Название | Gesammelte Werke von Rudyard Kipling |
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Автор произведения | Редьярд Киплинг |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027209255 |
Sie sah den Knaben jetzt so wenig als Tarvin den Maharadscha, jede Bitte um Audienz wurde mit dem Bescheid: »Die Priester sind mit ihm«, abgelehnt. Tarvin verfluchte die gesamte Priesterschaft von Rhatore und verdammte die Fakirs, die ihm überall in den Weg liefen, zu jeder erdenklichen Höllenstrafe.
»Wollte Gott, diese blödsinnige Geschichte wäre endlich überstanden,« so lauteten seine Gedanken in all der Festfreude. »Ein Jahrhundert habe ich doch nicht übrig für Rhatore!«
Nach fast acht Tagen ununterbrochenen Festestaumels und einer Sonnenglut, in der einem die grellfarbigen Festgewänder der gesamten Bevölkerung vollends Kopfschmerzen machten, langten auf demselben Weg, den Käte zurückgelegt hatte, zwei europäische Wagen mit fünf Engländern und drei Damen an. Bald darauf durchwanderten die neuen Gäste die Stadt mit teilnahmlosen Blicken, sichtlich verstimmt über die Pflichten ihres Amts, die sie zwangen, in der heißesten Jahreszeit Augenzeugen eines Verbrechens zu sein, das sie nicht nur nicht verhindern konnten, sondern durch ihre Gegenwart gutheißen mußten.
Der Geschäftsträger des Generalgouvernements, das heißt also der amtliche Vertreter des Vizekönigs für die Provinz Radschputana, hatte einige Zeit vorher dem Maharadscha zu Gemüt geführt, daß man von ihm als einem erleuchteten, fortschrittlich gesinnten Fürsten die Erwartung hege, er werde mit dem indischen Brauch der Kinderheiraten brechen und seinem Sohn erst in zehn Jahren eine Gemahlin wählen. Der Maharadscha hatte dagegen die Macht und Bedeutung seinem Volk seit undenklichen Zeiten heiliger Sitten und das Begehren der Priester geltend gemacht und seine Weigerung durch eine fürstliche Schenkung an das so wie so reiche Spital von Kalkutta vergoldet.
Tarvin für sein Teil hatte kein Verständnis dafür, daß eine Regierung der gotteslästerlichen Posse, die man Hochzeit nannte und deren Opfer zwei Kinder waren, ruhig zusehen konnte. Er wurde alsbald dem Geschäftsträger vorgestellt, der eine große Wißbegierde bezüglich der Arbeiten am Fluß an den Tag legte. Nach der Stauung des Amet gefragt zu werden, wo er doch so wenig damit vom Fleck kam, wie mit dem Naulahka, berührte Tarvin vollends wie eine persönliche Kränkung, und er zeigte sich daher nichts weniger als mitteilsam, belästigte dagegen seinerseits den Geschäftsträger mit Fragen darüber, wie er sich zu dem schmählichen Vorgang im Palast verhalte. Nachdem dieser ihm erklärt hatte, dieses Puppenspiel einer Hochzeit sei eine politische Notwendigkeit, legte Tarvin einer politischen Notwendigkeit dieser Art Gründe unter, die den Beamten veranlaßten, mehr als förmlich zu werden und sich diesen ungehobelten Amerikaner mit plötzlich erwachter Neugier zu betrachten. Die beiden Männer trennten sich nichts weniger als erbaut voneinander.
Mit der übrigen Gesellschaft kam Tarvin besser zurecht. Die Frau des Geschäftsträgers, eine hochgewachsene Brünette die aus einer jener Familien stammte, die seit den Tagen der Ostindischen Kompanie an der Verwaltung der Kolonieen teilgenommen haben, besuchte das Spital und studierte Kätes Werk gründlich. Da sie eine Frau und kein Beamter war, durfte sie deutlich zeigen, wie anziehend ihr das hilfreiche Mädchen mit den traurigen Augen erschien, das so wenig Aufhebens von seinen Leistungen machte. Aus diesem Grunde widmete sich dann Tarvin mit Eifer der Unterhaltung und Erheiterung dieser Dame, die ihn für einen interessanten Sonderling erklärte.
