Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma Lagerlöf

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Название Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf
Автор произведения Selma Lagerlöf
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788027207015



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ihn nicht. Da besann sich Jarro keinen Augenblick, sondern eilte von dannen, um Hilfe zu holen.

      Nach einer Weile kehrte er zurück und trug auf seinem Rücken einen kleinen Wicht, der viel kleiner war als Per Ola. Hätte er nicht sprechen und sich bewegen können, so würde Per Ola geglaubt haben, es sei eine Puppe. Und dieser kleine Wicht befahl Per Ola sofort, eine lange Stange zu nehmen, die auf dem Boden des Prahms lag, und zu versuchen, das Boot nach einer der kleinen Schilfinseln hinüberzustängeln. Per Ola gehorchte, und er und der Wicht halfen einander, den Prahm vorwärtszutreiben. Mit ein paar Stößen erreichten sie eine kleine schilfumkränzte Insel, und nun erhielt Per Ola den Befehl, an Land zu gehen. Im selben Augenblick, als er den Fuß an Land setzte, lief der Prahm voll Wasser und versank.

      Als Per Ola dies sah, wurde es ihm klar, daß sein Vater und seine Mutter sehr böse auf ihn sein würden. Hätte er nicht gleich etwas anderes zu denken gehabt, so würde er sicher geweint haben. Aber da kam eine Schar großer, grauer Vögel und ließ sich auf der Insel nieder, und der kleine Wicht nahm ihn zu ihnen hin und erzählte ihm, wie sie hießen und was sie sagten. Und das war so lustig, daß Per Ola alles andere vergaß.

      Indessen hatten die Leute auf dem Bauernhofe entdeckt, daß der Junge verschwunden war und hatten angefangen, nach ihm zu suchen. Sie suchten in den Wirtschaftsgebäuden, guckten in den Brunnen hinab und sahen im Keller nach. Dann gingen sie auf Wege und Stege hinaus, eilten auch nach dem Nachbargehöft und fragten, ob er sich nicht dahin verirrt habe; sie spähten auch unten am Tåkernsee nach ihm aus. Aber soviel sie auch suchten, er war nicht zu finden.

      Cäsar, der Hund, verstand sehr wohl, daß sein Herr und die Hausfrau Per Ola suchten, aber tat nichts, um ihnen auf die richtige Spur zu helfen. Er blieb im Gegenteil ganz ruhig liegen, als gehe ihn das ganze nichts an.

      Späterhin am Tage fanden sie Per Olas Fußstapfen unten am Landungsplatz, Und dann fiel es ihnen auf, daß der alte, lecke Prahm nicht mehr am Ufer lag. Da wurde ihnen der ganze Zusammenhang plötzlich klar.

      Der Bauer und seine Knechte schoben sogleich die Boote in den See und ruderten hinaus, um den Kleinen zu suchen. Sie ruderten bis spät am Abend umher, ohne die geringste Spur von ihm zu entdecken. Sie konnten nicht anders glauben, als daß das alte Boot gesunken sei und das Kind tot auf dem Grunde des Sees liege.

      Am Abend wanderte Per Olas Mutter am Ufer des Sees umher. Alle anderen waren überzeugt, daß der Kleine ertrunken sei, nur sie konnte es nicht glauben und fuhr fort zu suchen. Sie suchte zwischen Röhricht und Binsen, sie ging an dem sumpfigen Ufer hin und her, ohne darauf zu achten, wie tief sie einsank, oder wie naß sie schon war. Sie war unsagbar verzweifelt. Es stach und nagte in ihrem Herzen. Sie weinte nicht, aber sie rang die Hände und rief mit lauter, klagender Stimme nach ihrem Kinde.

      Rings umher hörte sie Schwäne und Enten und Brachvögel schreien. Es war ihr, als folgten sie hinter ihr drein, und als klagten und jammerten auch sie. »Sie haben auch wohl Kummer, da sie so klagen,« dachte sie. Aber dann besann sie sich. Es waren ja nur Vögel, die sie hörte. Die hatten wohl keinen Kummer.

      Es war merkwürdig, daß sie nicht verstummten, jetzt, wo die Sonne untergegangen war. Sie hörte, wie alle diese zahllosen Vogelscharen, die am Täkernsee lebten, einen Schrei nach dem andern ausstießen. Mehrere von ihnen folgten ihr auf Schritt und Tritt, andere kamen mit hastigem Flügelschlag vorbeigesaust. Die ganze Luft war angefüllt von Klage und Jammer.

      Aber die Angst, die sie selber empfand, öffnete ihr das Herz. Sie fand, daß sie allen den anderen lebenden Wesen gar nicht so fern stand, wie dies sonst bei den Menschen der Fall ist. Sie verstand viel besser als je zuvor, wie den Vögeln zumute war. Sie hatten ihre ständigen Sorgen für Haus und Kinder, ganz so wie sie. Es war wohl kein so großer Unterschied zwischen ihnen und ihr, wie sie bisher geglaubt hatte.

