Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
Da sich Consuelo ein wenig beklommen fühlte, mit so vielen Männern allein zu sein, bat sie ganz leise den Grafen, auch die Clorinda mit einzuladen, und dem Grafen, der Anzoleto’s Spiel mit dem armen Mädchen nicht durchschaute, war es gar nicht unlieb, diesen um eine andere als seine Braut beschäftigt zu sehen. Als ein leichtfertiger Charakter und ein schöner Mann, bei seinem Reichtum, seinem Theater und überdies bei den lockeren Sitten des Landes und der Zeit, ermangelte der edele Graf nicht einer guten Dosis von Geckenhaftigkeit. Der griechische Wein und der Kunstenthusiasmus hatten ihn befeuert, die Ungeduld sich an seiner »ungetreuen« Corilla zu rächen, war groß: nichts natürlicher, als dass er Consuelo den Hof zu machen gedachte. Er setzte sich in der Gondel neben sie, nachdem er alles dergestalt geordnet hatte, dass das andere Pärchen am entgegengesetzten Ende zu sitzen kam, und begann seine neue Beute auf eine sehr bedeutungsvolle Weise anzublicken.
Die gute Consuelo verstand indessen von dem allen nichts. Ihre Unschuld und Ehrlichkeit würden sich gegen die Vermutung empört haben, dass der Beschützer ihres »Freundes« so schlechte Absichten hegen könnte, aber ihre gewohnte Bescheidenheit, welche von dem glänzenden Triumphe des Tages nicht den kleinsten Wandel erfahren hatte, ließ sie dergleichen Absichten nicht einmal für möglich halten. In ihrem Herzen war und blieb nur Ehrfurcht vor dem vornehmen Herrn, welcher sie zugleich mit Anzoleto unter seine Obhut genommen hatte, und unbefangene Freude an einer Lustbarkeit, unter welcher sie keine Tücke verborgen glaubte.
Diese Ruhe, dieses Vertrauen setzten den Grafen in ein solches Erstaunen, dass er nicht wusste, ob er darin die bereitwillige Hingebung einer widerstandlosen Seele oder die Dummheit der vollkommenen Unschuld erkennen sollte. Ob aber eine Italienerin von achtzehn Jahren nicht Bescheid weiß, wusste, will ich sagen, zumal vor hundert Jahren und mit einem »Freunde« wie Anzoleto? Alle Wahrscheinlichkeit war in der Tat für die Hoffnungen des Grafen. Und dennoch konnte er die Hand seines Schützlinges nicht ergreifen, konnte seinen Arm nicht ausstrecken um ihren Leib zu umspannen, ohne dass ihn eine unerklärliche Furcht augenblicklich zurückhielt: er hatte ein Gefühl von Unsicherheit, fast Ehrfurcht, welches er sich nicht zu deuten vermochte.
Auch Barberigo fand die Consuelo sehr verführerisch in ihrer Einfalt, und er hätte sich gern bei ihr dasselbe wie der Graf herausgenommen, wenn er es nicht für eine Pflicht der Delicatesse gehalten hätte, die Absichten seines Freundes nicht zu kreuzen. Jedem das seine, dachte er, als er Zustiniani’s Augen in seinem Glanze wollüstiger Berauschung schwimmen sah; die Reihe wird auch an mich kommen. Der junge Barberigo hatte es indessen gar nicht in der Art, die Sterne anzugaffen, wenn er sich in Frauengesellschaft befand; er fragte sich, wie doch dieser kleine Schlingel von Anzoleto dazu komme, die blonde Clorinda in Beschlag zu nehmen, und er trat zu ihr, um dem jungen Tenor wo möglich begreiflich zu machen, dass es für ihn sich besser schicken würde, zum Ruder zu greifen, als mit dem Dämchen schön zu tun.
Anzoleto hatte nicht Erziehung genug, um, ungeachtet seiner scharfen Fassungskraft, sogleich beim ersten Worte den jungen Grafen zu verstehen. Überdies war sein Stolz nicht kleiner als der Hochmut der Patrizier. Er verachtete diese von Herzen, und wenn er äußerlich sich ihnen geschmeidig zeigte, so war dies nur eine Schlauheit, hinter welcher sich seine innere Geringschätzung verbarg. Da Barberigo sah, dass Anzoleto sich ein Vergnügen daraus machte, ihm hinderlich zu sein, so ersann er eine grausame Rache.
– Alle Wetter, sagte er laut zur Clorinda, sehen Sie nur, was für ein Glück Ihre Freundin Consuelo macht. Wo wird die heute aufhören? Nicht genug, dass sie in der ganzen Stadt mit ihrem schönen Gesang Furore gemacht hat, verdreht sie nun mit ihren feurigen Blicken noch unserem armen Grafen den Kopf. Er wird ganz vernarrt in sie werden, wenn er es nicht schon ist, und mit den Sachen der Madame Corilla steht es nun vollends schlecht.
– O, es ist nichts zu besorgen, erwiderte Clorinda hämisch, Consuelo ist in den Anzoleto hier verliebt, und mit ihm versprochen. Die beiden brennen für einander, wer weiß seit wie vielen Jahren.
– Man vergisst auch wohl, wer weiß wie viele Jahre der Liebe, in einem Augenblinzen, zumal wenn Zustiniani’s Augen sich darauf einlassen, den tödlichen Pfeil abzuschnellen. Meinen Sie nicht, schöne Clorinda?
Anzoleto hielt diese Spöttereien nicht lange aus. Tausend Schlangen hatten sich schon in seine Brust geschlichen. Bis diesen Augenblick hatte er um dergleichen weder Argwohn noch Sorge gehegt: er hatte sich blindlings der Freude über den Triumph seiner Freundin hingegeben, und nur, um teils seinem Jubel einen bestimmten Anhalt, teils seiner Eitelkeit einen raffinierten Genuss zu verschaffen, hatte er sich seit zwei Stunden daran ergötzt, das Opfer dieses berauschenden Tages aufzuziehen. Nach einigen schalen Witzen, welche er mit Barberigo wechselte, tat er, als ob die Unterhaltung über musikalische Gegenstände, welche Porpora in der Mitte der Gondel mit der übrigen Gesellschaft führte, seine Aufmerksamkeit erregt hätte: er entfernte sich allmählich von einem Platze, welchen er nicht länger Lust hatte, seinem Gegner streitig zu machen und stahl sich im Dunkel an das Vorderteil der Barke. Sogleich bei dem ersten Versuche, das Tête-à-Tête des Grafen und seiner Braut zu unterbrechen, bemerkte er, dass Zustiniani an dieser Dazwischenkunft wenig Gefallen fand, denn der Graf antwortete ihm kalt und fertigte ihn sogar kurz ab. Nachdem Anzoleto mit verschiedenen müßigen Fragen übel angekommen war, erhielt er zuletzt den guten Rat, doch lieber die tiefen und gelehrten Sachen mit anzuhören, welche der große Porpora über den Kontrapunkt vernehmen ließe.
– Der große Porpora ist nicht mein Lehrer, antwortete Anzoleto, seine innere Wut so gut als möglich unter einem scherzenden Tone verbergend; er ist aber Consuelo’s Lehrer, und wenn es meinem teuern und geliebten gnädigen Herrn gefiele; fügte er, zu dem Grafen niedergebeugt, ganz leise und mit einschmeichelndem Tone hinzu, meine arme Consuelo keinen anderen Unterricht als den ihres alten Lehrers genießen zu lassen …
– Mein teurer und geliebter Zoto, antwortete der Graf, denselben schmeichelnden Ton in der boshaftesten