Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Wilhelm Raabe |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816056 |
»Und Serena?« fragte die Majorin.
»Serena ist ein liebes Kind, ein gutes Mädchen. Sie hält mich für den ersten Märchenerzähler der Welt, und ich suche meinen Ruf nach besten Kräften aufrechtzuerhalten. Wenn sie sich nicht hinter meinem Rücken über mich lustig macht, so habe ich das Recht, sie für eine gar ernsthafte, verständige kleine Person zu halten. Hübsch ist sie.«
»Und Täubrich-Pascha?« fragte Nikola von Glimmern.
»Täubrich-Pascha ist mein Wandnachbar in der Kesselstraße. Er ist der Famulus des Professors, und in dessen Hause vergönnten mir die Götter das Glück seiner Bekanntschaft. Wir leben zusammen und wir träumen zusammen; auch wir sind füreinander geschaffen, auch uns scheint das Fatum nicht ohne genügende Gründe aus so weiten Fernen einander entgegengeführt zu haben.«
»Wenn es die Absicht hatte, dadurch Ihre äußere Erscheinung zu verbessern, so täuschte es sich sehr in seinen Mitteln«, sagte Nikola; aber ernst fügte sie hinzu, indem sie sich erhob: »Ich danke Ihnen aus vollem Herzen, mein Freund; Ihre Worte heute haben mir gar gutgetan, und jetzt bitte ich euch alle noch einmal, habt auch fernerhin Geduld mit dem mürrischen, launischen Weibe. Die Schrift redet weiter, Herr Hagebucher: Und nach der Bewegung kam ein Feuer, aber der Herr war nicht im Feuer; und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen! – Auf das letzte hoff ich, und nun lebt wohl für heute.«
Ein Diener brachte die Lampe, der Herr und die Frau des Hauses geleiteten die Exzellenz vor die Tür, und Leonhard hörte ihren Wagen fortrollen. Als er sich nun gleichfalls empfahl, griff auch der Major nach der Mütze und begleitete ihn durch mehrere Gassen, wie ein Mann, der etwas auf dem Herzen hat, ohne so recht zu wissen, auf welche Art er es am schicklichsten von demselben loswerde. An der Ecke der Kesselstraße erst fasste er nach einem Knopfe des Afrikaners und sagte:
»Lieber Hagebucher, es ist meine Gewohnheit nicht, die Nase zu tief in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken; allein ich kann nicht umhin, Ihnen jetzt eine Frage vorzulegen, welche Sie mir recht ehrlich beantworten müssen. Wie stehen Sie zu dieser schönen Freundin meiner Frau, welche vor einem Jahre als Nikola Einstein mit Ihnen in Bumsdorf Kränze wand und heute noch als Baronin Glimmern gern mit Ihnen neben der Katzenmühle Hütten bauen möchte?«
Der Hausfreund des Professor Reihenschlager klopfte dem Major leise auf den Arm:
»Sie repräsentierte mir zuerst die ganze Schönheit einer Welt, die mir abhanden gekommen war unter der Herrschaft meiner nicht angestammten Herrin Madam Kulla Gulla zu Abu Telfan. Wie einen zusammengekugelten Kaliban rollte das Geschick mich ihr in den Weg, und sie lehrte mich zuerst wieder, aufrechten Hauptes die Sonne zu betrachten. Ich habe nie daran gedacht, sie in irgendeiner Weise zu meinem stumpfsinnigen Elend herabzuziehen; in dem, was die Gesellschaft ein Verhältnis nennt, stehe ich also nicht zu ihr.«
»Sie nehmen mir einen Stein von der Seele!« rief der Major, kräftig dem Afrikaner beide Hände schüttelnd. »Hagebucher, Sie sind ganz mein Mann, und morgen führe ich Sie in unsern Klub ein.«
Leonhard lachte herzlich, und so schieden beide Herren im besten Einvernehmen voneinander; als aber der Major zu Hause unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit das eben so schlau Ausgeforschte der Gattin mitteilte, fragte ihn die Frau Emma mit noch viel gescheiterer Miene, für was er sie eigentlich halte und ob er wirklich glaube, dass sie als Gattin, Hausfrau und Freundin das nicht längst sich klargemacht habe.
»Ich kenne meine Pflichten, Philipp!« sprach sie.
Sechzehntes Kapitel
Der Professor Reihenschlager bewohnte ein eigenes Haus, einige hundert Schritte vor dem Marstalltor, und der Garten desselben grenzte an den fürstlichen Park, welcher letztere aber keineswegs ein allen Menschen von ihrem Schätzer gewidmeter Belustigungsort war, sondern von nicht wenigen Schildwachen vor allem zudringlichen Volk gut behütet wurde und uns auch weiter nichts angeht.
Die Sonne des Oktobers flimmerte über den bunten Blättern des Gartens des Professors, und Serena Reihenschlager stand hübsch und zierlich, gebückt lauschend hinter einem noch ziemlich dicht belaubten Busch und hielt einen gewundenen Pfad, der zwischen anderm Gebüsch sich hinzog, verstohlen, aber stetig im Auge und im Ohr. Auf jenem Wege schritt der Papa mit dem närrischen Mann aus Afrika in eifriger Unterhaltung auf und ab, und Serena hatte seit einiger Zeit angefangen, ein seltsam ängstliches Interesse an allem, was der närrische Mann sagte oder tat, zu nehmen.
Serena Reihenschlager war ein viel besseres Mädchen, als einst ihre selige Mama war, da sie den Papa beim Kragen nahm und ihn zum Altar hinleitete. Serena wusste zwar ebenso gut wie die selige Mama, dass der Papa steter Beaufsichtigung bedürfe; aber sie ließ es ihn nicht so deutlich merken wie die Mama, sondern leitete und hielt ihn an einem viel feinern Bande, gewoben sozusagen aus Marienfäden und mädchenhaft-schalkhafter Überredungskunst, auf dem rechten Wege. Das arme Kind hatte aber auch einen schweren Stand; denn ein recht kurioses Hauswesen mit allen seinen Sorgen und ungeheuren Verantwortlichkeiten lag allein auf ihren Schultern!
Die Mama hatte den Papa nicht in seiner Sünden Maienblüte geheiratet, sie hatte ihn als einen bereits recht kahlköpfigen Oberlehrer aus dem wüsten, schleimigen Sumpf des Junggesellentums aufgezogen, aber sie hielt, was sie vor dem Altar versprach, sie war sein Herr bis zu ihrem Tode. Zehn lange Jahre