      Da mußte sie daran denken, daß es so gut wie beschlossen war, daß alle die Tausende von Schwänen, Enten und Lummen ihre Heimat hier am Täkernsee verlieren sollten. »Das wird schwer genug für sie,« dachte sie. »Wo sollen sie dann ihre Jungen aufziehen?«

      Sie blieb stehen und verfiel in Sinnen. Es konnte so aussehen, als sei es ein gutes und wohlgefälliges Werk, einen See in Äcker und Wiesen zu verwandeln, aber das mußte wohl ein anderer See als der Tåkern sein, ein See, der nicht so vielen Tausenden von Tieren zur Heimat diente.

      Sie dachte daran, daß am nächsten Tage die Trockenlegung des Sees endgültig beschlossen werden sollte, und sie fragte sich, ob wohl deswegen ihr kleiner Junge gerade heute verschwunden war. Ob es vielleicht Gottes Absicht sei, gerade heute ihr Herz der Barmherzigkeit zu erschließen, ehe es zu spät war, die grausame Handlung zu verhindern?

      Sie kehrte schnell auf den Hof zurück und sprach mit ihrem Mann über dies alles. Sie sprach von dem See und von den Vögeln und sagte ihm, sie glaube, Per Olas Tod sei eine Strafe, die Gott über sie beide verhängt habe. Und sie merkte bald, daß ihr Mann derselben Ansicht war wie sie.

      Das Gehöft, das sie besaßen, war schon vorher groß, kam aber die Trockenlegung des Sees zustande, so würde ihnen ein so großes Stück von dem Seegrunde zufallen, daß sich ihr Besitz ungefähr verdoppelte. Weshalb waren sie auch eifriger für das Unternehmen gewesen als irgendein anderer der Grundbesitzer. Die andern hatten die Ausgaben gescheut und befürchtet, das Trockenlegen werde nicht besser gelingen als das letztemal. Per Olas Vater wußte sehr wohl, daß er sie schließlich zu dem Unternehmen beredet hatte. Er hatte seine ganze Überredungskunst angewendet, um seinem Sohn ein Gehöft hinterlassen zu können, das doppelt so groß war wie das von seinem Vater ererbte.

      Er stand nun da und dachte darüber nach, ob Gott wohl einen Zweck damit gehabt habe, daß ihm der Tåkernsee seinen Sohn genommen hatte, gerade an dem Tage, bevor er die Urkunde zu der Trockenlegung des Sees unterschreiben wollte. Seine Frau brauchte nicht viele Worte zu ihm zu sagen, als er schon antwortete: »Vielleicht ist es Gottes Wille, daß wir nicht in seine Ordnung eingreifen sollen. Morgen will ich mit den anderen darüber reden, und ich denke, wir beschließen, daß alles so bleibt wie es ist.«

      Während Mann und Frau miteinander sprachen, lag Cäsar vor dem Herd. Er hob den Kopf und hörte genau zu. Als er seiner Sache sicher zu sein glaubte, ging er zu seiner Herrin, packte sie beim Kleid und zog sie nach der Tür. »Aber Cäsar!« sagte sie und wollte sich frei machen. »Weißt du, wo Per Ola ist?« rief sie dann aus. Cäsar bellte lustig und lief nach der Tür. Sie öffnete, und Cäsar stürzte an den Tåkernsee hinab. Seine Herrin war so sicher, daß er wußte, wo Per Ola war, daß sie gleich hinter ihm drein lief. Und kaum waren sie an den Strand gekommen, als sie draußen auf dem See Kinderweinen hörten.

      Per Ola hatte nie im Leben einen so vergnüglichen Tag verbracht wie den heutigen mit Däumling und den Vögeln, aber nun hatte er angefangen zu weinen, weil er hungrig war und sich vor der Dunkelheit fürchtete. Und er war sehr froh, als Vater und Mutter und Cäsar kamen, um ihn zu holen.

      XIX. Die Wahrsagung

       Inhaltsverzeichnis

      Der Junge lag eines Nachts auf einer der kleinen Inseln im Tåkernsee und schlief, als er durch Ruderschläge geweckt wurde. Kaum hatte er die Augen aufgemacht, als ein starker Lichtschein gerade in sie hineinfiel, so daß er blinzeln mußte.

      Zuerst konnte er nicht begreifen, was hier draußen auf dem See so hell leuchtete, bald aber sah er, daß im Röhricht ein Kahn lag, in dessen Achtersteven eine große brennende Pechfackel an einer eisernen Stange befestigt war. Die rote Flamme der Fackel spiegelte sich deutlich in dem nachtschwarzen See, und der Lichtschein mußte die Fische herbeigelockt haben, denn rings um die Flamme da unten in der Tiefe konnte man eine Menge dunkler Streifen sehen, die sich unaufhörlich bewegten und ihren Platz wechselten.

      In dem Kahn befanden sich zwei alte Männer. Der eine saß an den Rudern, der andere stand auf der hinteren Bank und hielt einen kurzen, mit einem Widerhaken versehenen Spieß in der Hand. Der Mann an den Rudern schien ein armer Fischer zu sein. Er war klein, dürr und wettergebräunt und hatte einen dünnen, abgetragenen Rock an. Man konnte