Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг

Читать онлайн.
Название Gesammelte Werke von Rudyard Kipling
Автор произведения Редьярд Киплинг
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788027209255



Скачать книгу

wohl alle die Dörfer schon, was den Sahibs passiert ist – he?«

      »Sicher. Um Mitternacht war die Neuigkeit in Ziglaur; morgen wird sie in Kotgarh sein. Beide Dörfer werden sich ärgern und fürchten.«

      »Nicht nötig. Sage den Dörfern, sie sollen die Sahibs gut futtern und in Frieden ziehen lassen. Mir müssen sie möglichst still aus unseren Tälern fortschaffen. Stehlen ist eine Sache – morden eine andere. Der Babu wird mich verstehen, und es werden keine Klagen hinterher kommen. Sei flink. Ich muß meinen Meister pflegen, wenn er erwacht.«

      »So sei es. Nach dem Dienst – sagtest Du? – kommt die Belohnung. Ich bin das Weib von Chamlegh, und ich werde von dem Rajah erhalten. Ich bin keine gewöhnliche Kinder-Gebärerin. Shamlegh ist Dein, Huf und Hörn und Haut, Milch und Butter. Wenn Du es nicht magst, laß es bleiben.«

      Sie wandte sich entschlossen und begann, in den Morgen hineinzugehen, der fünfzehnhundert Fuß über ihnen aufglomm. Ihre silbernen Halsketten klirrten auf ihrer breiten Brust. Kim dachte nach, diesmal im Dialekt, wahrend er die Ecken des Öltuchs mit Wachs festklebte.

      »Wie kann ein Mann dem Weg folgen oder dem Großen Spiel, wenn er immer von den Weibern verfolgt wird? Erst war es das Mädchen in Akrola bei der Furt, dann die Frau des Küchenjungen hinter dem Taubenschlag – die übrigen nicht zu zählen – und nun kommt diese hier! So lang ich ein Kind war, war das ganz gut, aber jetzt bin ich ein Mann, und sie wollen mich nicht als Mann betrachten. Wallnüsse, fürwahr! Ho! Ho! In den Ebenen sind es Mandeln!«

      Er ging hinaus, um Almosen zu sammeln – nicht mit der Bettelschale, die war für dort unten gut – sondern wie ein Prinz. Shamleghs Sommer-Bevölkerung besteht aus drei Familien – vier Frauen und acht oder neun Männern. Sie waren sämtlich vollgestopft mit Büchsenfleisch und gemischten Getränken, vom Ammoniak-Chinin an bis zum weißen Wodka – denn sie hatten ihren vollen Anteil an dem Diebstahl gehabt. Die netten kontinentalen Zelte waren längst zerschnitten und geteilt, und Bratenpfannen aus Aluminium lagen umher.

      Sie betrachteten die Gegenwart des Lamas als ein Schutzmittel gegen alle Konsequenzen und brachten, vollkommen unbußfertig, Kim von dem Besten, was sie noch hatten, bis hinab zu einem Trunk Chang, dem Gerstenbier, das von Ladakh kommt. Dann tauten sie im Sonnenschein auf und saßen, die Füße über unermeßliche Abgründe baumelnd, schwatzend und lachend und rauchend da. Sie beurteilten Indien und die Regierung nur nach dem, was sie von wandernden Sahibs, denen sie als Shikarris dienten, gehört hatten. Kim bekam Geschichten erzählt von angeschossenen Steinböcken, von Ringelhorn-Ziegen, von Sahibs (spätfliegende Fledermaus), die von Sahibs gejagt wurden, welche seit zwanzig Jahren in ihren Gräbern lagen – jede Geschichte gleichsam von rückwärts beleuchtet, wie Baumwipfel vom Blitz.

      Sie erzählten ihm von ihren Krankheiten und, was wichtiger war, von den Krankheiten ihrer Kleinen, sicherfüßigen Rinder: von Kleinen Märschen bis Kotgarh, wo die fremden Missionare wohnen und selbst noch weiter bis nach dem wunderbaren Simla, wo die Straßen mit Silber gepflastert sind und jeder Dienst bekommen kann bei den Sahibs, die in zweirädrigen Wagen fahren und Geld mit Schaufeln austeilen. Bald gesellte der Lama, schwer und nachdenklich daher schreitend, sich zu den am Abhang schwatzenden Gruppen, die ihm breiten Raum gaben. Die dünne Luft erfrischte ihn. Er setzte sich zu ihnen, und sie warfen, wenn die Rede stockte, Steine in die Leere. Dreißig Meilen entfernt, wie der Adler fliegt, lag die nächste Bergkette, besäumt, durchzogen und punktiert mit kleinen Flecken von Gebüsch – die in der Tat Wälder waren von der Ausdehnung eines starken Tagesmarsches – und hinter dem Dorfe schnitt der Shamlegh selbst jede Aussicht südwärts ab. Man saß gleichsam in einem Schwalbennest unter dem Dachgiebel der Welt.

      Von Zeit zu Zeit streckte der Lama seine Hand aus, und mit leise geflüsterten Sprüchen wies er auf den Weg nach Spiti und nordwärts über den Parungla.

