Название | Aphorismen zur Lebensweisheit |
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Автор произведения | Arthur Schopenhauer |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788026826484 |
Dem entsprechend, daß das Gehirn als der Parasit, oder Pensionär, des ganzen Organismus auftritt, ist die errungene freie Muße eines Jeden, indem sie ihm den freien Genuß seines Bewußtseyns und seiner Individualität giebt, die Frucht und der Ertrag seines gesammten Daseyns, welches im Uebrigen nur Mühe und Arbeit ist. Was nun aber wirft die freie Muße der meisten Menschen ab? Langeweile und Dumpfheit, so oft nicht sinnliche Genüsse, oder Albernheiten dasind, sie auszufüllen. Wie völlig werthlos sie ist, zeigt die Art, wie sie solche zubringen: sie ist eben das ozio lungo d’uomini ignoranti des Ariosto. Die gewöhnlichen Leute sind bloß darauf bedacht, die Zeit zuzubringen; wer irgend ein Talent hat, – sie zu benutzen. – Daß die beschränkten Köpfe der Langenweile so sehr ausgesetzt sind, kommt daher, daß ihr Intellekt durchaus nichts weiter, als das Medium der Motive für ihren Willen ist. Sind nun vor der Hand keine Motive aufzufassen da, so ruht der Wille und feiert der Intellekt; dieser, weil er so wenig wie jener auf eigene Hand in Thätigkeit geräth: das Resultat ist schreckliche Stagnation aller Kräfte im ganzen Menschen, – Langeweile. Dieser zu begegnen, schiebt man nun dem Willen kleine, bloß einstweilige und beliebig angenommene Motive vor, ihn zu erregen und dadurch auch den Intellekt, der sie aufzufassen hat, in Thätigkeit zu versetzen: diese verhalten sich demnach zu den wirklichen und natürlichen Motiven, wie Papiergeld zu Silber; da ihre Geltung eine willkürlich angenommene ist. Solche Motive nun sind die Spiele, mit Karten u. s. w., welche zu besagtem Zweck erfunden worden sind. Fehlt es daran, so hilft der beschränkte Mensch sich durch Klappern und Trommeln, mit Allem, was er in die Hand kriegt. Auch die Cigarre ist ihm ein willkommenes Surrogat der Gedanken. – Daher also ist, in allen Ländern, die Hauptbeschäftigung aller Gesellschaft das Kartenspiel geworden: es ist der Maaßstab des Werthes derselben und der deklarirte Bankrott an allen Gedanken. Weil sie nämlich keine Gedanken auszutauschen haben, tauschen sie Karten aus und suchen einander Gulden abzunehmen. O, klägliches Geschlecht! Um indessen auch hier nicht ungerecht zu seyn, will ich den Gedanken nicht unterdrücken, daß man zur Entschuldigung des Kartenspiels allenfalls anführen könnte, es sei eine Vorübung zum Welt-und Geschäftsleben, sofern man dadurch lernt, die vom Zufall unabänderlich gegebenen Umstände (Karten) klug zu benutzen, um daraus was immer angeht zu machen, zu welchem Zwecke man sich denn auch gewöhnt, Contenance zu halten, indem man zum schlechten Spiel eine heitere Miene aufsetzt. Aber eben deshalb hat andererseits das Kartenspiel einen demoralisirenden Einfluß. Der Geist des Spiels nämlich ist, daß man auf alle Weise, durch jeden Streich und jeden Schlich, dem Andern das Seinige abgewinne.
Aber die Gewohnheit, im Spiel so zu verfahren, wurzelt ein, greift über in das praktische Leben, und man kommt allmälig dahin, in den Angelegenheiten des Mein und Dein es eben so zu machen und jeden Vortheil, den man eben in der Hand hält, für erlaubt zu halten, sobald man nur es gesetzlich darf. Belege hiezu giebt ja das bürgerliche Leben täglich. – Weil also, wie gesagt, die freie Muße die Blüthe, oder vielmehr die Frucht des Daseyns eines Jeden ist, indem nur sie ihn in den Besitz seines eigenen Selbst einsetzt, so sind Die glücklich zu preisen, welche dann auch etwas Rechtes an sich selber erhalten; während den Allermeisten die freie Muße nichts abwirft, als einen Kerl, mit dem nichts anzufangen ist, der sich schrecklich langweilt, sich selber zur Last. Demnach freuen wir uns, ihr lieben Brüder, daß wir nicht sind der Magd Kinder, sondern der Freien. (Gal. 4, 31.)
Ferner, wie das Land am glücklichsten ist, welches weniger, oder keiner, Einfuhr bedarf; so auch der Mensch, der an seinem innern Reichthum genug hat und zu seiner Unterhaltung wenig, oder nichts, von außen nöthig hat; da dergleichen Zufuhr viel kostet, abhängig macht, Gefahr bringt, Verdruß verursacht und am Ende doch nur ein schlechter Ersatz ist für die Erzeugnisse des eigenen Bodens. Denn von Andern, von außen überhaupt, darf man in keiner Hinsicht viel erwarten. Was Einer dem Andern seyn kann, hat seine sehr engen Gränzen: am Ende bleibt doch Jeder allein, und da kommt es darauf an, wer jetzt allein sei. Auch hier gilt demnach was Goethe (Dicht. u. Wahrh. Bd. 3, S. 474) im Allgemeinen ausgesprochen hat, daß, in allen Dingen, Jeder zuletzt auf sich selbst zurückgewiesen wird, oder wie Oliver Goldsmith sagt:
Still to ourselves in ev’ry place consign’d,
Our