Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Isolde Kurz |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962812515 |
Bevor ich schied, erwarteten mich noch vierzehn köstliche Sommertage, die ich bei Hornsteins in Ambach am Starnberger See verbringen durfte. Des Morgens auf Feld und Wiesen entstanden kleine Lieder, die der Hausherr alsbald in Musik setzte und die des Abends schon von der gleichfalls als Gast anwesenden gefeierten Sängerin Aglaja Orgeniy am Klavier gesungen wurden. Die ganze übrige Zeit lag ich im See und genoss voraus die Wonne, dass ich künftig im Meere schwimmen würde! Ich erinnere mich, wie einmal Ludwig II. in seiner glänzenden Karosse schnell wie ein Traumgedanke an unserem Badestrand vorüberrollte und wie die jungen Mädchen gleich Wasservögelchen in die Höhe fuhren, um ihm aus den Fluten ihren Knicks zu machen. Eine selige Losgebundenheit und überschwengliche Erwartung verzauberte mir die ganze Welt, und das neue Glück, dem ich entgegenging, verschönte das gegenwärtige, das ich verlassen sollte.
Letzte Tage in der Heimat
Während meiner letzten Münchner Wochen rüstete sich Tübingen zur Vierhundertjahrfeier der Gründung seiner Universität durch den Herzog Eberhard von Württemberg, und die akademische Bürgerschaft plante einen großen historischen Festzug, bei dem von vornherein auf meine Teilnahme gerechnet war. Auf dem prunkvollsten der Wagen, der den Stifter der Universität samt seinen Räten trug, sollte ganz vorn die Muse als Lenkerin des Gespannes stehen, und dieser Teil des Festplans, der bei den steilen, holprigen Gassen Tübingens zu anderen Eignungen auch sportliche Sicherheit erforderte, war in der Tat ohne meine Mitwirkung nicht auszuführen. Meine Mutter übermittelte mir brieflich die Bitte der Professoren- und Studentenschaft, dass ich zu der Feier nach Tübingen komme und die Rolle der Muse übernehme. Ich verspürte zuerst wenig Neigung dazu, denn ich betrachtete meinen Abgang aus Tübingen infolge der misslungenen Werbearbeit für das Damenschwimmen doch als eine Art Scherbengericht, und es wurde mir einigermaßen coriolanisch zumute, dass mich nun die Vaterstadt in der Not durch meine Volumnia zurückrief. Der plötzliche Entschluss, mit nach Italien zu übersiedeln, machte jedoch meine vorherige Rückkehr nach Hause notwendig. Und kaum war ich in Tübingen, so erschien im Auftrag des Ausschusses Professor Leibniz, der akademische Zeichenlehrer, der, wie ich glaube, die künstlerischen Entwürfe für den Festzug gemacht hatte, und stellte mir vor, dass ich doch nicht die Unschuldigen mit den Schuldigen bestrafen und um weniger Übelgesinnter willen den schönsten Teil des Festzuges zunichte machen dürfe, bis ich mich umstimmen ließ und Ja sagte. Die Gewandung lieferte das Stuttgarter Hoftheater, das auch an dem großen Tage eine Garderobiere herüberschickte, um mich anzukleiden. Ihre Auffassung von einem griechischen Gewand war allerdings von der meinigen so verschieden, dass mir die weiße Tunika noch am Leibe völlig aufgetrennt und umgeheftet werden musste. Der breite Messinggürtel mit den künstlichen Edelsteinen hatte zu meinem bleichen Schrecken eine lange Schnebbe! Da blieb nichts übrig, als ihn umzukehren und die Schnebbe nach oben zu richten, was, wenn auch nicht einer antiken, doch allenfalls einer Renaissancemuse ähnlich sah. Das geschah unter dem Widerspruch der Garderobiere, die versicherte, alle Iphigenien trügen einen Schnebbenleib. Ein langer blauer Peplos, der an den Schultern befestigt wurde, verdeckte, was noch stilwidrig war, und die Haare schmückte ein Kranz von Lorbeer. So angetan, erstieg die Muse ihren Vorderplatz auf dem hochgetürmten Wagen und ergriff die Rosenzügel. Vier gewaltige Grauschimmel, von Pagen geführt, zogen das schwere Fuhrwerk. Auf dem Hochsitz hinter mir thronte der Fürst mit seinem Gefolge, eine jugendliche Schülergruppe kauerte zu meinen Füßen. Die Muse war die einzige, die völlig frei stand, und es bedurfte in der Tat aller Aufmerksamkeit, in der hügligen Stadt das Gleichgewicht zu bewahren, besonders als es die damals noch jäh abfallende Neckarstraße hinunterging. So kam es, dass ich am Ende von dem berühmten Festzug, an dem mir eine Hauptrolle zugefallen war, nichts gesehen hatte als die Rücken meiner Apfelschimmel und die herzoglichen Herolde und Bannerträger, die vor meinem Wagen ritten. Den Rest des Zuges mit der Gruppe der drei Flüsse Tübingens und mit all den geschichtlichen Persönlichkeiten, den Gelehrten, Schülern, Rittern, Pagen, Mönchen, Landleuten, Flößern und