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Jun saß völlig still. Das Knistern des Leders verstummte, nur noch das leise Brummen der tragbaren Klimaanlage erfüllte das Zelt. Die Massagefunktion des Sessels schaltete er nicht ein, obwohl er die Shi-Jyutsu-Griffe normalerweise genoss.

      Stattdessen hing er seinen Gedanken nach. Zweifellos gab es einen Weg, diesen unheimlichen Schutzschirm zu überwinden. Wenn nicht mit der rohen Gewalt von Sprengstoff, dann auf eine andere, listigere Weise.

      Durch den Kontakt mit dem Astronauten hatte Bai Jun einen Einblick in die Situation gewonnen. Er musste die Psyche und die Reaktionen dieses Amerikaners dringend in die weitere Planung miteinbeziehen.

      Der General öffnete ein Fach in der Armlehne des Sessels und entnahm ihm eine Flasche. Darin schillerte eine trübe Flüssigkeit, in der sich braune Fäden abgesetzt hatten. Bai Jun schüttelte das Getränk, und die Pilzsporen verteilten sich gleichmäßig.

      Er schwor auf die Konzentration fördernde Wirkung des Pilzwassers, und im Laufe der Jahre hatte er sich sogar an den unangenehm herben Geschmack gewöhnt. Seine Familie nutzte dieses traditionelle Heilmittel seit Generationen; seines Wissens nach wuchs diese spezielle Pilzart nur in den Felskavernen unterhalb ihres Landsitzes. Sein Ururgroßvater hatte diese Kreuzung selbst gezüchtet.

      Der erste Schluck brannte wie immer in der Kehle, und die feinen Schwebstoffe legten sich als schmieriger Film auf der Zunge ab. Es war das Gefühl von etwas Fremdem im Mund. Nach wenigen Sekunden fuhr ihm ein Kribbeln bis in die Fingerspitzen; es tat gut, den belebenden Effekt zu spüren.

      Sein Adjutant He Jian-Dong behauptete stets, die Wirkung des Pilzes lasse sich biologisch und medizinisch nicht beweisen; doch Bai Jun benötigte nicht mehr als das, was er ohnehin fühlte. Er trank noch einige Schlucke und verstaute die Flasche wieder in dem gekühlten Armlehnenfach. Das Aroma erweiterte seine Sinne, wie eine Droge. Er sah die Farben stärker, roch den Duft der Wüste intensiver als zuvor.

      Doch nach dem ersten Moment der Erquickung wollte der rechte Genuss nicht aufkommen. Der General fühlte eine große innere Unruhe, die ihm den Frieden raubte. Er spürte deutlich, dass eine Menge Probleme auf ihn zukamen. Perry Rhodan und das Projekt STARDUST würden nicht leicht zu bewältigen sein.

      Er stand auf, durchquerte das Zelt mit wenigen Schritten und klappte in dem Mahagoni-Regal das Laptop auf, um die neuesten Informationen abzurufen. He Jian-Dong sammelte und bündelte die ständig eingehenden Nachrichten und filterte aus, was seiner Auffassung nach für den General von Bedeutung war.

      Darin bestand eine der vorrangigen Aufgaben seines Adjutanten, und er erledigte sie stets zu Bai Juns Zufriedenheit. Wahrscheinlich hatte He Jian-Dong durch seine kontinuierliche Verbindung mit dem Netz ein Gespür dafür entwickelt, das wirklich Wichtige von dem Müll und den Pseudo-Informationen zu trennen, die sich im Datenstrom den Anschein von Bedeutung gaben.

      Kaum las Bai Jun die ersten Nachrichten – die Bilder des Außerirdischen Crest hatten im Südwesten der USA eine Selbstmordwelle unter den Angehörigen einer obskuren Endzeitsekte ausgelöst –, ertönte das Signal eines eingehenden Anrufs.

      Bai Jun nahm mit einem Tastendruck an.

      Das Bild auf dem Desktop des Computers verdunkelte sich einen Augenblick, dann tauchte das Konterfei seines Adjutanten auf. »Entschuldigen Sie die Störung, General.«

      »Geschenkt«, erwiderte er unfreundlich. Zweifellos besaß He Jian-Dong einen guten Grund dafür.

      In dem für Außenstehende sicher ausdruckslosen Gesicht seines Gegenübers konnte Bai Jun deutlich Erleichterung lesen.

      Zu anderen Gelegenheiten hatte er auf derlei Störungen empfindlich und mit einigem Zorn reagiert, was – von Bai Jun exakt einkalkuliert – seinen Untergebenen verunsicherte. Es war gut, in gewissem Sinn unberechenbar zu bleiben.

