Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Фридрих Вильгельм Ðицше |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962815295 |
In der Philosophie des Parmenides präludirt das Thema der Ontologie. Die Erfahrung bot ihm nirgends ein Sein, wie er es sich dachte, aber daraus, daß er es denken konnte, erschloß er, daß es existiren müsse: ein Schluß, der auf der Voraussetzung beruht, daß wir ein Organ der Erkenntnis; haben, das in’s Wesen der Dinge reicht und unabhängig von der Erfahrung ist. Der Stoff unseres Denkens ist nach Parmenides gar nicht in der Anschauung vorhanden, sondern wird anderswoher hinzugebracht, aus einer außersinnlichen Welt, zu der wir durch das Denken einen direkten Zugang haben. Nun hat Aristoteles gegen alle ähnlichen Schlußverfahren bereits geltend gemacht, daß die Existenz nie zur Essenz, das Dasein nie zum Wesen des Dinges gehöre. Gerade deshalb ist aus dem Begriffe »Sein« – dessen essentia eben nur das Sein ist – gar nicht auf eine existentia des Seins zu schließen. Die logische Wahrheit jenes Gegensatzes »Sein« und »Nichtsein« ist vollkommen leer, wenn nicht der zu Grunde liegende Gegenstand, wenn nicht die Anschauung gegeben werden kann, aus der dieser Gegensatz, durch Abstraktion, abgeleitet ist, sie ist, ohne dies Zurückgehn auf die Anschauung, nur ein Spiel mit Vorstellungen, durch das in der That gar Nichts erkannt wird. Denn das bloß logische Kriterium der Wahrheit, wie Kant lehrt, nämlich die Übereinstimmung einer Erkenntnis; mit den allgemeinen und formalen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft, ist zwar die conditio sine qua non, mithin die negative Bedingung aller Wahrheit: weiter aber kann die Logik nicht gehen, und den Irrthum, der nicht die Form, sondern den Inhalt betrifft, kann die Logik durch keinen Probirstein entdecken. Sobald man aber den Inhalt für die logische Wahrheit des Gegensatzes »Das was ist, ist; Das was nicht ist, ist nicht« sucht, so findet man in der That keine einzige Wirklichkeit, die nach jenem Gegensatze streng geartet wäre; ich kann von einem Baume sowohl sagen: »er ist«, im Vergleiche mit allen übrigen Dingen, als »er wird«, im Vergleich zu ihm selbst in einem anderen Zeitmomente, als endlich auch »er ist nicht«, zum Beispiel »er ist noch nicht Baum«, so lange ich etwa den Strauch betrachte. Die Worte sind nur Symbole für die Relationen der Dinge unter einander und zu uns und berühren nirgends die absolute Wahrheit: und gar das Wort »Sein« bezeichnet nur die allgemeinste Relation, die alle Dinge verknüpft, ebenso wie das Wort »Nichtsein«. Ist aber die Existenz der Dinge selbst nicht nachzuweisen, so wird die Relation der Dinge unter einander, das sogenannte »Sein« und »Nichtsein«, uns auch keinen Schritt dem Lande der Wahrheit näher bringen können. Durch Worte und Begriffe werden wir nie hinter die Wand der Relationen, etwa in irgend einen fabelhaften Urgrund der Dinge, gelangen und selbst in den reinen Formen der Sinnlichkeit und des Verstandes, in Raum, Zeit und Causalität gewinnen wir Nichts, was einer veritas aeterna ähnlich sähe. Es ist unbedingt für das Subjekt unmöglich, über sich selbst hinaus Etwas sehen und erkennen zu wollen, so unmöglich, daß Erkennen und Sein die sich widersprechendsten aller Sphären sind. Und wenn Parmenides, in der unbelehrten Naivetät der damaligen Kritik des Intellekts, wähnen durfte, aus dem ewig subjektiven Begriff zu einem An-sich-sein zu kommen, so ist es heute, nach Kant, eine kecke Ignoranz, wenn es hier und da, besonders auch unter schlecht unterrichteten Theologen, die den Philosophen spielen wollen, als Aufgabe der Philosophie hingestellt wird, das »Absolute mit dem Bewußtsein zu erfassen«, etwa gar in der Form: »das Absolute ist schon vorhanden, wie könnte es sonst gesucht werden?