Название | Gesammelte Werke von Rudyard Kipling |
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Автор произведения | Редьярд Киплинг |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027209255 |
»Ich glaube, Lurgan Sahib will mir Furcht einflößen, und bin sicher, der Teufelsbalg unter dem Tisch möchte sehen, daß ich mich fürchte.« Laut sprach er: »Dieser Raum gleicht einem Wunder-Haus. Wo ist mein Bett?« Lurgan Sahib zeigte nach einem landesüblichen Polster in der Ecke unter den scheußlichen Masken, nahm die Lampe und ließ den Raum in Dunkelheit zurück.
»War das Lurgan Sahib?« fragte Kim, als er sich zusammengekauert hatte. Keine Antwort. Doch hörte er den Hindu-Knaben atmen, und von dem Hauch geleitet, kroch er über den Boden und knuffte mit den Fäusten in das Dunkel hinein. »Gib Antwort, Teufel. Betrügt man so einen Sahib?«
Aus der Finsternis hörte er das Echo eines Gekichers. Sein weichgliedriger Führer konnte es nicht sein, denn der weinte. So rief Kim laut: »Lurgan Sahib! O, Lurgan Sahib! Ist es Befehl, daß Dein Diener nicht mit mir spricht?«
»Es ist Befehl!« Die Stimme kam hinter ihm hervor, und er fuhr zusammen.
»Gut also. Aber wisse,« brummte er, als er sein Lager wieder suchte, »wenn es hell ist, werde ich Dich prügeln. Ich kann keine Hindus leiden.«
Das war keine angenehme Nacht. Der Raum war voll von Stimmen und Musik. Zweimal ward Kim geweckt dadurch, daß man seinen Namen rief. Beim zweiten Mal erhob er sich und suchte umher. Dabei stieß er mit der Nase an einen Kasten, der offenbar mit menschlicher Zunge sprach, aber nicht mit irgendwie menschlichen Tönen. Der Kasten schien in einer zinnernen Trompete zu enden und durch Drähte mit einem kleineren Kasten auf dem Boden verbunden zu sein, soviel Kim durch Betasten erkannte. Und die Stimme, hart und schwirrend, kam aus der Trompete. Kim rieb sich die Nase, wurde wütend und dachte – in Hindostanisch – wie gewöhnlich: »Für einen Bettler aus dem Bazar möchte das passen, aber – ich bin ein Sahib und der Sohn eines Sahibs und – was doppelt so viel wert ist, ein Student von Nucklao. Ja,« (hier fiel er wieder in Englisch), »ein Knabe von St. Xavier. Verdammt seien Mr. Lurgans Augen! – – Es ist eine Art Maschinerie wie eine Nähmaschine. Es ist eine Unverschämtheit von ihm, aber uns von Lucknow schreckt man nicht so – Nein!«
Wieder in Hindi: »Aber was gewinnt er dabei? Er ist nur ein Handelsmann, ich bin in seinem Laden. Creighton Sahib ist aber ein Oberst – und Creighton Sahib hat wohl befohlen, daß hier alles so gemacht wird. Wie ich den Hindu morgen prügeln will! Was gibt’s da wieder?«
Der Trompetenkasten stieß einen Strom von Schimpfreden aus, wie selbst Kim sie nie gehört und das mit einer monotonen und doch so durchdringenden Stimme, daß für einen Moment sich ihm das Haar im Nacken sträubte. Als das teuflische Ding Atem holte, wurde Kim beruhigt durch leises, nähmaschinenartiges Schwirren.
»Chup (sei still)!« schrie er und wieder hörte er ein Kichern, das ihn resolut machte. »Chup! – oder ich schlage Dir den Kopf ein.«
Der Kasten hörte nicht auf ihn. Kim riß an der Trompete und es hob sich etwas mit einem Klick. Er hatte augenscheinlich eine Klappe losgebrochen. Wenn da ein Teufel drinnen saß, so war es Zeit für ihn – er schnüffelte – so rochen die Nähmaschinen im Basar. Den Shaitan wollte er austreiben. Er schlüpfte aus seinem Rock und stopfte ihn in den Mund des Kastens. Etwas Langes und Rundes bog sich unter dem Druck – ein Schwirren – und die Stimme schwieg, wie eine Stimme wohl muß, wenn ein dreifach zusammengerollter Rock auf den Wachs-Zylinder und in das Werk eines kostspieligen Phonographen hinein gepreßt wird. Kim schlief guten Mutes wieder ein.
Am Morgen sah er Lurgan Sahib an seinem Lager stehen.
»Oha!« rief Kim, entschlossen an seinem Sahibtum festzuhalten; »hier war ein Kasten, der im Dunkeln schlechtes Zeug redete. Ich stoppte ihn aber. War es Euer Kasten?«
Der Mann streckte ihm die Hand entgegen.
