Gesammelte Werke. George Sand

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Название Gesammelte Werke
Автор произведения George Sand
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962816148



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Ich ver­lan­ge nichts, ich for­de­re, sag­te Por­po­ra fest; dein Ge­lieb­ter ist ein ruch­lo­ser Mensch. Er wird dich in Jam­mer und in Schan­de stür­zen, wenn du nicht au­gen­blick­lich ihm ent­sagst.

      – Lie­ber Meis­ter, ant­wor­te­te sie schmei­chelnd und mit trüb­se­li­gem Lä­cheln, wie oft ha­ben Sie mir das ge­sagt … und ich habe um­sonst ver­sucht, Ih­nen zu ge­hor­chen. Sie has­sen die­ses arme Kind. Sie ken­nen ihn nicht, und ich bin ge­wiss, Sie wer­den noch von Ihrem Vor­ur­tei­le zu­rück­kom­men.

      – Con­sue­lo, sprach der Meis­ter mit noch grö­ße­rer Kraft, ich weiß, ich habe dir bis­her um­sonst ge­pre­digt und ge­wehrt. Ich habe dar­über ge­spro­chen wie der Künst­ler zum Künst­ler spricht, und habe auch dei­nen Bräu­ti­gam nur als Künst­ler be­trach­tet. Heut spre­che ich zu dir als Mann, ich spre­che zu dir von ei­nem Man­ne, ich spre­che zu dir als ei­nem Wei­be. Dies Weib hat sei­ne Lie­be un­recht ver­schenkt, je­ner Mann ist ih­rer un­wert, und der Mann, der es dir sagt, ist sei­ner Sa­che ge­wiss.

      – O mein Gott! An­zo­le­to mei­ner Lie­be un­wert! Er, mein ein­zi­ger Freund, mein Be­schüt­zer, mein Bru­der! Ach, Sie wis­sen nicht, wie er mir zur Sei­te ge­stan­den, wie er mich in Ehren ge­hal­ten, seit ich auf der Welt bin. Ich muss Ih­nen das er­zäh­len.

      Und Con­sue­lo er­zähl­te ihm die gan­ze Ge­schich­te ih­res Le­bens und ih­rer Lie­be, bei­des nur eine und die­sel­be Ge­schich­te.

      Por­po­ra war ge­rührt, aber er blieb un­er­schüt­tert.

      – In dem al­len, sag­te er, sehe ich nichts als dei­ne Un­schuld, dei­ne Treue, dei­ne Tu­gend. Was ihn be­trifft, so sehe ich wohl, wie sehr ihm dein Um­gang ein Be­dürf­nis war, und dein Un­ter­richt, dem er, was du auch im­mer dar­über denkst, das We­ni­ge ver­dankt, was aus ihm ge­wor­den ist; aber es ist nicht min­der wahr, dass die­ser sitt­sa­me und ge­treue Lieb­ha­ber nichts wei­ter als der Weg­wurf al­ler ver­lo­re­nen Frau­en­zim­mer von Ve­ne­dig ist, dass er die Glut, die du in ihm ent­flammst, in lie­der­li­chen Häu­sern löscht und dass er nur dar­an denkt, dich aus­zu­beu­ten, wäh­rend er an­der­wärts sei­ne schänd­li­chen Lei­den­schaf­ten be­frie­digt.

      – Wa­chen Sie über Ihre Wor­te, ent­geg­ne­te Con­sue­lo mit er­stick­ter Stim­me; ich bin ge­wohnt, an Sie zu glau­ben wie an Gott, o mein lie­ber Meis­ter! aber in Be­treff An­zo­le­to’s bin ich ge­rüs­tet, Ih­nen Ohren und Herz zu ver­schlie­ßen … Ach! las­sen Sie mich hin­weg, setz­te sie hin­zu und ver­such­te, ih­ren Arm aus dem sei­ni­gen zu rei­ßen, Sie ge­ben mir den Tod.

      – Dei­ner ver­derb­li­chen Lei­den­schaft will ich den Tod ge­ben, und dir durch die Wahr­heit das Le­ben, er­wi­der­te er, den Arm des Mäd­chens fes­ter an sein ede­les, zür­nen­des Herz pres­send. Ich weiß, dass ich rau bin, Con­sue­lo. Ich kann nicht an­ders sein, und des­halb habe ich, so lang ich konn­te, den Schlag zu­rück­ge­hal­ten, den ich dir ver­set­zen muss. Ich habe ge­hofft, dass du selbst die Au­gen auf­tun und das, was um dich her vor­geht, se­hen wer­dest. Aber an­statt durch Er­fah­rung klü­ger zu wer­den, stür­zest du dich blind­lings mit­ten in den Ab­grund. Aber ich, ich will dich nicht hin­ein­stür­zen las­sen! du bist das ein­zi­ge We­sen, das mir seit zehn Jah­ren wert ist. Du sollst nicht um­kom­men, nein! du sollst nicht.

      – Aber mein Freund, ich bin nicht in Ge­fahr; Glau­ben Sie denn, dass ich lüge, wenn ich Ih­nen schwö­re, bei al­lem, was uns hei­lig ist, dass ich das Ge­lüb­de, wel­ches ich am To­des­bet­te mei­ner Mut­ter ab­ge­legt, in Ehren ge­hal­ten habe! An­zo­le­to hält es eben­so in Ehren. Ich bin also, da ich noch nicht sein Weib bin, auch nicht sei­ne Maitres­se.

