Gesammelte Weihnachtsmärchen für Kinder (Illustriert). Walter Benjamin

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Название Gesammelte Weihnachtsmärchen für Kinder (Illustriert)
Автор произведения Walter Benjamin
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788075834935



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gerade das. Und es gibt wohl keinen Menschen in der Welt, von dem ich’s mir nicht lieber hätte zeigen lassen.«

      »Ich gestehe, daß ich stets meinen Verdacht gehabt habe«, sagte Tackleton; »und ich weiß, das ist’s auch, was mich hier mißliebig gemacht hat.«

      »Aber da Ihr es mir nun einmal gezeigt habt«, sagte der Fuhrmann, ohne auf seine Worte zu achten, »und da Ihr sie gesehen habt, meine Frau, meine Frau, die ich liebe« – seine Stimme, sein Blick, seine Hand wurden fester und gleichsam sicherer, als er diese Worte sprach: ein offenbarer Beweis, daß er einen festen Entschluß gefaßt – »da Ihr sie in dieser ungünstigen Stellung gesehen, so ist es nur in Ordnung, daß Ihr sie auch mit meinen Augen seht und in meine Brust schaut, um zu erfahren, wie ich hierüber denke, denn mein Entschluß ist gefaßt«, sagte der Fuhrmann, ihn aufmerksam anblickend. »Und nichts kann ihn jetzt mehr erschüttern.«

      Tackleton murmelte einige allgemeine Worte der Zustimmung hinsichtlich der Notwendigkeit, an irgend jemand Rache zu üben; aber das Benehmen des Fuhrmanns flößte ihm beinahe Ehrfurcht ein.

      Wie einfach und schlicht es auch war, es lag etwas Würdevolles und Stolzes darin, das nur der edleren und großmütigeren Seele dieses Mannes entspringen konnte.

      »Ich bin ein einfacher, ungebildeter Mensch«, fuhr der Fuhrmann fort: »ich habe wenig Vorzüge. Ich bin nicht gerade ein liebenswürdiger Mann, wie Ihr sehr wohl wißt. Ich bin auch kein junger Mann. Ich liebte meine kleine Dot, weil ich sie von Kindheit an im Hause ihres Vaters hatte aufwachsen sehen; weil ich wußte, wie vortrefflich sie war; weil sie seit vielen Jahren mein Leben und mein Alles gewesen. Es gibt gewiß viele Menschen, mit denen ich mich nicht vergleichen kann, die aber sicherlich meine kleine Dot nicht so hätten lieben können wie ich.«

      Er hielt inne und stieß einige Augenblicke sanft auf den Fußboden, bevor er fortfuhr.

      »Ich habe oft gedacht, daß ich, wenn ich auch nicht gut genug für sie sei, doch ein freundlicher Ehemann gegen sie sein möchte und ihren Wert vielleicht besser zu schätzen wisse, als irgendein anderer, und so fand ich mich damit ab und dachte so in meinem Sinn, daß unsere Heirat doch wohl nicht ganz unvernünftig sein könnte. Und so geschah es, und wir heirateten uns.«

      »Freilich«, sagte Tackleton mit einem bedeutsamen Kopfschütteln.

      »Ich hatte mich kennenzulernen gesucht; ich hatte mir alle möglichen Fragen vorgelegt, ich wußte, wie sehr ich sie liebte und wie glücklich ich sein würde«, setzte der Fuhrmann hinzu. »Aber ich hatte – das fühle ich jetzt – sie selbst nicht genug in Erwägung gezogen.«

      »Natürlich nicht!« sagte Tackleton. »Eitelkeit, Leichtsinn, Unbeständigkeit, Koketterie. Nicht genug bedacht! Alles aus den Augen gelassen! Ja, ja!«

      »Ihr tätet besser, mich nicht zu unterbrechen«, sagte der Fuhrmann mit gerunzelter Stirn, »bis Ihr mich verstanden habt, und davon seid Ihr noch weit entfernt. Wenn ich gestern jeden mit einem Schlage getötet hätte, der sich herausgenommen hätte, auch nur ein Wort gegen sie zu sagen, heute würde ich ihm den Kopf mit meinem Fuß zertreten, und wenn es mein Bruder wäre!«

      Der Spielwarenhändler sah ihn bestürzt an. John fuhr in sanfterem Tone fort:

      »Hatte ich bedacht, daß ich sie – in ihrem Alter und mit ihrer Schönheit! – aus der Mitte ihrer jungen Freundinnen und aus den Kreisen wegnahm, deren Schmuck, deren hellster Stern sie war, um sie für immer in mein langweiliges Haus zu verschließen und sie an meine trübselige Gesellschaft zu fesseln? Hatte ich bedacht, wie wenig ich zu ihrer Lebhaftigkeit paßte und wie unerträglich ein Mann von so langsamen Begriffen wie ich für eine Frau von so schnellem Verstande wie sie sein mußte? Hatte ich bedacht, daß ich gar keine Vorzüge oder Ansprüche hatte, daß ich sie liebte, da alle, die sie kannten, sie lieben mußten? Nein, nie! Ich nutzte ihre arglose Natur und ihr liebevolles Temperament zu meinen Gunsten aus und heiratete sie. Ich wollte, ich hätte es nie getan! Um ihretwillen; nicht um meinetwillen!«

      Der Spielwarenhändler sah ihn an, jedoch ohne mit der Augenwimper zu zucken. Sogar das halbgeschlossene Auge war jetzt weit offen.

