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Eselsabhängen, ich kann die Stelle zeigen, wenn Sie sie sehen wollen, Carlos. Es tut mir leid, diese Sache ist schrecklich, aber ich habe nichts von ihr geahnt. Eines weiß ich, Rual hat bis zuletzt an seine Familie gedacht. Das Geld ist für Sie bestimmt gewesen, Carlos.«

      »Nein, sagen Sie das nicht, denn ich hätte es nie angenommen«, erwidert Carlos Rubiosa düster. »Es ist kein ehrliches Geld, es ist schmutzig, verstehen Sie? Ich werde sein Grab besuchen, ich will das tun, aber – das Geld – niemals will ich Geld annehmen müssen, das nicht ehrlich erworben ist. Rual, ein lachender junger Mann, immer zu Scherzen bereit, immer freundlich, aber manchmal auch erschreckend wild. Ich habe ihn mehr geliebt, als man seinen Bruder lieben sollte. Ich habe ihm alles gegönnt, sein Lachen, seine Erfolge bei der Bank – er ist so klug gewesen!«

      »Ja«, sagt Angus leise. »Ich glaube, das ist er gewesen, sehr klug.«

      Er blickt auf das Messer und denkt an den Zettel mit der Zeichnung.

      Das Messer liegt auf dem Tisch, die Silberschalen blinken.

      Rual Rubiosas Vermächtnis – und sein Bruder will es nicht haben.

      »Meine Mutter«, sagt Carlos leise. »Sie hat es bewunderungswürdig getragen. Für sie ist Ruals Verhalten nur ein kindlicher Fehler. Sie hofft, daß er eines Tages wiederkommt und alles zurückbringt, was er genommen hat. Ich muß Sie als einen Freund vorstellen, Angus, als irgendeinen meiner Freunde von drüben. Und irgendwann werde ich sie langsam darauf vorbereiten, daß Rual nicht mehr kommt. Habe ich Ihre Hilfe?«

      »Natürlich«, sagt Angus bitter. »Mütter – ich habe auch eine Mutter.«

      Und auf einmal denkt er, daß sie vielleicht eines Tages auch ganz langsam mit einer Tatsache…

      Angus Haley sieht zu Boden und schluckt an dem Kloß, der plötzlich in seiner Kehle zu sitzen scheint.

      Er schreckt aus seinen Gedanken auf, als etwas leise klirrt und das Mädchen mit ihrer sanften Stimme sagt:

      »Sie werden hungrig und durstig sein, Mr. Haley. Hier ist etwas zu essen.

      Er lächelt. Sie steht da, setzt das Tablett ab und sieht ihn an. Sie hat so warme Augen, denkt Angus, sie hat dieses Haar, von dem ich geträumt habe, oft, wenn ich allein war. Und die Augen sind so warm, das ist es, was mich anzieht, diese Augen!

      »Ich habe seit zwei Tagen nichts mehr gegessen«, sagt er und lächelt ein wenig. »Danke, ich glaube wirklich, daß ich hungrig bin. Sie – haben die gleichen Augen wie Rual.«

      Vielleicht hatte er das nicht sagen sollen, denn die Augen glitzern nun verdächtig.

      »Nein«, sagt er sehr leise und ruhig. »Sie sollten nie weinen. Vorhin, da draußen am Tor, haben Sie gelächelt. Sie sind ein Mädchen, das die Sonne mit dem Lächeln zurückbringen kann. Carlos, ich werde nachher wieder reiten.«

      »Nein, nein«, sagt Carlos protestierend. »Den Mann, den Sie suchen, Angus, den finden Sie immer noch. Sie sind unser Gast. Sie müssen sich ausruhen, und auch Ihren Pferden Ruhe gönnen. Ich werde Anweisung geben, daß man die Pferde in den Stall bringt und versorgt. Ich lasse Sie nicht fort, mein Freund. Wissen Sie, ich habe mit niemandem über jene Dinge, die damals geschehen sind, geredet. Sie sind der erste Mensch, mit dem ich reden kann, seltsam.«

      »Eine Nacht«, erwidert Angus ruhig. »Nur eine Nacht, Carlos.«

      Dann ißt er. Er hört draußen Carlos mit einem Mann reden und sein Pferd prusten. Carlos kommt mit seinem Gewehr herein, betrachtet es im Lampenschein und sagt spröde:

      »Von diesem Gewehr habe ich gehört, es soll sehr gut schießen. Nun, in zwei Jahren werde ich wohl auch soweit sein, daß ich es mir kaufen kann, ich bin ein Waffennarr, Angus.«

      »Ich auch«, sagt Angus und lächelt leicht. »Wenn ich es nicht brauchte, ich würde es Ihnen schenken, mein Freund. Es ist das beste Gewehr, das ich jemals in der Hand gehabt habe.«

      Er erklärt ihm den Lademechanismus des Rotationsladers und sieht Carlos’ Augen heller leuchten.

