Название | Menschen, die die Welt bewegen |
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Автор произведения | Nicola Vollkommer |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783417227390 |
Und schon waren sie im Thema drin. Dass sie ohne Scheu über Sex redete, damit konnte die Schwester bei jedem Anlass sofort punkten. Vom Zölibat schwenkte Schwester Teresa zur Pille, ihrem eigenen Leben und schließlich zur üblichen Endstation: dem Leben ihrer Gesprächspartner, ihren Problemen und Nöten. Sich einer Frau zu öffnen, die solch eine Herzlichkeit ausstrahlte und diese mit einem authentischen Interesse verband, fiel den meisten nicht schwer.
„Jammerschade, gleich müssen wir aussteigen“, sagte eine der jungen Frauen mit Reue in der Stimme. „Würden Sie uns zeigen, wie Sie Stepptanz machen?“, fügte die andere hinzu. Ein vorgeführter Stepptanz in schwarz-weiß und das Versprechen, in Verbindung zu bleiben – und das Gespräch war beendet.
Was Schwester Teresa nicht wusste, war, dass eine der beiden Frauen beim Fernsehen arbeitete. So öffnete sich für die Dienerin Gottes eine Tür zu einer breiten Öffentlichkeit – direkt ins Herz der Medienwelt. Es fing mit einem Auftritt bei der Talkshow „Schreinemakers Live“ an, bei dem sie als „ein ganz gelungener Ableger vom Bodenpersonal Gottes“ vorgestellt wurde. Fünf Millionen Zuschauer wurden Zeugen ihres Stepptanzes, einer Skateboardvorführung und ihrer Standarderklärung dazu, die lautete: „Für Gott tue ich alles.“ Ihr Ruf als „skateboard fahrende Nonne“ war damit besiegelt und bot brisanten Stoff für säkulare Schlagzeilen. Zeitschriften rissen sich darum, ihre Titelseiten mit dem Bild der sportlichen Nonne zu schmücken. Eine Schleuse hatte sich geöffnet. Sie erschien auf einem Zeitschriftencover in den USA und in einer renommierten Boulevardzeitung in England – auf einer Seite neben Prinz Charles. Es gab sie zum Ausschneiden im Schnippelheft. Arabella Kiesbauer wollte sie als Gesprächspartnerin zum Thema Sex in Pro 7. Das ARD Mittagsmagazin und die Bildzeitung folgten, später noch Jörg Pilawa.
„Ansteckungsgefahr Gottes“
Darf sich ein Christ auf den öffentlichen Bühnen dieser Welt einen Namen machen? Schwester Teresa war nicht naiv. Sie war sich vor allem bewusst, dass fast alles, was über Kirche in den Medien läuft, gerne zu einer Lachnummer gemacht wird. Aber die Botschaft der Barmherzigkeit Gottes und ihr inneres Drängen, seine Liebe bekannt zu machen, waren stärker als jede Angst vor möglichen negativen Konsequenzen. Das Anliegen, Kirchenfernen zu erzählen, dass Kirche auch heute gerade für sie etwas zu bieten hat, war stärker als die Befürchtung, dass Mitchristen sie als selbstdarstellerisch und eigensüchtig wahrnehmen könnten.
„Manchmal wäre ich lieber zu Fuß gegangen“, beteuerte sie einmal, als der Moderator einer Talkshow sie schmunzelnd auf ihr Skateboard hin ansprach. „Aber Gott hat nichts mit toten Sachen und toten Leuten zu tun, er hat nichts zu schaffen mit Muff und Staub und frömmelnder Gestelztheit. Er ist Lust und Tanz, Bewegung und Musik.“
Die Sportlerin aus Leidenschaft, die als junge Frau immer auf der Gewinnerseite des Lebens stand, hatte sich nun auch öffentlich auf die Seite der Hungernden und Dürstenden, der Suchenden und Verlorenen geschlagen. Aber auch auf die Seite derer, denen es äußerlich gut ging, die aber noch nicht wussten, wie verloren sie ohne Gott waren. Und wie unendlich wertvoll sie in seinen Augen waren. Inzwischen suchten auch gut betuchte Geschäftsführer und Unternehmer ihren Rat, luden sie zu ihren Podiumsdiskussionen ein. Das Ausüben der Barmherzigkeit: die Marktlücke schlechthin, die eine träge gewordene Kirche nicht mehr ausfüllte. „Wir brauchen mehr Treue zu den Gescheiterten!“, behauptete sie vehement in ihren Interviews. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes eine Sportlerin im Dienst des Evangeliums geworden.