»Gib mir die Hand, O’Hara,« sagte er. »Ja, es war mein Kasten. Ich halte solche Dinger, denn meine Freunde, die Rajahs, mögen sie gern. Dieser da ist zerbrochen, war aber billig eingekauft. Ja, meine Freunde, die Könige, lieben Spielsachen – und ich auch – zuweilen.«
Kim betrachtete ihn verstohlen. Ein Sahib war er, insoweit er wie ein Sahib gekleidet war; der Akzent seines Urdu und die Aussprache seines Englisch zeigte aber, daß er nichts weniger als ein Sahib war. Er schien zu verstehen, was im Geiste des Knaben vorging, ohne daß dieser den Mund öffnete, und er gab keine Erklärungen wie Vater Victor oder die Lehrer in Lucknow. Besser aber, er behandelte Kim wie einen Gleichgestellten, auf asiatische Weise.
»Tut mir leid, daß Ihr meinen Jungen heute morgen nicht prügeln könnt. Er sagt, er will Euch mit Gift oder Messer töten. Er ist eifersüchtig. Ich habe ihn in die Ecke gestellt und werde heute nicht mit ihm sprechen. Er hat eben versucht, mich umzubringen. Ihr müßt mir beim Frühstück helfen. Er ist zu eifersüchtig; man kann ihm jetzt nicht trauen.«
Ein von England unverfälscht importierter Sahib würde eine große Wichtigkeit aus solcher Sache gemacht haben; Lurgan Sahib erzählte sie so einfach, wie Mahbub Ali seine kleinen Geschäfte im Norden berichtete.
Die hintere Veranda war direkt über den Hügelabhang hinausgebaut und man guckte in des Nachbars Schornstein hinunter, wie es in Simla gewöhnlich Brauch ist. Mehr noch als das rein persische Mahl, das Lurgan mit eigener Hand bereitete, interessierte Kim der Inhalt des Ladens. Das Museum von Lahors war größer, aber hier waren mehr Wunder – Geisterdolche und Gebetmühlen von Tibet, Halsketten von Bernstein und Türkisen; Spangen von grünem Speckstein, sonderbar zusammengefügte Weihrauch-Stäbe in mit rohem Granat inkrustierten Krügen; die Teufelsmasken von voriger Nacht und eine Wand voll von pfauenblauen Draperien; vergoldete Buddha-Gestalten und kleine, tragbare Lack-Altäre; russische Samowars mit Türkisen auf den Deckeln; chinesisches Teegeschirr, dünn wie Eierschalen, in zierlichen achteckigen Rohrschachteln; Kruzifixe von gelbem Elfenbein, »meist aus Japan,« grade diese, sagte Lurgan Sahib; abscheulich riechende, staubige Teppich-Ballen hinter zerfetzte und vermoderte geometrische Tafeln geschoben. Persische Wasserkrüge für Handwaschung nach der Mahlzeit; schwere kupferne Räucherbüchsen, weder persisch noch chinesisch, mit Friesen von phantastischen, rundtanzenden Teufeln umgeben; fleckige silberne Gürtel, die sich wie rohes Leder zusammenknoteten; Haarnadeln von Jetstein, Elfenbein und Zelluloid; Waffen von allen Arten und tausend andere Raritäten lagen in Kasten oder sonstwie aufgehäuft, auch einfach auf dem Boden verstreut, so daß nur ein Raum um den gebrechlichen Plankentisch frei blieb, an dem Lurgan Sahib arbeitete.
»Diese Sachen sind nichts«, sprach er, Kims Blick folgend. »Ich kaufe sie, weil sie hübsch sind und zuweilen verkaufe ich davon, wenn – der Käufer mir gefällt. Meine Arbeit ist auf dem Tisch – etwas davon.«
Es blitzte in dem Morgenlicht – rote, blaue, grüne Blitze, vermischt hier und da mit dem verführerischen blauweißen Strahl von Diamanten. Kim öffnete die Augen weit.
»Oh, die sind ganz gesund, diese Steine. Die Sonne schadet ihnen nichts. Nebenbei sind sie billig. Aber mit kranken Steinen ist es anders.« Er füllte Kims Teller aufs Neue. »Außer mir selbst gibt es keinen Arzt für kranke Perlen oder jemand, der Türkisen ihre blaue Farbe wiedergeben könnte. Opale überlasse ich andern – jeder Narr kann einen Opal kurieren – aber für eine kranke Perle bin nur ich allein da. Gesetzt, ich sollte sterben! Da wäre kein anderer da… O nein! Ihr könnt nichts mit Juwelen anfangen. Genug, wenn Ihr später einmal etwas von Türkisen versteht.«
Er begab sich an das Ende der Veranda, um den schweren, porösen Thon-Wasserkrug aus dem Filter zu füllen.
»Wünscht Ihr zu trinken?«
Kim nickte.