«, wie Hegel sich ausgedrückt hat, oder mit der Wendung des Beneke, »daß das Sein irgendwie gegeben, irgendwie für uns erreichbar sein müsse, da wir sonst nicht einmal den Begriff des Seins haben könnten«. Den Begriff des Seins! Als ob der nicht den ärmlichsten empirischen Ursprung bereits in der Etymologie des Wortes aufzeigte! Denn esse heißt ja im Grunde nur »athmen«: wenn es der Mensch von allen anderen Dingen gebraucht, so überträgt er die Überzeugung, daß er selbst athmet und lebt, durch eine Metapher, das heißt durch etwas Unlogisches, auf die anderen Dinge und begreift ihre Existenz als ein Athmen nach menschlicher Analogie. Nun verwischt sich bald die originale Bedeutung des Wortes: es bleibt aber immer so viel übrig, daß der Mensch sich das Dasein andrer Dinge nach Analogie des eignen Daseins, also anthropomorphisch, und jedenfalls durch eine unlogische Übertragung, vorstellt. Selbst für den Menschen, also abgesehn von jener Übertragung, ist aber der Satz »ich athme, also giebt es ein Sein« gänzlich unzureichend: als gegen welchen derselbe Einwand, wie gegen das ambulo, ergo sum oder ergo est, gemacht werden muß.
12.
Der andre Begriff, von größerem Gehalte, als der des Seienden, und gleichfalls bereits von Parmenides erfunden, wenngleich noch nicht so geschickt verwendet, wie von seinem Schüler Zeno, ist der des Unendlichen. Es kann nichts Unendliches existiren: denn bei einer solchen Annahme würde sich der widerspruchsvolle Begriff einer vollendeten Unendlichkeit ergeben. Da nun unsre Wirklichkeit, unsere vorhandene Welt überall den Charakter jener vollendeten Unendlichkeit trägt, so bedeutet sie ihrem Wesen nach einen Widerspruch gegen das Logische und somit auch gegen das Reale und ist Täuschung, Lüge, Phantasma. Zeno bediente sich besonders der indirekten Beweismethode: er sagte zum Beispiel »es kann keine Bewegung von einem Orte zum andern geben: denn wenn es eine solche gäbe, so wäre eine Unendlichkeit vollendet gegeben: dies ist aber eine Unmöglichkeit«. Achill kann die Schildkröte, die einen kleinen Vorsprung hat, im Wettlaufe nicht einholen; denn um nur den Punkt, von dem die Schildkröte aus läuft, zu erreichen, müßte er bereits zahllose, unendlich viele Räume durchlaufen haben, nämlich zuerst die Hälfte jenes Raumes, dann das Viertel, dann das Achtel, dann das Sechzehntel und so weiter in infinitum. Wenn er thatsächlich die Schildkröte einholt, so ist dies ein unlogisches Phänomen, also jedenfalls keine Wahrheit, keine Realität, kein wahres Sein, sondern nur eine Täuschung. Denn nie ist es möglich das Unendliche zu beendigen. Ein andres populäres Ausdrucksmittel dieser Lehre ist der fliegende und doch ruhende Pfeil. In jedem Augenblicke seines Flugs hat er eine Lage: in dieser Lage ruht er. Wäre jetzt die Summe der unendlichen Lagen der Ruhe identisch mit Bewegung? Wäre jetzt das Ruhen, unendlich wiederholt, Bewegung, also sein eigner Gegensatz? Das Unendliche wird hier als Scheidewasser der Wirklichkeit benutzt, an ihm löst sie sich auf. Wenn aber die Begriffe fest, ewig und seiend sind – und Sein und Denken fällt für Parmenides zusammen –, wenn also das Unendliche nie vollendet sein kann, wenn Ruhe nie Bewegung werden kann, so ist der Pfeil in Wahrheit gar nicht geflogen: er kam gar nicht von der Stelle und aus der Ruhe, kein Zeitmoment ist vergangen. Oder anders ausgedrückt: es giebt in dieser sogenannten, doch nur angeblichen Wirklichkeit weder Zeit, noch Raum, noch Bewegung. Zuletzt ist der Pfeil selbst nur