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daß du arm und verlassen bist – denn deine Eltern sind tot – dein Mann ist tot. Ohne deiner Vergangenheit nachzuspüren, wollen wir dir Gastfreundschaft gewähren, bis du über dein weiteres Leben entschieden hast. Aber nur unter der Bedingung, daß du hier nicht unsern Frieden störst. Wir lieben Licht und Sonne, ohne die wir hier nicht leben, nicht atmen können. Ist dir klar, was ich damit meine?«

      »Ja, Onkel Bertram – ich danke dir.«

      »Na schön. Und nun wollen wir zusehen, daß unsere Dörth zu ihrem Kaffee kommt.«

      *

      Es war am nächsten Morgen. Ein Sonntag, an dem jeder ausschlafen durfte. Bis zehn Uhr blieb der Tisch gedeckt. Fand man sich bis dahin nicht ein, mußte man auf das Frühstück verzichten und bis zum Mittagessen warten. Jetzt war es gerade neun Uhr, als Doro die Terrasse betrat und einen genießerischen Blick auf den Frühstückstisch warf, an dem nur der Gatte saß.

      »Guten Morgen«, grüßte sie fröhlich. »Solo, mein Herr Gemahl?«

      »Jawohl, meine Frau Gemahlin«, parierte er launig. »Die andern schlafen noch – und wer schläft, der sündigt, wie bekannt, nicht.«

      »Phrasen –«, lachte sie ihn lieblich an, während sie Platz nahm. Sie griff nach Toast und Pastete, mit dem sie jedes Frühstück zu beginnen pflegte, versorgte sich aus der Maschine mit Kaffee und setzte sich bequem zurecht.

      »Schönes Wetter heute«, eröffnete sie die Unterhaltung, was ihn schmunzeln ließ.

      »Das soll wohl im Mai so sein, meine wenig geistreiche Frau.«

      »Na, du –«, wehrte sie sich lachend. »An dem nötigen Esprit fehlt es mir sonst wahrlich nicht. Aber was soll man sonst mit dir wohl reden, du fanatischer Stoppelhopser, der so sehr vom Wetter abhängig ist.«

      »Zum Beispiel von der Liebe«, schlug er vor, doch sie winkte nonchalant ab.

      »Veraltete Angelegenheit. aber sag mal, wieviel Basen besitzest du eigentlich noch, die plötzlich auftauchen und nach dir angeln können?«

      »Kluges Kind.«

      »Werde gefälligst nicht ironisch, sondern beantworte meine Frage.«

      »Na schön. Außer der unbemannten Sitta und der nun verwitweten Bella ist unsere Sippe vorzüglich an den Mann, respektive an die Frau gebracht. Alles brave, biedere Leutchen, die ihrer Familie leben und Geld genug haben, um uns die Erbschaft Tante Eulalias – und mir persönlich – meine reiche Frau neidlos zu gönnen.«

      »Und Sitta – und seit gestern auch Bella?«

      »Sind schwarze Schafe, die jede ehrenwerte Familie aufzuweisen direkt verpflichtet ist.«

      »Arroganter Spötter!«

      »Danke. Noch etwas?«

      »Nein.«

      »Dann bin ich beruhigt.«

      »Und das beruhigt mich nun wiederum. O seht, da naht schon das Verderben!«

      Wie Doro das meinte, erfaßte Edzard sofort, als Bella sichtbar wurde. So raffiniert zurechtgemacht, daß man ihr zehn Jahre weniger geben konnte – aber noch lange nicht die zwanzig Lenze des wunderholden Menschenkindes, das ihr da so harmlos entgegenlächelte. Fast schmerzhaft empfand die Vierunddreißig­jährige diese zauberschöne Konkurrenz in ihrer prangenden Maienblüte.

      Noch einmal so jung sein – dachte sie resigniert. Noch einmal zwanzig sein! Doch was hätte ihr das genützt? Denn schon mit siebzehn Jahren hatte sie sich verzettelt. Und nur deshalb, weil ihr vorher kein Mann begegnet war wie Edzard Sölgerthurn. Den könnte sie lieben – mit ganzem Herzen lieben – und auch wirklich treu sein.

      »Na, Bella, gut geschlafen?« fragte eine sonore Stimme in ihre schmerzhaften Grübeleien hinein. Eine Stimme, dunkeltönend wie eine Glocke und schmiegsam wie edler Samt.

      Schon dieser Stimme wegen hätte ich ihn lieben können – dachte sie wehmütig. Weiß diese hochnäsige junge Gräfin überhaupt, welch einen kostbaren Edelstein ihr das Schicksal in die Hände gab? Wahrscheinlich nicht. Die pochte auf ihre Jugend, auf ihre Schönheit und auf ihr Geld.

