Название | Kurfürstenklinik Staffel 6 – Arztroman |
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Автор произведения | Nina Kayser-Darius |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kurfürstenklinik Staffel |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740934842 |
Er beugte sich vor. »Und Sie haben von diesem Mann tatsächlich schon gehört?« fragte er.
Sie nickte. »Ja, er hat ein neues Verfahren entwickelt, das er bei seinen Operationen anwendet, nicht wahr? Es handelt sich um eine weitere Verfeinerung der heute ohnehin schon sehr weit fortgeschrittenen Technik.«
Adrian nickte beeindruckt. »Sie sind ja wirklich rundum informiert, Frau Senftleben. Jedenfalls kommt der Mann auch an unsere Klinik und diskutiert mit einigen von uns über dieses neue Verfahren. Sie können sich vorstellen, wie interessant das für uns ist.«
»Das müssen Sie mir dann genauestens berichten«, bat sie. »Wann wird er denn kommen?«
»In einigen Wochen, genauer weiß ich es nicht. Er hält in Deutschland mehrere Vorträge. In Berlin wird er sich am längsten aufhalten, zum Glück. Sonst hätte er sicher gar keine Zeit erübrigen können, um seine Erfahrungen mit uns zu diskutieren.«
»Dann trinken wir jetzt auf alle Pioniere der Medizin«, sagte Frau Senftleben, hob ihr Glas und stieß ein letztes Mal mit Adrian an.
Er trank seinen Wein aus und verabschiedete sich bald darauf von ihr. Sein Dienst am nächsten Morgen begann sehr früh, er mußte zeitig ins Bett, um ausgeruht zu sein.
*
An einem sonnigen Tag einige Wochen später war die kleine Dorfkirche in der Nähe von Berlin berstend voll. Das lag weniger an den geladenen Hochzeitsgästen – deren Zahl war durchaus überschaubar – als an den Neugierigen aus dem Ort, die sich einen Blick auf das Berliner Brautpaar nicht entgehen lassen wollten, das ausgerechnet hierher gekommen war, um sich das Ja-Wort zu geben.
»Sieh mal, ihr Kleid«, tuschelte eine Sechzehnjährige ihrer Freundin zu. »Ganz aus Spitze. Und wie schön sie ist. Vielleicht ist sie eine Schauspielerin. Oder eine Prinzessin. Jedenfalls muß sie ziemlich reich sein. So möchte ich auch mal aussehen, wenn ich heirate.«
»Sie ist keine Schauspielerin, dann hätten wir sie doch schon mal gesehen«, flüsterte die Freundin zurück. »Ich hab’ gehört, sie macht was mit Sport. Deshalb hat sie wahrscheinlich so ’ne gute Figur.«
»Der Mann ist auch nicht schlecht – hast du seine Augen gesehen? Braun mit grün.«
»Aber sie haben schon ein Kind. Die Kleine, die Blumen streut, soll ihre Tochter sein.«
»Na, und?«
»Ich finde, sie hätten vorher heiraten können.«
»Sei doch nicht so spießig!«
»Was hat das denn mit spießig zu tun?«
»Na ja, so reden unsere Eltern und Großeltern. Ist doch egal, ob sie erst das Kind gekriegt haben und jetzt heiraten – oder ob sie es umgekehrt machen. Wen stört das schon?«
Ihre Freundin schwieg verunsichert. Spießig wollte sie nicht sein.
So, wie die beiden Freundinnen, raunten sich viele in der Kirche Beobachtungen und Meinungen zu. In einem freilich waren sie sich einig: Die blonde junge Braut war zwar sehr blaß, vermutlich vor Aufregung, aber wunderschön. Und ihr Bräutigam war ganz verrückt vor lauter Liebe zu ihr, das war unübersehbar. Immer wieder wandte er den Kopf, um sie anzusehen und ihr zuzulächeln.
Das kleine Mädchen, das Blumen streute, war so niedlich, daß es ebenfalls die Blicke der Neugierigen immer wieder auf sich zog. Es folgte der feierlichen Zeremonie aufmerksam, die großen blauen Augen ernsthaft auf seine Eltern gerichtet. Das war im übrigen die Frage, die alle Anwesenden am meisten interessierte: War die Kleine wirklich die Tochter des Brautpaars – und wenn ja: Warum heirateten die Eltern dann erst jetzt? In Berlin wäre man über so etwas vielleicht achselzuckend hinweggegangen – so war sie eben, die neue Zeit. Aber hier, auf dem Dorf, erregte diese Frage die Gemüter. Eine Antwort darauf gab es jedoch nicht.