      – Aber es kos­tet ihn ein Wort, so bist du bei­des.

      – Mei­ne Mut­ter selbst hat uns das Ver­spre­chen ab­ge­nom­men.

      – Und den­noch hast du heu­te Abend die­sen Men­schen auf­ge­sucht, der dein Mann nicht wer­den will und nicht wer­den kann?

      – Wer hat Ih­nen das ge­sagt?

      – Wür­de ihm denn die Co­ril­la je er­lau­ben …?

      – Die Co­ril­la? Was ist ge­mein zwi­schen ihm und der Co­ril­la?

      – Es sind nur zwei Schrit­te von hier zur Woh­nung die­ser Dir­ne … du hast dei­nen Ver­lob­ten ge­sucht … wir wol­len ihn bei ihr ab­ho­len. Hast du den Mut dazu?

      – Nein! nein! tau­send­mal nein! schrie Con­sue­lo, in­dem ihre Knie wank­ten und sie sich ge­gen die Mau­er stütz­te. Las­sen Sie mir das Le­ben, Meis­ter! Tö­ten Sie mich nicht, be­vor ich ge­lebt habe. Ich sage Ih­nen, Sie ge­ben mir den Tod.

      – Du musst die­sen Kelch trin­ken, ver­setz­te der un­er­bitt­li­che Greis, ich über­neh­me hier die Rol­le des Schick­sals. Durch mei­ne Zärt­lich­keit, durch mei­ne Weich­her­zig­keit habe ich die Men­schen stets nur un­dank­bar und dem zu Fol­ge un­glück­lich ge­macht, ich muss nun de­nen, die ich lie­be, die lau­te­re Wahr­heit ein­schen­ken. Das ist das ein­zi­ge Gute, das noch ein vom Un­glück aus­ge­dörr­tes und vom Lei­den ver­stein­tes Herz voll­brin­gen kann. Ich be­kla­ge dich, mei­ne arme Toch­ter, dass du kei­nen sanf­te­ren und zar­te­ren Freund hast, um dir in die­ser un­glück­li­chen Kri­se bei­zu­sprin­gen. Aber so wie ich durch die Men­schen ge­wor­den bin, so muss ich auf die an­de­ren wir­ken, und mit Wet­ter­strah­len muss ich dar­ein leuch­ten, da ich nicht mit Son­nen­schein er­wär­men kann. Also, Con­sue­lo, kei­ne Schwach­heit zwi­schen uns. Hier tritt ein in die­sen Pal­last. Ich will, dass du dei­nen Ge­lieb­ten in den Ar­men der un­züch­ti­gen Co­ril­la über­ra­schest. Kannst du nicht ge­hen, so wer­de ich dich schlep­pen. Wenn du zu­sam­men­brichst, so tra­ge ich dich. Ha! der alte Por­po­ra hat noch Kraft, wenn das Feu­er des gött­li­chen Zor­nes in sei­nen Ein­ge­wei­den brennt!

      – Er­bar­men, Er­bar­men! schrie Con­sue­lo blei­cher als der Tod. Las­sen Sie mich noch zwei­feln … Noch einen Tag, einen ein­zi­gen Tag noch gön­nen Sie mir, an ihn zu glau­ben; ich bin nicht vor­be­rei­tet auf die­se Mar­ter …

      – Nichts, kei­nen Tag, kei­ne Stun­de, ant­wor­te­te er un­beug­sam; denn die­se Stun­de, wenn sie ent­rinnt, ich wer­de sie nicht wie­der fin­den, um dir die Wahr­heit un­ter die Au­gen zu brin­gen; und die­sen Tag, den du for­derst, der Schand­bu­be wür­de ihn be­nut­zen, um dich wie­der in das Joch der Lüge zu schmie­den. Du kommst mit mir, ich be­feh­le es dir, ich will es.

      – Nun ja, wohl­an! ich gehe mit, rief Con­sue­lo, de­ren Lie­be mit ei­nem­ma­le hef­tig auf­lo­dernd ihr wie­der Kraft gab; ich gehe mit, ich will se­hen, ob Sie recht ha­ben, ob mein Ge­lieb­ter nicht treu ist; denn es ist eine schmäh­li­che Täu­schung, wel­che Sie be­fängt und wo­hin­ein Sie auch mich rei­ßen wol­len. Voran denn, Hen­ker, der Sie sind! ich fol­ge Ih­nen und ich fürch­te Sie nicht.

      Por­po­ra nahm sie beim Wort; er fass­te ih­ren Arm mit sei­ner ner­vi­gen Hand, wie mit ei­ner ei­ser­nen Zan­ge, und zog sie nach sich in das Hans, in wel­chem er wohn­te, zog sie durch alle Cor­ri­do­re, Trep­pe für Trep­pe hin­auf, bis auf eine obe­re Ter­ras­se, von wel­cher man über ein nied­ri­ge­res, gänz­lich ver­öde­tes Haus den Pal­last der Co­ril­la sah, fins­ter von oben bis un­ten mit Aus­nah­me ei­nes ein­zi­gen of­fe­nen Fens­ters, wel­ches er­leuch­tet war und auf die schwar­ze, to­ten­stil­le Faça­de des öden Hau­ses hin­aus­ging. Es schi­en von die­sem Fens­ter aus, als könn­te man von kei­nem Punk­te her ge­se­hen wer­den, denn ein vor­sprin­gen­der Bal­ken mach­te es