      »Ein Hubschrauber ist im Anflug«, erklärte He Jian-Dong. »Huang Hai-Jie befindet sich an Bord.«

      Die Haltung des Generals versteifte sich. Sein unterer Rücken begann wieder stärker zu schmerzen. »Wann wird er ankommen?«

      »In weniger als zehn Minuten. Ich habe selbst eben erst davon erfahren und konnte Ihnen deshalb nicht früher ...«

      »Geschenkt.« Das Wort glich einem Knurren, und Bai Jun unterbrach die Verbindung, ohne auf eine Erwiderung zu warten.

      Huang Hai-Jie, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei höchstpersönlich. Ein Mann, der sich nicht oft persönlich zum Brennpunkt der Entwicklungen begab, sondern Tausende von Lakaien vorschickte, die für ihn in die Öffentlichkeit traten und sich von den Medien fotografieren ließen.

      Diesmal war es natürlich etwas anderes; Huang Hai-Jie verfügte über einen scharfen Verstand und wollte sich selbstverständlich mit eigenen Augen ein Bild von der Lage machen.

      Nachdenklich kehrte Bai Jun zu seinem Sessel zurück und ließ sich darin nieder.

      Genau wie erwartet, tauchte weniger als eine Minute später He Jian-Dong auf. Er wirkte etwas abwesend, wohl, weil er zu sehr in dem Nachrichtenstream versunken war, den das Empfangsgerät in seinem Ohr übertrug; seine Miene klärte sich jedoch sofort, und er begrüßte den General unterwürfig. »Der Generalsekretär wird gleich eintreffen«, informierte er. »Der Hubschrauber befindet sich bereits in Reichweite des tragbaren Radars. Sie erlauben, dass ich die notwendigen Vorbereitungen treffe?«

      Bai Jun nickte bestätigend.

      Sein Adjutant nahm ein kleines Funksprechgerät und zischte ungewohnt aggressiv einen Befehl hinein.

      Kurz darauf schleppten zwei Soldaten einen weiteren Sessel ins Kommandozelt und postierten ihn demjenigen des Generals gegenüber. Selbstverständlich hielt Bai Jun für Gäste keine gleichwertige Sitzmöglichkeit bereit; aber ebenso selbstverständlich brach er diese Regel, wenn es notwendig wurde. Und Huang Hai-Jies Besuch war eine solche Notwendigkeit.

      Die Soldaten zogen sich wortlos zurück.

      »Gibt es irgendwelche Informationen über die Stimmung des Generalsekretärs?«, fragte Bai Jun.

      He Jian-Dong verneinte. »Alles, was ich über meine Quellen in Erfahrung bringen konnte, ist, dass er ohne Ankündigung und überhastet seinen privaten Jet aufgesucht hat und vor einer Stunde in Hohhot landete.«

      Bai Jun schloss die Augen und bereitete sich auf das Gespräch vor. Eine lästige Verpflichtung, denn letztlich würde Huang Hai-Jie nichts Konstruktives beizutragen haben.

      Aber was sein musste, musste eben sein.

      Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, einer der mächtigsten Menschen der Welt, war klein und dick. Doch in Huang Hai-Jies Mimik zeigte sich eiserne Entschlossenheit. Sein Blick war scharf, die Augen von einem für einen Chinesen ungewöhnlichen Eisgrau.

      »Ich heiße Sie willkommen.« Bai Jun stand längst, deutete eine Verbeugung an und lächelte schmallippig – eine nichtssagende, aufgesetzte Höflichkeit. »Und ich danke für die Ehre, dass Sie ...«

      »Ich weiß«, unterbrach Hai-Jie.

      Der General ließ sich seinen Ärger nicht anmerken. Normalerweise war er es, der andere nicht ausreden ließ, vornehmlich seinen Adjutanten mit dem Ausruf Geschenkt! Aber Bai Jun war klug genug, um zu wissen, wann er sich unterzuordnen hatte.

      »Geben Sie mir einen Lagebericht, General! Warum haben Sie die Truppen in solch weiten Abstand gebracht? Wie gedenken Sie diese feindliche Kuppel zum Einsturz zu bringen?«

      Einsturz, dachte Bai Jun. Das war wohl kaum das richtige Wort. Aber er würde den Generalsekretär sicher nicht verbessern. Er glaubte, den Geruch von Hai-Jies Zigarillo zu riechen. »Es war aus militärischen Gründen unabdingbar notwendig, eine Sicherheitszone einzurichten. Am Sturz der Energiekuppel arbeiten wir bereits.«

      Er ließ den Blick durch den Raum schweifen, genoss die verblüffte Miene seines Adjutanten, der sich direkt vor dem transportablen Klimagerät postiert hatte. Dort musste es empfindlich kalt sein; er war schon immer den kühlen Gegenden der Welt zugeneigt gewesen.

      Huang