Название | Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien |
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Автор произведения | Alexander von Ungern-Sternberg |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027237890 |
Eduard und der Abt hatten gelacht, doch der letzte lenkte schnell ab und sprach vom Grafen. »Haben Sie bemerkt, Theurer, daß dieser Mann sich nichts Geringeres vorgesetzt hat, als der Zeit eine Richtung zu geben. Wenn ich nur dergleichen nicht fände; was soll das, wozu führt das? Da sitzt eine halbe Million Menschen auf dem Erdboden verteilt, und horcht und lauscht an den Boden gedrückt, ob sie nicht den Schritt der Zeit vernehmen. Mit lauter Entwürfen, die Zeit einzurichten und zu gestalten, geht sie ihnen selbst ganz ungenützt dahin; sie gleichen einem Kinde, das so viele weitläufige Anstalten zu einem Spiele trifft, daß darüber die Spielstunde zu Ende läuft. Doch an dieser Krankheit liegt jetzt die ganze Welt nieder. Wir ahnen Großes und Entsetzliches, und stemmen Hände und Leiber vor, als wollte eine Wand einstürzen, und nachher, wenn nichts stürzt, so stehen die tausend gehobenen Arme und gebückten Leiber äußerst possierlich da. Ein kluger Mann muß, wie in einem übelgebauten Wagen, so auch in einer schlimmen Zeit, immer noch ein Plätzchen auffinden können, wo es sich leidlich bequem sitzen und träumen läßt.« – Massiello hatte sich auf einen Lehnsessel geworfen und indem er beide Hände vors Gesicht schlug, stieß er einen tiefen und durchdringenden Seufzer aus. »O, ich bin müde zu leben,« rief er; »ich finde keine Worte, für den Ekel, der mich ergreift! Alle Erscheinungen haben sich schon bis zum Überdruß in mir wiederholt, und ich bin jeder Erbärmlichkeit vertraut geworden. Es ist alles nichts, alles fad, alles tot, staubig, verkohlt – erbärmlich!« –
Eine lange Pause entstand, dann gingen die Freunde still auseinander, keiner vom Wesen des andern erbaut und erkräftigt.
Eine Frist, die unser Freund vom Arzte sich hatte vorschreiben lassen, war verlaufen und es fand sich keine Entschuldigung mehr, die den längern Aufschub des Besuches im Schlosse hätte möglich machen können; so trat er denn eines Abends zu Pferde, von einem Diener begleitet, die Reise an. Der Frühling war in seinem vollen Glanze erwacht, die letzten rauhen Atemzüge des Winters verhauchten in dampfende Nebel, der die tiefsten Täler noch einhüllte, goldne Strahlen entzündeten die Welt, und leichte süße Gesänge wiegten sich auf den sprossenden Zweigen. Gegen die Nacht kam ein Gewitter herauf und ein warmer qualmender Brodem stieg mit einem betäubenden Geruch aus dem Boden des Waldes, einige dumpfe Schläge ertönten, dann herrschte tiefe Stille und während der matte Glanz der Blitze um die Blüten herumfuhr, tropfte ein warmer Regen nieder. Eduard hatte sich mit seinem Diener unter einem Baume niedergelassen und den Rock aufgeknüpft; zum erstenmal wieder schmerzte ihn seine Wunde empfindlich, und er mußte gebückt sitzen, die Hand auf dem entblößten Busen. Das geheimnisvolle Blatt kam ihm wieder in die Hände, er heftete in der Dunkelheit sein Auge drauf, und es war ihm, als sähe er wieder jene blendend weiße Hand über seine Schulter reichen, um ihm das Papier zu entreißen, heftiger schloß er es an sich und blickte um. Tiefe Finsternis hüllte jetzt den Wald, heftig rauschte der Regen und leuchtende Blitze schossen nieder. Eine Unruhe, die er sich nicht erklären konnte, trieb ihn an, das Pferd zu besteigen und in die Nacht hinein sein Ziel zu verfolgen. Das Wetter ließ bald nach, und als unser Reiter bei den ersten frischen Morgenstrahlen aus dem Walde herausritt, zeigte sich ihm das Schloß und seine Umgebungen. Es lag in romantischer Wildheit am Abhang eines Berges und ein Teil desselben lehnte sich in starren Umrissen an eine schroff emporsteigende Felswand. Brücken, hier und da noch mit dem altertümlichen Schmuck früher Jahrhunderte versehen, liefen über Abgründe und verbanden die schweren Massen mit einander, sicher und zierlich aufsteigende Türme und Türmchen umstellten den Bau wie schützend nach allen Weltgegenden hin und auf den spitzigen Dächern blitzten im Abendlicht die blanken Knöpfchen. Weiter unten, halb im Tal, erhob sich ein modernes Gebäude, zierlich ausgestattet, vom hellen Grün schön geordneter Baumgruppen umschlossen. Eduard stieg hier vom Pferde und auf seine Frage nach dem Schlossintendanten wies man ihn hinauf in die fürstlichen Zimmer. Alsobald machte er sich auch auf den Weg. Oben auf der altertümlichen Stiege kam ihm ein Diener der Oberhofmeisterin entgegen, ihm den Eingang in den Saal öffnend. Bei seinem Eintritt erblickt er ein Frauenzimmer, welches am letzten Fenster mit dem Rücken gegen ihn saß und sein Erscheinen nicht zu bemerken schien. Bestürzt blieb er stehen und strich sich über die Stirne – es war nur zu deutlich, die Gestalt aus seinem Traume saß vor ihm. Der voraneilende Diener meldete ihn, in dem Augenblick erhob sich die Dame und Eduard erkannte