      »Na schön –«, sagte sie gottergeben. »Esse ich eben. Denn essen und trinken soll ja Leib und Seele zusammenhalten.«

      »Darin wird dir meine Frau recht geben«, lachte Edzard. »Sie ißt nämlich wie ein kleiner Scheunendrescher.«

      »Und die Taille, Gräfin?«

      »Ist mir wurscht.«

      Da lachte Bella. Lachte überhaupt viel in den Tagen, die ihr in diesem feudalen Schloß vergönnt waren.

      Daß sie daraus scheiden mußte, daran trug sie allein die Schuld. Denn wie die Katze nicht das Mausen läßt, so ließ die Mondäne nicht von ihrem Männerfang, obwohl sie wußte, wie gefährlich das hier war.

      Aber wer kann schon gegen seine Natur an?

      Also bekam die leichtsinnige Bella ihren Abschied, als sie dem Ehemann Edzard, den sie einmal allein erwischte, feurig ihre Liebe kundtat. Und es war ihr Pech, daß die junge Gräfin dazukommen mußte.

      Diese schien über das Tête-à-tête durchaus nicht erstaunt zu sein. Sie enthielt sich auch jeder Bemerkung, lächelte nur verächtlich – und ging.

      Und dieses Lächeln kam dem Ehegemahl gewissermaßen in die falsche Kehle. Mit hartem Griff befreite er sich aus der unerwünschten Umschlingung – und schon wenig später verließ die geknickte Sumpfdotterblume das Schloß. In ihrer Handtasche steckte ein Scheck über tausend Mark als Wegzehrung.

      *

      »Jetzt langt’s mir aber«, knurrte der Senior verbissen, nachdem Bella tränenüberströmt entschwunden war. »Jetzt haben wir genug Barmherzigkeit geübt. Jetzt kommt mir keine Weiblichkeit mehr von der Art einer Sitta und Bella ins Haus. Zum Kuckuck, haben denn solche Frauen kein Schamgefühl, daß sie herkommen, eine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen, die ihnen überhaupt nur aus Gnade und Barmherzigkeit gewährt wird, und zum Dank dafür in eine Ehe eindringen?! Sie hätten damit das größte Unheil anrichten können, wenn unsere Dörth nicht so vernünftig wäre. Du kannst von Glück sagen, mein Sohn, so eine patente Frau vom Schicksal zugeteilt bekommen zu haben.«

      »Das tu ich ja auch«, kam es gelassen zurück – viel zu gelassen für des Vaters Gefühl. Weiß der Himmel, so ein Prachtkerl der Junge sonst auch war, aber viel Herz schien er von der Natur wirklich nicht mitgekriegt zu haben. Außerdem schien eisgekühltes Blut in seinen Adern zu fließen.

      Das sagte er auch der Gattin, nachdem der Sohn gegangen war, und sie seufzte bekümmert.

      »Ich kann mir nicht helfen, zwischen den beiden muß etwas vorgefallen sein, wovon wir nichts wissen. Und was wir wahrscheinlich auch nie erahren werden, weil sie sehr verschlossen sind.«

      »Unser Junge wohl, aber die Dörth doch nicht. Die ist doch ein so lichtes, frischfröhliches Menschenkind, wie man es nicht oft im Leben findet.«

      »Und doch werden selbst die Eltern nicht mehr klug aus ihr, wie Ruth neulich durchblicken ließ. Beobachte die beiden doch einmal. Da gibt es zwischen ihnen keinen zärtlichen Blick, kein inniges Sichverstehen. Denke doch bitte daran, wie es zwischen uns war.«

      »Na ja, liebste Frau, wir waren ja auch ein ganz besonders verliebtes Paar«, lächelte er verlegen. »Die heutige Jugend ist eben anders.«

      »Aber nicht, wenn es um die Liebe geht«, beharrte sie. »Da kannst du reden, was du willst – da stimmt etwas nicht.«

      »Hm – was machen wir denn da?«

      »Wir können gar nichts machen, Bertram. Die ganze Angelegenheit ist so überaus zart und empfindsam, daß man sie lieber unangetastet läßt. Wir haben es hier nämlich nicht mit Durchschnitts-, sondern mit Elitemenschen zu tun.«

      »Ach was – Elitemenschen –«, brummte er. »Mir wäre Durchschnitt lieber, den man nicht wie ein rohes Ei zu behandeln braucht.«