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Villa an der Elbchaussee gehört Sandro. Ich habe nur Wohnrecht darin. Aber ich besitze noch meine kleine Villa. Ich werde sie verkaufen, damit wir dein Haus ausbauen können. Karla wird mit nach Brädrum kommen, Günther findet leicht eine neue Stellung.«

      »Ja, aber du? Wirst du hier glücklich sein?«

      Sie umarmte ihn. »Was für eine Frage! Ich bekomme ein Kind von dir, auf das du dich von Herzen freust!«

      »Und deshalb keine Reisen nach Paris und Rom, keine beruflichen Excursionen in die Karibik? Keine Empfänge und Sitzungen in der Redaktion?«

      Sie schmunzelte. »Vorerst bestimmt nicht. Ich will vorerst nur für euch beide da sein.«

      »Und für Sandro, wenn er kommt? Gib’s zu. Ich kenn dich doch!«

      Sie schmiegte sich an ihn. »Ich weiß, Kai. Mein spätes Glück kommt unverdient, aber ich muß es mit beiden Händen festhalten und hüten wie meinen Augapfel.«

      An diesem Abend fuhr Klaudia nicht nach Hamburg zurück. Sie verbrachte ihn mit Kai, dem Vater ihres Kindes und ihrem zukünftigen Ehemann in stiller Zufriedenheit.

      *

      Vier Wochen später gaben Klaudia und Kai sich das Eheversprechen in der kleinen Brädrumer Kirche. Zu den wenigen Gästen gehörten außer Sandro und dem Ehepaar Nolte auch Beate von Redwitz und ihr Verlobter Detlef Barmfeld. Sie hatten, kaum erfuhren sie von dem Zustand der Braut, ihre eigene Hochzeit um vier Wochen verschoben.

      Detlef brachte eine ganze Ladung seines gesunden Gemüses an, und deshalb war es zwischen ihm und Sandro zu einer Auseinandersetzung gekommen. Sandro hielt das Geschenk für völlig daneben und mußte sich von Tante Beate prompt eine Strafpredigt anhören.

      Es war Kai, der die Mißstimmung aus der Welt schaffte, weil er Karla gleich dazu überredete, das Gemüse noch für das Festmahl zuzubereiten. So kam es, daß sich an diesem warmen Septembertag ein Dutzend gutgelaunter Gäste um die aufgebauten Gartentische setzten und ganze Platten Mohrrüben-Rohkost, Spinatkuchen und überbackene Zucchini verputzten.

      Rena machte sich zwischendurch in der Küche nützlich, um Karla beim Servieren zu helfen. Günther, der an diesem Tag seinen Abschied als Butler feierte, griff währenddessen zur Gitarre und gab dem jungen Paar ein Ständchen.

      »Er spielt furchtbar«, bemerkte Karla und sah Rena kopfschüttelnd an. »Er hat das Gitarrespiel ja erst begonnen, nachdem Frau von Redwitz ihm gekündigt hat. Sozusagen als Ablenkung von seinem Kummer. Nun sollte er die Gitarre doch wieder an den Nagel hängen. Das wäre für uns alle besser.«

      »Aber warum denn?«

      »Es geht ihm wieder prima, weil Beate von Redwitz ihn draußen in Vierlanden anstellen will. Sie brauchen dort jeden Mann, wenn sich der Bio-Betrieb vergrößert.«

      Rena war heute die bei weitestem eleganteste Erscheinung. Sie schnitt eifrig Baguettes in Stücke, störte sich aber kein bißchen an den vielen Krümeln, die ihr rostrotes langes Samtkleid überrieselten.

      »Das wird für Sandro nett sein. Er kennt Günther doch seit seiner frühesten Kindheit«, sagte sie leichthin.

      »Ich glaub nicht, daß Sandro sich noch häufig bei seiner Tante in Vierlanden aufhalten wird. Er hat sich doch durchgesetzt und wird nach Weihnachten aufs Internat gehen. Das liegt hier ganz in der Nähe.«

      »Das wußte ich nicht«, staunte Rena. »Davon hat mir keiner was gesagt. Nicht mal Klaudia. Und das unter Freundinnen!«

      Karla räusperte sich. Sie traute Rena immer noch nicht. »Sie haben anderes zu tun, als sich unsere Familiengeschichten anzuhören. Jetzt sitzen Sie doch endlich auf dem Chefsessel.« Sie hob zwei Kuchenplatten an. Dabei schüttelte sie unwillig den Kopf. »Eine Küche wie diese ist eine Zumutung«, wechselte sie schnell das Thema. »Reicht gerade mal für zwei Personen. Bis alles umgebaut ist, vergeht noch ein Jahr, sagt der Doktor. Na, wenigstens ist er ein guter Arzt. Ich kann sicher sein, daß er mich gut behandelt, wenn ich in diesem Chaos einen Schwächeanfall bekomme.«

      Rena folgte ihr lachend mit den beiden Brotkörben. Sandro saß zwischen Ralf und Kai und hörte selbstvergessen zu, wie die von den alten Zeiten in der Hilfsorganisation erzählten. Detlef Barmfeld hatte sich einen alten Eimer organisiert, ihn umgedreht und schlug darauf den Takt zu Günthers Geklimper. Und über dieser Idylle lag der warme Glanz der Septembersonne.