»Willst du, Natalie Schürmann, den anwesenden Clemens Theyenthal zu deinem Ehemann nehmen und ihn lieben und ehren, bis daß der Tod euch scheidet?«
Nach dieser Frage wurde es still in der kleinen Kirche, denn die Antwort der Braut ließ auf sich warten. Statt dessen senkte sie den Kopf und fing an zu schluchzen. Liebevoll legte ihr Bräutigam einen Arm um sie, sagte ihr sehr leise etwas ins Ohr.
Schließlich hob sie den Kopf.
Alle Anwesenden hielten den Atem an. Gab es am Ende doch noch eine Sensation? Eine ungeheure Überraschung, die dem Dorf noch wochenlang Gesprächsstoff liefern würde? Es war jetzt so still, daß man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Noch einmal schluchzte die Braut – und dann erklang ihr leises, aber doch deutlich ausgesprochenes: »Ja«.
Die Spannung verebbte. Also doch eine ganz normale Hochzeit. Die Braut war eben ein wenig übernervös gewesen, das gab es öfter. Sicherlich hatte sie Angst vor dem Unbekannten, das vor ihr lag.
Die Zeremonie ging vorüber, die Orgel brauste, und der kleine Hochzeitszug setzte sich in Bewegung, um die Kirche wieder zu verlassen. Draußen wurde das Brautpaar umarmt und geküßt, das niedliche kleine Mädchen hüpfte aufgeregt umher, und die schöne Braut hatte noch immer Tränen in den Augen.
Zur größten Enttäuschung der Dorfbewohner blieb die Hochzeitsgesellschaft nicht, sondern fuhr direkt nach der kirchlichen Trauung wieder ab, einem unbekannten Ziel entgegen.
*
Adrian lag auf dem Sofa und sah fern. Das tat er selten, aber an diesem trüben Sonntag Nachmittag fand er, daß ein alter »Sandalenfilm« genau das Richtige für ihn war. Er hatte ein wenig zu spät eingeschaltet, das schadete jedoch nichts, er konnte der Handlung, die zur Zeit des römischen Kaisers Nero spielte, trotzdem mühelos folgen: Männer in Lendenschurz und Sandalen kämpften miteinander um die Gunst einer schönen Frau.
Auf das Klingeln des Telefons reagierte er ausgesprochen unwillig. Gerade war es so gemütlich, da mußte ihn schon wieder jemand stören! Er knurrte seinen Namen ins Telefon, um niemanden zu einem langen Gespräch zu verleiten und zuckte zusammen, als die verlegene Stimme eines alten Bekannten sagte: »Ich höre schon, ich störe Sie, Herr Winter. Hier ist Scholz, Eberhard Scholz.«
Mit einem Satz war Adrian bei seiner Fernbedienung und schaltete den Apparat aus. »Herr Scholz, ich freue mich, wieder einmal von Ihnen zu hören«, sagte er aufrichtig. »Es stimmt, ich hatte es mir gerade vor einem alten Film gemütlich gemacht, aber lieber rede ich mit Ihnen.«
»Das glaube ich nicht, wenn Sie erst einmal hören, worum es geht«, entgegnete der andere. »Haben Sie nicht Lust, mit mir eine Tasse Kaffee trinken zu gehen? Ich fände es schön, wenn wir uns bei unserem Gespräch Auge in Auge gegenüber säßen.«
»Sie machen mich richtig neugierig, Herr Scholz«, sagte Adrian lächelnd. »Ich habe gegen Kaffee nichts einzuwenden. Schlagen Sie vor, wohin wir gehen sollen.«
Das tat sein älterer Kollege, und zehn Minuten später machte sich Adrian bereits zu Fuß auf den Weg. Ein bißchen Bewegung und ein Gespräch mit einem Kollegen, den er in seiner Anfangszeit in Berlin kennen- und schätzengelernt hatte, waren allemal besser als der schönste Sandalenfilm!
Eberhard Scholz war vor ihm in dem Café, in dem sie sich verabredet hatten. Adrian erkannte ihn sofort, obwohl es Jahre her war, daß sie einander zuletzt gesehen hatten. Ihre Begrüßung war sehr herzlich, dann setzte sich Adrian dem anderen gegenüber, der ihn aufmerksam betrachtete. »Sie haben sich nicht sehr verändert, Herr Winter«, stellte er schließlich fest, als er seine Musterung beendet hatte.
»Danke, gleichfalls«, gab Adrian zurück.
Die Bedienung kam, fragte nach ihren Wünschen, und sie gaben ihre Bestellungen auf. »Wissen Sie, daß ich mich richtig freue, Sie wiederzusehen?« fragte Adrian.
Eberhard Scholz lächelte traurig. »Ich freue mich auch, Sie zu sehen, aber ich wünschte, der Anlaß wäre ein anderer gewesen.«
»Dann erzählen