„Ansteckungsgefahr Gottes!“ lautete der Titel des Rockmusicals, das Schwester Teresa für den Katholikentag 1994 in Dresden komponiert hatte und war so etwas wie ihr Lebensslogan geworden. In der jungen Generation fand sie ihr dankbarstes Publikum. Denn dieses Musical – und auch weitere, die folgten – war die perfekte Kulisse dafür, Kinder für die Liebe Jesu zu begeistern und sie zu befähigen, selber Botschafter dieser Liebe zu werden. Auch kirchenferne Jugendliche wurden eingespannt und sollten nicht nur das Gefühl bekommen, kleine Superstars zu sein, sondern eine Kirche erleben, in der man aufatmen konnte, anstatt den Atem verkrampft anhalten zu müssen. Kindergottesdienste mit dem vielsagenden Namen „Abenteuerland“ wurden gegründet. Der Traum ging nach und nach in Erfüllung: Ihre eigene froh machende Begegnung mit der Bergpredigt entwickelte sich zu einer Kultur, die sich erneuernd und beflügelnd auf ganze christliche Gemeinschaften auswirkte. Schwester Teresas Motto dazu: „Unsere Gottesdienste sollten zur schönsten Stunde in der Woche für die Kinder werden.“
Bewährungsprobe Barmherzigkeit
„Was, schon wieder ein anonymer Brief?“
Seit Tagen traute sich Schwester Teresa kaum noch ans Telefon. Dass nicht alle sich von ihrer Begeisterung anstecken lassen wollten, war sie längst gewohnt. Aber nach der Veröffentlichung ihres ersten Buches „Die kleine Nonne“ und der Gründung der „Kleinen Kommunität der Geschwister Jesu“ in Pegnitz 1994 bekam sie Anfeindungen und Widerstände jedoch eindeutig zu spüren. Nicht nur am Telefon.
„Ja, leider schon wieder ein anonymer Brief, Schwester.“
„Und was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht?“
„Nichts Bestimmtes. Pauschal. Wie immer.“
„Es wird wohl der übliche Grund sein“, seufzte Schwester Teresa. „Erstens bin ich eine Frau, zweitens eine dicke Frau und drittens eine erfolgreiche dicke Frau. Das ärgert immer irgendjemanden.“ Die einen ärgerten sich über ihre unkonventionelle Art, das Evangelium unter das Volk zu bringen, die anderen über die Kontakte, die sie zu andersdenkenden Christen pflegte. Manche wiederum missbilligten ihre Freundschaft zu profilierten, alles andere als kirchlich angehauchten Talkshow-Damen wie Margarethe Schreinemakers.„Intrigen, Gerüchte, Spaltungen, Eifersüchteleien, Bespitzelungen, Konkurrenz – und Machtkämpfe um Profil und Prominenz. Geht unsere Kirche an ihren Christen zugrunde?“, klagte sie verzweifelt.
Am Anfang ihres Lebens als Christ hatte sie das Geheimnis der Seligpreisungen mitten in einem Basketballspiel entdeckt und eine große Freude dabei empfunden. Jetzt schloss sich auf einmal der Kreis. Die Geschichte mit der Wange holte sie wieder ein – aber dieses Mal im Großformat. Die „Feinde“, denen sie die Wange hinhalten sollte, waren hauseigene Glaubensgeschwister. Das war hart. „Wir wehren uns nicht, wir rächen uns mit Liebe“, sagte sie ihren Mitarbeitern mit Nachdruck. „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen. In Matthäus 5,44 steht es. Da gibt es, liebe Freunde, nichts zu diskutieren. Hass vergiftet den Hassenden, nicht den Gehassten.“
Die tapferen Worte täuschten über durchwachte Nächte hinweg, in denen sie viele Tränen geweint und zu Gott um Hilfe geschrien hatte. Gottes Antwort drehte sich immer um die biblische Variante der „Rache“. Hass nicht mit Hass begegnen, sondern mit einer neuen Offensive der Liebe. Erst recht in die Welt hinausgehen. Schwester Teresas Aufforderungen an ihre Mitchristen blieben nicht bei der Theorie: „Versuchen wir doch einmal, die Menschen, die uns heute begegnen, bewusster wahrzunehmen und keinen an uns vorbeigehen zu lassen, ohne ihm durch einen warmen Blick, eine freundliche Geste oder durch ein Wort Aufmerksamkeit zu schenken.“ Einfache Prinzipien des Reiches Gottes, gelernt und beherzigt – nicht in theologischen Seminaren, sondern in der Hitze des alltäglichen Gefechts.
Die Rechnung ging auf. Die Anfeindungen blieben ein Phänomen der Anfangszeit in Pegnitz und ließen nach. Stattdessen entstanden Festivals, sie erhielt Einladungen aus ganz Deutschland zu Vorträgen, Musicalaufführungen, Fernsehauftritten, bekam Preise und veröffentliche Bücher, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden: Schwester Teresa erlangte eine Beliebtheit, von der die meisten Kirchenfunktionäre nur träumen können. Nicht weil sie diese suchte, sondern weil sie einem Herrn diente, der „den Demütigen Gnade schenkt“ (Jakobus 4,6).
Nicht jeder kann oder soll eine Schwester Teresa werden. Aber von ihr lernen