      »Eine prächtige Waffe, mein Freund«, murmelt Carlos Rubiosa. »Aber genug davon, Sie sehen müde aus, ich bringe Sie hinauf, Sie müssen schlafen.«

      Angus ist wirklich müde. Er ist froh, daß er sich waschen und umziehen kann. Carlos kommt noch einmal zu ihm, fragt ihn, ob er noch einen Wunsch hat und ist dann fort.

      Es wird ruhig im Haus, nur auf der Balustrade, die hinten über der Veranda am Haus entlangläuft, raschelt der laue Nachtwind in den Blättern der Kübelpalmen.

      Der Mond steht groß und gelb am Himmel, irgendwo erwacht eine Zikade und singt kurz.

      Er geht zum Fenster, um den Vorhang zu schließen, denn der Mond scheint genau auf sein Bett. Als er aus dem Fenster blickt, fällt ihm der lange Schatten an der Palme rechts auf.

      Das Mädchen steht dort und sieht zum Mond hoch. Mondlicht liegt auf ihrem Gesicht. Langsam wendet sie sich dem Fenster zu.

      Sie sieht ihn nur an. Und er steht still, blickt auch sie an und rührt sich nicht.

      Wie schön sie ist, denkt er, wie schön in diesem Licht. Aber er schweigt und bewegt sich nicht. Plötzlich weiß er, daß, wohin auch immer er gehen wird, dieses Gesicht in seiner Erinnerung bleiben wird. Es wird nie fortgehen. Und wenn er die Augen schließt, dann wird es da sein, allgegenwärtig und nahe, zum Greifen nahe.

      Es ist alles sinnlos gewesen, denkt er bitter, alles, was ich getan habe. Reiten, Meile um Meile, Stadt um Stadt, immer weiter. Ich habe sie gefunden, sie, von der ich immer geträumt habe. Hier in der Nähe der Laguna de Tarabillas. Ich habe immer von diesen Frauen aus Mexiko geträumt, von ihren Augen, ihrem Haar und ihrer Grazie. Und morgen gehe ich fort, weit fort, vielleicht komme ich niemals wieder.

      Sie steht immer noch da und sieht ihn an. Und im Mondlicht sieht es aus, als würde sie lächeln.

      »Du darfst nicht weinen«, sagt er leise in das Rascheln der Palmwedel hinein. »Du mußt lächeln, dann bringst du die Sonne zurück, die längst untergegangen ist. Du mußt lächeln.«

      Und da, sie lächelt, sie lächelt nun wirklich.

      Leise sagt er: »Gute Nacht.«

      Und dann liegt er still auf dem Bett. Ein Mann träumt mit offenen Augen und merkt nicht, daß ihm die Augen langsam zufallen.

      Der Mann träumt.

      Es ist so still auf der Hazienda, ganz still.

      Angus Haley träumt von einem Mädchen. Und während er träumt und die Stille um ihn ist, raschelt im Maisfeld leise der Wind.

      Es bewegt sich im Wind hier und da ein Halm. Dann aber, dann taucht jäh eine Hand auf.

      Und ein Mann sagt leise:

      »Der Hund ist an der Westseite, nimm das Fleisch, schnell. Nimm das Fleisch, gehe mit Juanito, du auch, Pablo, und du, Ricardo, wirf gut. Er bellt sonst.«

      »Bloß ein Hund.«

      »Geht, hört ihr?«

      Hinter den Häusern schleicht etwas. Zuerst taucht einer im Mondlicht auf, dann zwei, dann drei und schließlich sind es vier Mann, die losschleichen, an den Peonhäusern vorbeikommen, sich an den Büschen ducken und bis an die Mauer kommen.

      Sie gehen leise.

      Und der Hund in der Hütte hebt den Kopf. Er hört das Tappen, kommt aus der Hütte heraus. Die Kette klirrt, der Hund steht unter der Mauer und wittert.

      Ricardo wirft den Fleischbrocken im Bogen über die Mauer. Er wirft gut, er hat den Hund gehört und seinen Standort richtig ausgemacht. Das große Stück Fleisch fliegt in den Halbkreis vor dem Schuppen, der die Laufweite des Hundes durch die Kettenlänge bestimmt. Es liegt dort, und der große Hund wittert es.

      Dann trottet der Hund hin, sperrt seinen Fang auf und beißt zu. Er reißt an dem Fleisch und knurrt. Er hört zwar das Flüstern, aber jetzt hat er Fleisch, bellen kann er immer noch.

      »Warten«,