Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman. Karin Bucha

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Название Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman
Автор произведения Karin Bucha
Жанр Языкознание
Серия Karin Bucha Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740930271



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Zeitschriften liegen unbeachtet in ihrem Schoß. Seltsam, sie ist ihm auch für die kleinste Aufmerksamkeit sehr dankbar. Von anderen würde sie sie als selbstverständlich hinnehmen.

      Martens sucht Amelies zartes Profil, das feine Näschen, die blaßroten schöngeschwungenen Mund und die wirren schwarzen Locken. Die Hände hat sie auf die Zeitschriften gelegt. Es sind edelgeformte, lange, schmale Hände.

      Er hatte schon öfter Gelegenheit, sie zu bewundern. Er legt viel Wert auf ausdrucksvolle Hände, und Amelies Hände sind sehr ausdrucksvoll.

      Später teilen sich die Wolken, und Amelie hat viel zu bestaunen. Als Martens das Wort an sie richtet, fährt sie zusammen.

      »Übrigens, Amelie, ich habe deinen Vortrag gelesen.« Dabei blättert er in den Aufzeichnungen. »Er ist gut, sehr gut sogar. Du wirst ihn halten und Erfolg haben. Offen gestanden, ich bin erstaunt über deine Kenntnisse auf diesem Gebiet.«

      »Ich habe mich viel damit befaßt und in Peru Gelegenheit gehabt, diese Kenntnisse praktisch zu verwerten.«

      Sie nimmt ihre Arbeit aus seinen Händen und bringt sie in ihrer Kollegmappe unter. Sein Urteil kommt einem Lob gleich, und es macht sie glücklich.

      Also wird sie den Vortrag halten. Onkel Matthias wird schon dafür sorgen, nachdem sein Interesse geweckt ist.

      Viel zu schnell geht der Flug zu Ende.

      Martens, der seine Ankunft telegrafisch mitgeteilt hat, wird von einem Wagen erwartet. Amelie und auch der Professor sprechen gut Französisch.

      Schnell bringt der Wagen sie zum Hotel, in dem alle Ärzte, die an dem Kongreß teilnehmen, Wohnung genommen haben.

      Während Martens den Meldezettel ausfüllt, steht Amelie abwartend neben ihm.

      Sie sieht sich indessen in der geräumigen Halle um. Plötzlich stößt sie einen Freudenschrei aus und stürzt förmlich vorwärts. Bestürzt schiebt Martens den Meldeblock über den Tisch und blickt hinter Amelie her.

      Er sieht, wie sie einem kleinen, untersetzten Herrn mit reichem wehendem Haar fast um den Hals fällt.

      Sie kümmert sich nicht um die Gäste, die die Halle bevölkern. Sie lacht und weint und preßt dem Mann, dem sie mit diesem Jubellaut entgegengelaufen ist, beide Hände.

      »Professor Kelly, lieber Professor!« Immer wieder nennt sie seinen Namen.

      »Amelie, Kind! Wie kommst du hierher?« Professor Kelly nimmt ihren Arm, geleitet sie zu einem Tisch und drückt sie in den großen Sessel, in dem sie beinahe verschwindet. Er setzt sich neben sie und hält ihre Hand. »Nein, Kind, so eine Freude! Ich kann es noch gar nicht fassen. Warum hast du nie geschrieben?«

      Seine Güte macht sie noch fassungsloser, als sie bei seinem Anblick ohnehin schon geworden ist.

      »Ich – ich hatte so wenig Zeit, Herr Professor«, stammelt sie und zwingt sich zur Ruhe. Sie strahlt ihn voller Freude an. »Ich arbeite in einem Krankenhaus, das mein Onkel, Professor Martens, leitet.«

      Amelie weist auf die hohe Männergestalt und flüstert: »Das ist er.«

      »Ist das nicht der berühmte Herzspezialist?« erkundigt sich Kelly und wirft einen Blick in die Richtung, wo Martens steht. »Wollen wir einen Aperitif trinken?« schlägt er vor und winkt dem gerade vorbeigehenden Kellner zu, um seine Bestellung aufzugeben. »Vielleicht bitten wir deinen Onkel dazu?«

      »Sehr gern.« Sofort steht sie auf und läuft zu Martens. Sie ist ganz aufgeregt.

      »Onkel Matthias, bitte, komm mit, ich möchte dir Professor Kelly vorstellen. Er ist aus Peru gekommen. Ich freue mich ja so.«

      »Ich komme«, erwidert er und geht neben Amelie zu dem Tisch. Kelly und Martens machen sich bekannt. Sie finden gleich Gefallen aneinander. Dann sitzen sie beim Aperitif, und die Unterhaltung reißt nicht ab.

