Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman. Karin Bucha

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Название Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman
Автор произведения Karin Bucha
Жанр Языкознание
Серия Karin Bucha Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740930271



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kann. Bisher kannte sie nur ihre eigene Person und ihre Wünsche. Auf einmal ist das alles ganz anders.

      Rudolf Hermann wacht am Bett seines Sohnes. Es geht ihm sehr schlecht. Schwestern und Ärzte gehen abwechselnd ein und aus, messen den Puls und unterhalten sich flüsternd.

      Als Doktor Rauher mit Schwester Monika aus dem Zimmer tritt, begegnet er auf dem langen Flur Stefanie Hermann und den beiden Zwillingen. Er begrüßt die elegante Frau, die in eine süßliche Duftwolke eingehüllt ist, und die beiden jungen Menschen.

      »Ich möchte zu meinem Sohn«, sagt Stefanie nach einer kühlhöflichen Begrüßung fordernd, und Doktor Rauher bereitet es irgendwie eine Genugtuung, ganz als Arzt sprechen zu dürfen.

      »Es tut mir sehr leid, gnädige Frau. Aber Besuche sind augenblicklich nicht gestattet.«

      »Aber warum denn nicht?« funkelt sie den Arzt an. »Ich bin doch die Mutter.«

      »Gewiß, gnädige Frau.« Der Arzt verliert seine Ruhe nicht. »Sie könnten höchstens einen Blick durch die Tür werfen. Sprechen können Sie ihn sowieso nicht. Er hat Fieber und erkennt niemanden. Es genügt, wenn Ihr Gatte bei ihm ist.«

      »Mein – was?« Ihr ist, als habe sie einen Schlag empfangen. »Mein Mann ist bei ihm? Und mich wollen Sie nur durch den Türspalt sehen lassen. Ich bitte Sie –« Ihre Stimme überschlägt sich vor Empörung.

      »Es geht ihm nicht gut, und er braucht äußerste Ruhe. Verstehen Sie das nicht, gnädige Frau?«

      »Ich werde mich äußerst ruhig verhalten.« Auf einmal kann sie auch sanft sprechen.

      Sie fährt rasch herum. Christiane hat sie am Arm gezupft.

      »Laß uns doch nur durch die Tür sehen, Mama«, bittet sie mit ihren großen Kinderaugen. »Wenn der Herr Doktor doch meint –?«

      Ein kleines Lächeln schwingt um den ausdrucksvollen Mund des Arztes. Er geht voran und öffnet behutsam die Tür.

      Das Gesicht Lothars ist kaum zu erkennen, so verändert hat es sich, eingefallen und wächsern, daß ihr ein heißer Schreck zum Herzen zuckt.

      »Lothar, mein Junge«, flüstert sie und macht Anstalten, sich in den Raum zu stürzen. »Er stirbt, mein Gott, er stirbt.«

      Doktor Rauhers Hand hält sie eisern fest. »Er stirbt nicht, gnädige Frau.« Er drängt sie zur Seite, und lautlos zieht er die Tür ins Schloß.

      Unter Tränen sieht sie zu dem undurchdringlichen Gesicht des Arztes auf. Rudolf ist bei Lothar, und mich läßt man nicht zu ihm. Brüsk macht sie kehrt. »Kommt«, sagt sie kurz, und von den Zwillingen gefolgt, rauscht sie davon.

      Kopfschüttelnd sieht Doktor Rauher hinter ihr her, dann geht er in entgegengesetzter Richtung den Flur hinunter.

      Kurz danach steht er vor Cornelia Hermann. Er ist tief beeindruckt von der Schönheit des jungen Mädchens.

      »Man hat mich an Sie verwiesen, Herr Doktor«, hört er eine dunkle schwingende Stimme, die ihn gefangen nimmt. »Ich möchte so gern meinen Bruder Lothar Hermann sehen. Würden Sie es mir gestatten, Herr Doktor, bitte, nur einen kurzen Blick.«

      Merkwürdig, sinnt er, wie verschiedenartig die Kinder einer Mutter sind.

      »Bitte, Herr Doktor«, flüstert es vor ihm. Da hat er sich entschlossen.

      »Kommen Sie, Fräulein Hermann«, sagt er ruhig, und sie folgt ihm mit einem prüfenden Blick, der über seine hohe Gestalt im weißen Kittel läuft. Er hat gütige Augen. Ich glaube, seine Kranken können Vertrauen zu ihm haben, denkt sie, und dann steht sie in dem schmalen Zimmer.

      »Papa!« sagt sie leise, und Hermann ruckt empor, erkennt Cornelia mit den ängstlich aufgerissenen Augen und dem blassen Gesicht und strahlt. »Kind, du?«

      Wie selbstverständlich überläßt er ihr den Platz neben dem Bett und stellt sich neben sie.

