Название | Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury |
---|---|
Автор произведения | Else Ury |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027238576 |
Im Galopp ging es daheim die Treppen hinauf – immer zwei Stufen auf einmal.
»Hanne – ich bin durch!« –
»Na, so ’ne Jemeinheit! Die Onkels können sich aber vor mich in acht nehmen – unser Kind durchfallen zu lassen, wo es Tag und Nacht sich reine varrickte jelernt hat – – –«
Annemaries übermütiges Lachen unterbrach die schimpfende Hanne.
»Aber, Hanne, ich bin doch nicht durchgefallen – durch bin ich – fertig – ohne mündliches Examen, weil ich das Schriftliche mit eins – ach, da ist Mutti!« Annemarie lag am Halse der Mutter, lachte und schluchzte durcheinander.
»Muttichen – nun hat die Tierquälerei ein Ende! Vom Mündlichen bin ich dispensiert worden, Marlene Ulrich auch. Ach, Muttichen, ich bin ja so selig!« Fest hielt die Mutter ihr Nesthäkchen im Arm.
»Meine Lotte!« sagte sie nur leise. Denn eine Mutter bangt um ihr Kind noch mehr, als es selbst. Hatte sie doch längst entdeckt, daß das Examenskleid aus dem Schrank fehlte.
Klaus, der die würdige Gelegenheit benutzt hatte, heute das Kolleg zu schwänzen, kam freudigst herbei. »Hab’ ich dir’s nicht gesagt, Annemie, die Dummen haben das meiste Glück? Was hast du nun von all deinem Büffeln? Wenn der Mensch Schwein hat, kommt er auch so durchs Leben.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen, mein Sohn. Fleißige Pflichterfüllung gibt eine sicherere Gewähr«, wandte die Mutter ein. Und auch Puck, der Annemarie wie toll umkreiste, erhob laut kleffend Einspruch.
»Ist Vater nicht zu Hause und Hans?« Annemarie brannte darauf, ihr Glück zu verkünden.
Nein, Vater war bereits in der Praxis und Hans im Anwaltsbureau. Wer wozu war denn das Telephon da? Nach allen Seiten rief es der elektrische Draht in die Welt hinein, daß’ Doktors Nesthäkchen das Abiturium mit Auszeichnung gemacht habe; daß es vom Mündlichen dispensiert worden sei.
Vater unterbrach den Patientenrundgang, um seine Lotte ganz schnell an das Herz zu drücken. »Nun bekomme ich bald meine kleine Assistentin – der erste Schritt dazu ist gemacht. Wird auch Zeit!«
Großmama erschien mit strahlendem Stolz und einer verheißungsvollen Riesenbonbonniere. Sie hatte es geahnt, daß Nesthäkchen das Examen mit Glanz bestehen würde, sie hatte es im voraus gewußt. Tante Albertinchen kam mit freudig baumelnden Löckchen, Vera mit vielen Küssen und Bruder Hans sogar galant mit Rosen. Nesthäkchen war heute mal wieder der Mittelpunkt des Doktorhauses.
Bei aller Glückseligkeit aber vergaß es doch nicht die sieben armen Opfer, die noch im Höllenfeuer des Examens schmorten. Pünktlich zur Zwölfuhrpause trat Annemarie wieder in der Schule an, um zu hören, wie es mit den andern stand.
Gut war es gegangen. Die Mädel waren wie aufgebunden. Schulrat und Direks waren riesig nett und die Fragen kinderleicht. »Wenn’s nicht schlimmer wird, kommen wir sämtlich durch,« teilte Ilse ihrer Intima Marlene erleichtert mit, während Marianne ein Stück Torte nach dem andern zur notwendigen Stärkung vertilgte.
Ja, alle kamen sie durch.
Am nächsten Abend schaute die mit Girlanden und bunten Lampions feenhaft geschmückte Turnhalle auf zehn glückliche Rotbemützte. An langen Tafeln saßen sie, Lehrerkollegium und Schülerinnen, sonst durch die respektvolle Mauer der Disziplin streng geschieden, heute in fröhlichem Beieinander. Da ließ man sich Hannes italienischen Salat schmecken, schmauste umschichtig Brötchen und Torten in nicht endenwollender Zahl und sang dreist und keck bei der Pfirsichbowle Spottlieder auf Schule und Lehrer. Und keiner konnte einem deshalb mehr einen Tadel geben, selbst die Eulenaugen durften einem nichts mehr anhaben. – O du selige, goldene Freiheit!
Aber die Turnhalle, die doch eigentlich von allen Schulklassen die am wenigsten ehrpusselige ist und manchen Seitensprung gestattet, blickte schließlich doch mißbilligend auf die ausgelassene Mädchenschar, als das Festspiel stieg.
»Die heilige Feme« hieß es. Die Verfasserin, Annemarie Braun, wollte Fräulein Neubert beweisen, was sie bei ihr gelernt hatte. Fünf schwarze vermummte Gestalten, schaurige schwarze Larven vor den lustigen Gesichtern, saßen beim zwölften Mitternachtschlag zu Gericht über die armen Lehrer.
Mit düsterer Stimme und strafend erhobenen Händen schrien sie ihr »Gerüst«. »Wehe! – wehe! – wehe!« Keins von den armen Opfern ward begnadigt. Alles, was in den langen Jahren von den Lehrern gesündigt worden war, wurde unbarmherzig von der heiligen Feme abgetan und verurteilt. Fräulein Neubert ward sogar wegen unüberwindlicher Abneigung gegen Konditoreien in eine Eule verwandelt – wehe – wehe – wehe!
Nein, Annemarie Braun trieb es wirklich ein wenig zu bunt. Das fand nicht nur manche würdige Lehrerin, auch die Turnhalle schüttelte ihr betagtes Haupt, daß Schaukelringe und Rundlauf leise klirrten. Die meisten Lehrer aber machten gute Miene zum bösen Spiel und lachten mit den Mädeln um die Wette. Ja, Professor Herwig, dem wegen zu schwerer lateinischer Extemporale seine Schnupftabakdose entzogen werden sollte, ruhte nicht, bis die junge Verfasserin zur Strafe aus selbiger Dose ein Prischen genommen hatte, und nun statt »wehe – wehe – wehe – hatschi – hatschi – hatschi –« ertönen ließ.
Piefke hatte das Klavier aus der Gesangsklasse herunterschaffen müssen und nun wurde getanzt. Die Fidelitas setzte ein. Zwar empfahlen sich jetzt die Lehrer, denn für sie war morgen kein Tag der Freiheit, sondern gewöhnlicher Schultag. Aber statt ihrer drangen Brüder und Vettern in das Heiligtum der Mädchenschule ein, stürzten sich auf die übriggebliebenen Brötchen und Torten und wirbelten, allem mißbilligenden Kopfschüttelns der Turnhalle ungeachtet, ihre Tänzerinnen zwischen Leitern, Schwebebäumen und Barren umher.
Mit Stocklaternen, wie die Glühwürmchen anzuschauen, zogen die Rotbemützten schließlich singend aus den Mauern der Schule hinaus – hinein in ein neues Leben.
Möge es dir Glück bringen, Nesthäkchen!
Nesthäkchen fliegt aus dem Nest
1. Kapitel Lieb Vaterhaus – ade!
2. Kapitel Eine Reise mit Hindernissen
5. Kapitel ‘s gibt kein schöner Leben, als Studentenleben
6. Kapitel Ein Brief aus der Ferne
7. Kapitel Rosenfest im Neckartal