      Schließlich wendet sich Martens an Amelie, die ein ganz verklärtes Gesicht hat. Kelly stellt ein Stück Heimat für sie dar. Sie kann sich vor Freude kaum fassen. Martens bemerkt es mit Betrübnis. Also hat sie sich bei ihm nicht wohl gefühlt?

      »Wollen wir nicht erst unsere Zimmer beziehen? Das Gepäck habe ich bereits nach oben befördern lassen.«

      »Ja, natürlich, verzeih. Daran habe ich noch gar nicht gedacht.«

      Sie verabschieden sich von Kelly. Das Abendessen wollen sie gemeinsam einnehmen. Kelly hat noch eine dringende Angelegenheit zu erledigen.

      Als Amelie in ihrem Zimmer ist, elegant, mit Blick auf den Boulevard, bleibt sie nachdenklich stehen. Kelly ist da, Kelly, der es immer so gut mit ihr gemeint hat und von dem sie sehr viel gelernt hat. Sie weiß, die Tage werden sehr interessant werden.

      Warum nur strömt von ihrem Onkel nicht diese väterliche Güte aus? Ach, nie wird sie sich in ihm auskennen!

      Sie beginnt ihren Koffer auszupacken und die Toilettensachen im anschließenden Bad unterzubringen. Auf einmal ist sie nicht mehr bedrückt. Alles, was gewesen ist, scheint von ihr abgefallen.

      Gerade will sie in die Wanne steigen, als das Telefon schellt.

      Sie wirft den leichten Hausmantel über und hebt den Hörer ab. Martens’ sonore Stimme tönt ihr entgegen.

      »Ist es dir recht, wenn wir in einer halben Stunde essen?«

      »Im Speisesaal? Ich komme natürlich«, erwidert sie.

      »Sei pünktlich, Amelie«, mahnt er sie noch. »Wir wollen anschließend ein wenig durch Paris bummeln.«

      »Ich werde pünktlich sein.« Damit hängt sie ein. Sie ist verwirrt. Onkel Matthias und ein Bummel durch Paris? Eine reine Freude wird es in seiner Gesellschaft nicht werden…

      Sie ist jedoch angenehm überrascht. Auch Martens scheint alles von sich abgeschüttelt zu haben, was mit seinem Beruf zusammenhängt. Er sieht elegant aus, als er sie in der Halle in Empfang nimmt, und bei Tisch ist er gelöst wie selten. »Am besten, wir nehmen jetzt ein Taxi«, sagt er, nachdem sie die Mahlzeit beendet haben. Er muß sich beherrschen, Amelie kein Kompliment über ihr Aussehen zu machen. Sie sieht bezaubernd aus. Oder macht es die Pariser Luft? Ach, Amelie hat ihn auch im Krankenhaus bezaubert.

      Wieder empfindet er die Liebe zu ihr besonders quälend. Einmal nur, ein einziges Mal, möchte er ihr von seiner Liebe sprechen, sie im Arm halten und sie küssen, ja, sie küssen.

      Keiner, am wenigsten Amelie, ahnt etwas von seinen Gefühlen. Er ist immer beherrscht.

      Und dann sitzen sie in einem der vielen Kaffee-Häuser von Paris.

      Aus großen Augen sieht sich Amelie um. Es ist ein Café wie jedes andere, und doch ganz anders. Das muß an der Stimmung liegen, die hier herrscht. Paris ist doch wohl die Stadt der Lebensfreude, stellt sie fest, und sie ist gewillt, sich ein Zipfelchen davon zu stehlen.

      Der Kaffee ist ausgezeichnet, und der Aperitif, den Martens noch kommen läßt, schmeckt ihr auch. Ihre Augen glänzen, und Martens hat Mühe, sie nicht immerzu anzustarren.

      Sie ist das schönste Mädchen in diesem Raum, stellt er bei sich fest, und sein Herz krampft sich zusammen. Warum spricht sie nicht von Dr. Berthold, den sie liebt?

      Mit zwiespältigen Gefühlen sitzt er ihr gegenüber. Er darf nicht von seiner Liebe zu ihr sprechen, denn da ist dieser Dr. Berthold, der, wie Martens glaubt, ein Recht auf Amelie hat.

      Ach, einmal alles vergessen und nichts als ein liebender Mann sein! Aber alles scheint sich gegen ihn zu stellen. Doch zumindest kann er ihr diese Tage so schön wie möglich gestalten.

      Von der Seite beobachtet sie ihn. Keiner kann sich mit ihm messen, denkt sie.

      Er sieht wunderbar aus, und wenn sie es recht überlegt, ist er wie verwandelt. Nichts mehr von Unnahbarkeit, nichts Verschlossenes. Er zeigt sich hier von einer Seite, die sie noch nicht an ihm kennengelernt hat.

      Was mag es aber nur sein, das ihn so ruhelos macht?

      »Wollen