Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman. Karin Bucha

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Название Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman
Автор произведения Karin Bucha
Жанр Языкознание
Серия Karin Bucha Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740930271



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mich?« Hermann ist beunruhigt, und seine Blicke tasten das verhärmte Gesicht seines Sohnes ab. Was ist aus dem einst kraftstrotzenden, übermütigen jungen Mann geworden?

      »Ja, an dich, Vater«, wiederholt Lothar geduldig, so wie er die ganze Zeit als Patient war. Seine Duldsamkeit grenzt schon fast an Resignation. So klingt auch seine Stimme, hoffnungslos, von Trauer beschattet. »Nie werde ich arbeiten können wie du, Vater. Ich werde ein Krüppel bleiben.« Und dann bricht es förmlich aus ihm heraus, wie Hermann ihn noch nicht erlebt hat. Die Worte überstürzen sich förmlich. »Ja, ein Krüppel, Vater. Du ahnst ja nicht, wie ich mich mit diesen verdammten Krücken abgeplagt habe. Ich wollte es erzwingen, es geht nicht. Ich hatte mir in den langen Nachtstunden, die ich hier wachgelegen habe, geschworen, dir fortan eine Hilfe zu sein. Ich wollte dir auf deinen Bauten helfen und wenn ich als gewöhnlicher Arbeiter beginnen sollte. Das alles kann ich nicht, denn nie wieder werde ich gehen können. Ich werde mich durch das Leben schleppen – bis es zu Ende ist. Hoffentlich geht es einmal rasch zu Ende.«

      Vor Erschöpfung stehen Lothar die Schweißperlen auf der Stirn. Hermann holt sein Taschentuch hervor und tupft ihm die Stirn trocken. »Soso, Lothar, solche Gedanken hast du dir über dein weiteres Leben gemacht?«

      Das klingt heiter, und seine Bewegung ist sanft.

      »Ich freue mich sehr darüber, Lothar. Und du wirst auch alles das tun dürfen, was du dir vorgenommen hast.«

      Lothar reißt im ungläubigen Staunen die Augen auf. »Willst du mich verspotten, Vater? Du weißt doch selbst, was mit mir los ist.«

      Hermann legt seine Hand auf die zuckenden Finger seines Sohnes.

      »Ich weiß, daß du sehr viel Schmerzen durchlitten hast, daß du sie tapfer ertragen hast, daß du viel über dein vergangenes Leben nachdenkst. Ach, Junge, ich weiß soviel. Ich weiß aber auch, daß du wieder völlig gesund werden wirst, daß du wieder wie jeder andere Mensch laufen, sogar springen lernen wirst. Kein Daherhumpeln, sondern aufrecht und ohne Schmerzen –«

      »Vater!« Das klingt wie ein Aufschrei, und er scheint aus tiefstem Herzen zu kommen.

      »Ja, Lothar, ich belüge dich nicht, nicht aus Barmherzigkeit. Ich könnte dich jetzt gar nicht belügen, auch nicht aus Mitleid. Du wirst morgen gegen elf Uhr zu Professor Steinert gebracht, und ich selbst begleite dich. Dort wirst du eine Spezialbehandlung durchmachen, für deren vollen Erfolg man mir garantiert. Was sagst du nun?«

      In die blassen Wangen steigt die Röte der Erregung. »Vater, ist das wirklich und wahrhaftig so?«

      Prüfend ruht Lothars Blick auf den bekümmerten Zügen seines Vaters.

      Hermann kaut unschlüssig an der Unterlippe. Jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, den bisher noch ahnungslosen Lothar in die umwälzenden Ereignisse einzuweihen. Ja, er wird es tun. Lothar ist stark genug. Er wendet sich wieder ins Zimmer und nimmt seinen Platz neben Lothar ein.

      »Bisher habe ich dich schonen wollen, Lothar«, beginnt er behutsam, »ich hielt dich nicht für stark genug. Doch jetzt sollst du es wissen. Ich habe mich von deiner Mutter getrennt. Hier an deinem Krankenbett, als ich dich so hilflos deinen Schmerzen preisgegeben sah, nicht als ein jammervolles Menschenbündel, da bin ich zu der Erkenntnis gekommen, daß ich einen falschen Weg gegangen bin. Den Weg der Bequemlichkeit –«

      »Das kann man nicht sagen, Vater. Du hast es dir bestimmt nicht bequem gemacht, dein Leben.«

      »Doch, Junge«, fährt Hermann unbeirrt fort. »Ich habe es mir insofern bequem gemacht, weil ich die Auseinandersetzungen mit deiner Mutter leid war. Es war mir zu unbequem, mich täglich um alle möglichen und unwichtigen Dinge zu streiten. Aus purer Bequemlichkeit habe ich deiner Mutter eure Erziehung völlig in die Hand gegeben. Ich sah, wohin sie führen mußte. Deine Mutter hat die Villa und das Geld, das sie mit in die Ehe brachte und wodurch ich mein Unternehmen vergrößern konnte. Die Zwillinge sind bei ihr geblieben. Cornelia hat sich für mich entschieden. Wir leben in einer kleinen netten Wohnung zusammen.«

      Und weiter spricht er, daß er das große Projekt hat an Stefan Rietberg übergeben müssen, da seine Mutter ihm das Geld verweigerte, aus sinnlosen Gründen. Er spricht von seinem geschäftlichen Zusammenbruch und daß er aus den kärglichen Resten wieder neu begonnen hat.

