegungen, Zeit, Quantität und über anderes, was zur Zeit gehört, erfolgt, so daß das Zerstörbare ins Unzerstörbare, das Tierische ins Geistige verwandelt wird und der ganze Mensch voller Persönlichkeit und diese ganze geistige Natur, und somit auch der wahre Leib vom Geistigen verschlungen ist (ut totus homo sit suus intellectus, qui est spiritus, et corpus verum sit in spiritu absorptum). Der Leib besteht nicht mehr in sich (in se) nach seinem körperlichen quantitativen und zeitlichen Verhältnisse, sondern ist in das Geistige aufgenommen (translatum in spiritum), das Gegenstück zu dem jetzigen Leibe, wo man nicht die Vernunft, sondern nur den Körper wahrnimmt, in dem die Vernunft selbst wie eingekerkert ist, während dort der Körper ebenso im Geiste ist wie hienieden der Geist im Körper und mithin, während hier die Seele durch den Körper belastet, dort der Körper durch den Geist schwunghaft wird (alleviatur). Wie daher die geistigen Freuden des vernünftigen Lebens die größten sind, an denen auch der verklärte Leib im Geiste partizipiert, so ist auch die höllische Traurigkeit des geistigen Todes die größte, und auch der Leib empfindet sie im Geiste. Und da unser Gott, der, lebendig erfaßt, das ewige Leben ist, über allen unsern Verstand erkennbar ist, so sind auch jene ewigen Freuden, die alle unsere Begriffe übersteigen, viel zu groß, als daß sie sich irgendwie schildern ließen. In gleicher Weise gehen auch die Strafen der Verdammten über alle denkbaren oder der Darstellung fähigen Strafen hinaus. Daher