      »Der Himmel segne sie«, sagte der Fuhrmann, »für die liebevolle Festigkeit, mit der sie diese Entdeckung von mir fernzuhalten suchte! Und der Himmel stehe mir bei, daß ich mit meinem trägen Kopfe das nicht früher herausgefunden habe! Armes Kind! Arme Dot! Ich ahnte es nicht, ich, der ich ihre Augen sich mit Tränen füllen sah, wenn von einer Heirat wie der unsern gesprochen wurde! Ich, der ich das Geheimnis wohl hundertmal auf ihren Lippen zittern sah und doch bis gestern abend nie eine Ahnung davon hatte! Armes Kind! Daß ich je hoffen konnte, sie könne mich lieben! Daß ich je glauben konnte, sie liebe mich wirklich!«

      »Sie tat nur so«, sagte Tackleton. »So sehr gab sie sich den Anschein, daß, um Euch die Wahrheit zu sagen, dies meinen Argwohn erregte.«

      Und nun hob er die Überlegenheit von May Fieldings Tugenden hervor, die man sicherlich nicht beschuldigen könne, sie täte so, als sei sie in ihn verliebt.

      »Sie hat’s versucht«, sagte der arme Fuhrmann mit größerer Erregung, als man bis dahin an ihm bemerken konnte; »jetzt erst fange ich an zu begreifen, wie schwer sie gekämpft hat, mein treues und ergebenes Weib zu sein. Wie gut ist sie gewesen; wie viel hat sie für mich getan; welch ein tapferes und starkes Herz! Das Glück, das ich unter diesem Dache genossen, möge Zeuge dafür sein! Das wird immer ein Trost und eine Erleichterung für mich sein, wenn ich hier allein bin.«

      »Hier allein?« sagte Tackleton. »Aha! Ihr habt also doch die Absicht, die Sache doch nicht als ungeschehen zu betrachten?«

      »Ich habe die Absicht«, versetzte der Fuhrmann, »ihr das größte Zeichen von Liebe und die beste Genugtuung zu geben, die in meiner Macht sind. Ich kann sie von der täglichen Qual einer ungleichen Ehe und dem Kampfe, dies zu verbergen, befreien. Sie soll so frei sein, wie ich es machen kann.«

      »Ihr Genugtuung geben, ihr!« rief Tackleton, indem er an seinen großen Ohren mit den Händen herumzerrte. »Hier muß ein Mißverständnis vorliegen. Ich muß nicht richtig verstanden haben.«

      Der Fuhrmann packte den Spielwarenhändler beim Kragen und schüttelte ihn wie ein Schilfrohr.

      »Hört einmal!« sagte er, »und sorgt dafür, daß Ihr mich richtig versteht. Hört mal. Rede ich deutlich?«

      »In der Tat, sehr deutlich!« antwortete Tackleton.

      »Als ein Mann, der es ernst meint?«

      »Gewiß, gewiß, als ein Mann, der es ernst meint.«

      »Ich habe die letzte Nacht, die ganze Nacht, da am Herde gesessen«, rief der Fuhrmann aus. »An der Stelle, wo sie so oft, mich mit ihrem süßen Gesicht anblickend, neben mir gesessen hat. Ich habe ihr ganzes Leben, Tag für Tag, an mir vorübergehen lassen. Ich habe ihr teures Bild in allen Lagen des Lebens vor mich hintreten lassen. Bei meiner Seele, sie ist unschuldig, so wahr es Einen im Himmel gibt, der über die Schuldigen und die Unschuldigen richtet.«

      O tapferes Heimchen am Herde! O treue Hausfeen!

      »Zorn und Mißtrauen haben mich verlassen«, sprach der Fuhrmann weiter. »Es bleibt mir nichts übrig als mein Schmerz. In einem unglücklichen Augenblick ist ein früherer Geliebter, der ihr besser gefallen konnte und zu ihren Jahren besser paßt – vielleicht meinetwegen, wider ihren Willen verlassen – zurückgekehrt. In einem unglücklichen Augenblick hat sie, überrascht und ohne Zeit zu haben, zu bedenken, was sie tat, sich an seiner Verräterei mitschuldig gemacht, indem sie es verheimlichte. Gestern abend hat sie ihn gesehen bei der Zusammenkunft, von der wir Zeuge waren. Das war unrecht von ihr. Aber dies ausgenommen, ist sie unschuldig, wenn es noch Wahrheit auf Erden gibt.«

      »Wenn Ihr das glaubt«, begann Tackleton.

      »So kann sie gehen!« sagte der Fuhrmann weiter. »Gehen mit meinem Segen für die vielen glücklichen Stunden, die sie mir geschenkt hat, und ich vergebe ihr den Schmerz, den sie mir verursacht hat. Mag sie gehen mit dem Frieden des Herzens, den ich ihr wünsche! Sie wird mich niemals hassen. Sie wird mich vielmehr besser lieben lernen, wenn sie nicht mehr an mich gefesselt ist. Sie wird dann