      »Wo ist Klaudia?« Rena beugte sich zu Kai.

      »Sie ist mit Beate ins Haus gegangen und zeigt ihr die Räume.«

      »Die beiden sollten jetzt lieber nicht gestört werden«, blinzelte Ralf seiner Frau zu.

      »Tante Bea und Klaudia sehen sich das Haus gar nicht an«, unkte Sandro. »Sie schimpfen über mich.«

      »Nein, sie tauschen Erfahrungen über Kindererziehung aus«, verbesserte Onkel Detlef. »Beate versteht eine Menge davon, Klaudia kann davon nur profitieren!«

      »So ’n Quatsch!« Sandro wippte mit seinem Stuhl nach hinten, stützte seine Füße an der Tischkante ab und schlug sich auf die Schenkel. Dabei war er so laut, daß sich alle Blicke auf ihn richteten.

      Kai erhob sich, er legte seine Hand auf Sandros Schulter. »Komm bitte mal mit, du Ungeheuer.«

      »Warum denn?«

      »Weil ich dich darum gebeten habe.«

      Sandro verdrehte die Augen, aber er folgte ihm doch hinters Haus.

      »Du hältst dich wohl für den großen Helden, wie? Nur, weil du deine Tante weichgeklopft hast? Und nun denkst du, du kannst dich über sie lustig machen? Nein, Sandro, du darfst Tante Bea nicht unrecht tun. Sie hat dich genauso lieb wie Klaudia.«

      Sandro senkte den Kopf. »Ich weiß. Tut mir leid.«

      »Dann geh bitte zu ihr, und sag’s ihr.«

      »Jetzt?«

      »Ja, jetzt.«

      Sandro stöhnte, dann wandte er sich mit ungelenken Schritten ins Haus. Hier, im schattigen Wohnzimmer, das durch Klaudias Bemühungen schon etwas gemütlicher geworden war, saßen die Braut und ihre Schwägerin auf dem alten Bauernsofa.

      Beates Hand ruhte auf Klaudias rundlichem Bauch. Das verwirrte den Jungen, der doch gerade erst zwölf geworden war. Er stand wie versteinert unter der Tür. Tante Bea bemerkte ihn zuerst. Sie lächelte.

      »Komm nur her, Sandro. Weißt du, ich bekomme keine Babies mehr, aber das Gefühl, einem ungeborenen Kind Wärme vermitteln zu können, ist mit nichts zu vergleichen.«

      »Das ist aber Klaudias Kind. Du darfst es nicht liebhaben.«

      Behutsam schob Klaudia Beates Hand von ihrem Bauch. Sie erhob sich. Ihr cremefarbenes Kleid aus fließendem Stoff war schmal geschnitten, eine späte weiße Rose hinter ihrem Ohr war der einzige Schmuck.

      Sie ging auf ihn zu. »Tante Bea muß mein Baby sogar liebhaben, Sandro. Ich wünsche es mir von ihr zu meiner Hochzeit. Bestimmt kann sie das. Wir beide, Tante Bea und ich, haben dich doch auch lieb. Es hat lange gedauert, bis wir es schafften, die Liebe der anderen wie die eigene zu achten.«

      »So ’n Quatsch! Und wenn dein Baby da ist, was wird dann?«

      Klaudia blickte sich hilfesuchend zu Beate um. Die streckte die Arme nach Sandro aus. »Komm mal her, du Knirps!«

      Es geschah ein Wunder, denn Sandro eilte auf seine Tante Bea zu und ließ sich von ihr wie ein kleines Kind umarmen, als fürchte er plötzlich, es sei das letzte Mal.

      »Es war Klaudia, die mich dazu überredet hat, dich im Internat Rabenhorst anzumelden. Und das ein Jahr früher, als dein Vater es geplant hatte. Ich habe mich dagegen gewehrt, weil ich voraussah, sie würde nun viel mehr Zeit mit dir verbringen als ich. Das tat weh. Aber ich kam deinem Wunsch am Ende doch gern nach, weil…«

      »… weil?« In seinen Augen standen Tränen. Sie mochte zickig sein, wie sie wollte, aber der Abschied von Tante Bea würde ihm nicht