      »Dort wo die Hügel am dichtesten liegen, liegt Dech’en, (er meinte Han-lé) das große Kloster. s’Tag-stanras-ch’en erbaute es, und von ihm gibt es eine Sage.«

      Und er erzählte sie, eine phantastische Geschichte, voll von Zauberei und Wundern, die Shamlegh in keuchendes Erstaunen setzte. Sich etwas westlich wendend, spähte er nach den grünen Hügeln von Kulu und suchte Kailung unter den Gletschern. »Denn von dort her kam ich in den alten, alten Tagen. Von Leh kam ich, über den Baralachi.«

      »Ja, ja, wir kennen das,« rief das weit reisende Volk von Shamlegh.

      »Und ich schlief zwei Nächte bei den Priestern von Kailung. Dies sind die Hügel meines Entzückens! Schatten, gesegnet über allen Schatten! Hier öffneten meine Augen sich für diese Welt. Dort fand ich Erleuchtung: und dort gürtete ich meine Lenden für die Suche. Aus den Hügeln kam ich – den hohen Hügeln und den starken Winden. Oh, gerecht ist das Rad!« Er segnete alle nach einander – die mächtigen Gletscher, die nackten Felsen, die gehäuften Moränen und Schieferberge. Er segnete trockenes Hochland und verborgenen Salzsee, uralte Bäume und fruchtbares, wasserdurchrieseltes Tal; und Kim staunte über seine Gemütserregung.

      »Ja – ja. Unseren Hügeln gleicht nichts anderes,« rief das Volk von Shamlegh und fing an sich zu wundern, daß Menschen in den heißen, schrecklichen Ebenen lebten, wo die Rinder so groß wie Elefanten sind und nicht an den Bergkanten pflügen können; wo Dorf an Dorf stößt, hundert Meilen weit, wie sie gehört; wo die Leute gleich truppweise stehlen und was die Räuber übrig lassen, von der Polizei weggenommen wird.

      So verstrich der stille Vormittag und als er endete, stieg Kims Botin von dem steilen Weidegrund herauf, so ruhigen Atems, wie beim Beginn des Marsches.

      »Ich sandte dem Hakim eine Nachricht,« erklärte Kim, als sie ihre Verbeugung machte.

      »Hat er sich den Götzendienern zugesellt? Nein – ich erinnere mich, er machte eine Heilung an einem von ihnen. Er hat Verdienst erworben, wenn auch der Geheilte seine Stärke auf Böses verwendete. Gerecht ist das Rad! Was von dem Hakim?«

      »Ich fürchtete, daß Du Schaden genommen hättest, und – ich wußte, daß er weise ist.« Kim nahm die verklebten Wallnußschalen und las auf der Rückseite seines Briefes, englisch geschrieben, folgendes: »Geehrtes empfangen. Kann gegenwärtig nicht loskommen von gegenwärtiger Gesellschaft. Werde sie nach Simla bringen. Nachdem hoffe ich Dich einzuholen. Zwecklos, wütende Gentlemen weiter zu begleiten. Kehre auf demselben Wege zurück; werde Dich überholen. Hoch befriedigt über Korrespondenzen – meiner Voraussicht zu danken.« Er schreibt, Heiliger, er will den Götzendienern entwischen und zu uns zurückkehren. Sollen wir nun in Shamlegh ihn erwarten?«

      Der Lama blickte lange und liebevoll auf die Berge und schüttelte sein Haupt.

      »Das darf nicht sein, Chela. Ich wünsche es mit all meinen Knochen, aber es ist verboten. Ich habe das Wesen der Dinge geschaut.«

      »Warum darf es nicht sein, da die Hügel Dir Tag auf Tag Deine Kräfte wieder geben? Bedenke, wir waren schwach und hinfällig dort unten in der Doon.«

      »Ich bekam nur Kräfte, um Böses zu tun und zu vergessen. Ein Zänker und ein Renommist auf den Bergen war ich.« Kim verbiß ein Lächeln. »Gerecht und vollkommen ist das Rad und weicht nicht ein Haarbreit ab. Als ich ein Mann war – vor langer Zeit – pilgerte ich zu Guru Ch’wan unter den Pappeln, (er zeigte nach Bhotan zu) wo sie das Heilige Roß bewahren.«

      »Stille, seid stille,« rief Shamlegh mit einer Stimme. »Er spricht von Jam-lin-nin-K’or, dem Roß, das in einem Tag rund um die Welt gehen kann.«

      »Ich spreche nur zu meinem Chela,« sagte der Lama mit sanftem Vorwurf, und sie zerstreuten sich wie Reif auf südlichen Dachrinnen. »In jenen Tagen suchte ich nicht Wahrheit, sondern das Gerede des Dogmas. Alles Wahn! Ich trank das Bier und aß das Brot von Guru Ch’wan. Nächsten Tages sprach einer: »Wir ziehen aus zum Kampf gegen Sangor Gutok drunten im Tal, zu bestimmen, (siehe wieder, wie Begierde an Zorn gebunden ist!) welcher Abt im Tale herrschen und den Gewinn von den Gebetbüchern haben soll, die sie drucken in Sangor Gutok.« Ich ging – und wir fochten einen Tag.«

      »Aber wie, Heiliger?«

      »Mit unseren Federkasten, wie ich Dir zeigen könnte .. Ich sage, wir fochten unter den Pappeln, beide