»Sonderlinge sind sie alle, diese Amerikaner,« setzte sie hinzu. »So gescheit sie auch sein mögen, seinen Vogel hat jeder.«
Auch in diesem lärmenden Gepränge war sich ja Tarvin immer bewußt, ein Bürger von Topaz zu sein, und so erzählte er ihr viel von der gesegneten Stadt in der weiten Prairie, an der sein Herz abgöttisch hing. Die »Zauberstadt« nannte er Topaz, kühnlich behauptend, daß sie im Westen Amerikas allgemein so genannt werde. Er langweilte die Dame nicht, vielmehr fand sie Gefallen an seiner Unterhaltung. Bodenverbesserungsgesellschaften, Handelskammern, Bauplatzspekulationen und die Anlage der C. C. C. waren für sie etwas Neues und es gelang Tarvin mit Leichtigkeit, darauf zu kommen, was ihm vor allem am Herzen lag. Ob sie je das Naulahka gesehen habe, fragte er sie unverfroren.
Nein, sie wußte kein Wort von dem wunderbaren Halsband! Sie wußte überhaupt nicht viel von Indien, sie hatte nur Gedanken für ihre Heimreise im nächsten Frühjahr. »Zu Hause« war für sie eine bescheidene Wohnung bei Surbiton dicht am Krystallpalast, wo ihr dreijähriger Junge auf sie wartete. Auch die übrige englische Gesellschaft schien sich außerordentlich wenig mit Radschputana zu beschäftigen, geschweige denn mit dem Naulahka. Nur durch Kreuz-und Querfragen brachte Tarvin heraus, daß alle diese Leute die Arbeitsjahre des Lebens zumeist in diesem Land zugebracht hatten. Sie sprachen darüber, wie Zigeuner von einem Ort sprechen mögen, eh’ sie die Pferde schirren, um nach dem nächsten zu ziehen. Ja, die Straßen seien schlecht und furchtbar heiß und staubig und sie hofften bald zur Ruhe kommen zu können. Diese Hochzeit war nur eine lästige Mühsal weiter und sie wünschten sehnlich, daß sie bald überstanden wäre. Einer von der Gesellschaft beneidete Tarvin, weil er mit frischen Augen an Indien herangetreten sei und mit dem lebendigen Glauben an die Möglichkeit, hier etwas andres zu säen und zu ernten als Enttäuschungen.
Der letzte Tag der Hochzeitsfestlichkeiten begann und schloß mit weiterem Kanonendonner, weiterem Feuerwerk, weiterem Hufgeklapper, Elefantenschreien und krampfhaften Versuchen sämtlicher Militärkapellen, das »God save the Queen« richtig zu spielen. Am Abend sollte der Maharadscha Kunwar – die Braut wird bei einer indischen Hochzeit weder gezeigt, noch genannt – bei einem Bankett erscheinen, wobei der Vertreter des Vizekönigs den Trinkspruch auf ihn und seinen Vater auszubringen hatte. Hierauf wollte der Maharadscha in seinem allerbesten Englisch erwidern, zu welchem Zweck der Hofschreiber ihm eine sehr schöne lange Rede aufgesetzt hatte.
Tarvin zweifelte allen Ernstes daran, ob er den Knaben lebendig wiedersehen würde, und ritt vor dem Bankett in die von Menschen wimmelnde Stadt, um sich nach ihm umzusehen. Die Dämmerung war schon angebrochen und die Fackeln flammten zwischen den Häusern. Wilde Wüstensöhne, die noch nie einen weißen Mann zu Gesicht