      Cornelia preßt das Taschentuch fest an die Lippen. Wie verändert Lothar aussieht mit dem gänzlich verzerrten Mund, dem schmalgewordenen Gesicht, in dessen Züge der Schmerz tiefe Furchen gegraben hat.

      Oh, Lothar, denkt sie voll Erbarmen, wie mußt du leiden. Sie hebt den Kopf und begegnet des Vaters Augen. Er nickt ihr beruhigend zu.

      »Eben ist er eingeschlummert, Cornelia. Er trägt seine Schmerzen sehr tapfer. Lassen wir ihn schlafen. Komm!«

      Ganz sacht, ganz sanft streicht sie über die unverletzte Hand, die still auf der Decke ruht, und erhebt sich dann gehorsam.

      Draußen nimmt Hermann den Arm seiner Tochter und führt sie zu der weißen Bank.

      »Wird er leben?« fragt sie zitternd, und er nickt ihr zu.

      »Im Augenblick können wir nichts für Lothar tun«, spricht Hermann leise auf sie ein. »Er hat jede Minute Schlaf dringend nötig. Willst du mit mir kommen, Kind?«

      »Ja!«

      Arm in Arm gehen sie, der Mann mit den breiten Schultern und das junge Mädchen mit der grazilen Gestalt.

      Wieder läuft ihnen Doktor Rauher in den Weg, diesmal absichtlich. Er muß dieses schöne blasse Geschöpf noch einmal sehen.

      »Vielen Dank, Herr Doktor«, sagt sie und streckt ihm die Hand entgegen, die wie etwas Kostbares von ihm aufgenommen wird.

      »Sie dürfen jederzeit wiederkommen, Fräulein Hermann«, spricht er, und dabei lächeln seine Augen.

      »Werden Sie mich anrufen, wenn sich etwas ändern sollte?« fragt Rudolf Hermann, und der Arzt neigt zustimmend den Kopf.

      »Selbstverständlich, Herr Hermann.« Dr. Rauher lächelt. Es ist sehr einnehmend, dieses Lächeln, und es nimmt auch Cornelia gefangen. Sie atmet auf, als er hinzusetzt: »Ich bin überzeugt, daß ich Sie deshalb nicht anzurufen brauche.«

      Draußen, im strahlenden Sonnenschein, trocknet Cornelia sich hastig die Tränen ab. Immer noch geht sie am Arm ihres Vaters, und sie fühlt sich geborgen wie noch nie, seit sie erwachsen ist.

      »Wohin?« fragt Rudolf Hermann, und Cornelia zuckt ein wenig. »Ich habe jetzt so viel Zeit, Kind. Wollen wir einmal zusammen eine Tasse Kaffee trinken.«

      »Gern, Papa!«

      Heimlich forscht sie von der Seite in seinen Zügen. Sie sucht nach Bitterkeit darin, aber er macht einen zufriedenen Eindruck.

      Sie sitzen unter einem Sonnenschirm, und der Strom der Passanten fließt an ihnen vorüber. Sie lehnen sich tief in ihre Sessel zurück und lassen sich Mokka servieren.

      Tiefernst sieht er seine Tochter an. »Ich habe alles falsch gemacht, Kind. Nun ist es zu spät.«

      »Niemals kann es zu spät sein!«

      Er schüttelt den Kopf. »Liebes Kind, ich möchte dir in dieser ruhigen Stunde so viel sagen. Aber wie könnte ich dir gegenüber deine Mutter anklagen? Ich bin trotz allem so glücklich wie selten in meinem Leben.«

      Plötzlich fällt ein Schatten über ihren Tisch. Rasch zieht Cornelia ihre Hand weg.

      »Es ist reiner Zufall, daß ich hier vorüberging«, sagt ein hochgewachsener dunkelhaariger Mann, der den Hut in der Hand trägt und sich ehrerbietig vor ihr und dann vor ihrem Vater verneigt. »Darf ich Ihnen einen guten Tag wünschen?«

      »Meine Tochter«, sagt Hermann stolz und weist auf den freien Stuhl. Und an Cornelia gewandt: »Das ist Stefan Rietberg, der mein Unternehmen weiterführen wird.«

      Cornelias eben noch aufgeschlossene Züge werden herb und abweisend. Aus ihren hellen Augen spricht Feindseligkeit. Stefan Rietberg nimmt es sofort wahr. Er läßt sich neben Hermann nieder und sieht gedankenvoll vor sich hin.

      »Konnten Sie meinem Vater nicht helfen?« platzt Cornelia atemlos heraus. Rudolf Hermann macht eine beschwichtigende Bewegung, und Rietberg antwortet mit einem beinahe traurig zu nennenden Lächeln.

      »Ich bin der einzige, zu dem Ihr