      »Ich werde es wieder schaffen«, vollendet er zuversichtlich. »Du brauchst dich nicht zu sorgen. Du sollst nur gesund werden. Nur an dich denken, Junge. Und dann, wenn du soweit bist, dann sprechen wir über deine weitere Zukunft. Willst du mir versprechen, allen Willen einzusetzen, um ganz gesund zu werden und dir nicht das Hirn mit irgendwelchen Vorwürfen zermartern?«

      »Vater«, stößt er tiefbewegt hervor. »Auch ich halte zu dir und gehe mit dir, wohin du willst.«

      Sein Kopf sinkt zur Seite. Er schluchzt wie ein kleines Kind, und Hermann hat Mühe, ihn zu beruhigen. Schon macht er sich Vorwürfe, gesprochen zu haben, als Lothar sich entschlossen aufrichtet.

      »Verzeih, Vater, ich bin ein Schwächling. Aber ich habe wohl im Unterbewußtsein das alles geahnt. Die Wahrheit hat mich überwältigt. Du hast den richtigen Weg gewählt. Ich glaube fest an dich.«

      Wortlos drückt Hermann die eiskalten Finger seines Sohnes.

      »Und woher nimmst du das Geld für meine Kur bei Professor Steinert?« forscht er nach einer langen Pause.

      »Ich habe noch einen Notgroschen gerettet, Kind. Der wird damit gut angelegt. Und nun Kopf hoch, keine Grübeleien mehr.«

      »Das verspreche ich dir feierlich«, sagt Lothar, und seine Augen leuchten von innen heraus.

      Beschwingt, als sei eine Zentnerlast von ihm genommen, verläßt Hermann seinen Sohn und das Krankenhaus. Er findet Cornelia merkwürdig erregt vor.

      Während des Essens wirft er immer wieder einen Blick auf sie. Sie hat etwas auf dem Herzen. Was mag es wohl sein? – denkt er. Sie wird es mir sagen, wenn sie Vertrauen hat.

      Nachdem der Tisch abgeräumt ist, die Stehlampe ihren warmen Schein verbreitet und Hermann mit Genuß seine Zigarre raucht, setzt Cornelia sich plötzlich zu ihm.

      »Stefan Rietberg war hier«, erzählt sie ihm, und dann folgt die Unterredung, die sie mit dem Bauunternehmer geführt hat.

      Zunächst ist Hermann betroffen. Jetzt, da er sich aller Barmittel entblößt hat, wird ihm eine neue Chance geboten? Aber sofort weist er diesen Gedanken von sich. Es war unumgänglich nötig.

      Nach kurzem Nachdenken antwortet er: »Das wird kaum möglich sein, Kind, denn ich habe den Rest meines Geldes für Lothar hingegeben. Er fährt morgen früh zu Professor Steinert in dessen Sanatorium zur Spezialbehandlung.«

      Erregt rückt Cornelia näher. »Lothar wird wegfahren?«

      »Ja – und er wird wieder ganz gesund werden.«

      »Wie schön, Papa.« Cornelias Augen leuchten, und sie legt den Arm um Hermanns Schulter. »Das ist eine große Freude. Aber das hat mit Geld gar nichts zu tun«, erklärt sie eifrig. »Du wirst Kredit bekommen, denke an Tante Augustes Schmuck. Du darfst einfach nicht nein sagen, Papa, um deinetwillen nicht. An mich und Lothar darfst du dabei überhaupt nicht denken. Paß auf, du bekommst das Geld.«

      Er schüttelte über ihren Eifer den Kopf. »Kind, Kind«, mahnt er.

      »Ich glaube fest daran. Stefan Rietberg ist so zuverlässig –«

      »Woher willst du das wissen?«

      Sie begegnet offen seinem Blick. »Ich weiß das, weil er dir gleicht.«

      *

      Christian trifft seine Mutter, als sie sich eben anschicken will, die Villa zu verlassen, um ihren täglichen Krankenbesuch bei Lothar anzutreten. Nervös sieht sie auf die Uhr.

      »Beeil dich, Christian«, sagt sie ungeduldig. »Ich habe noch ein paar Besorgungen zu machen und will zu Lothar. Er hat mir in letzter Zeit nicht recht gefallen. Er ist so abweisend gegen mich. Was er nur haben mag?«

      Christian schluckt ein