Название | Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde |
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Автор произведения | Klabund |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
Wie ein Sturmwind braust Johann Christian Günther (aus Striegau, 1695–1723), der Götterbote einer neuen Zeit, in die deutsche Dichtung. Er schmiedete ihr die Waffen, mit denen sie später unter Goethe den himmlischen Sieg erfechten sollte. Was wäre der Sturm und Drang ohne Günther? Was Goethe ohne Günther geworden? Er war sein Vorläufer, sein Johannes, der ihm die Wege bereitete. Wie in Frankreich der Vagant François Villon, so steht in Deutschland der ahasverische Wanderer Johann Christian Günther, Student und Vagabund, der Unstete, der Schweifende, am Anfang der neuen Dichtung. Nur wer den Mut zu Ab- und Seitenwegen hat, der wird auch neue Wege finden. Darum sind alle diese Pfadfinder von schwankender Menschlichkeit und durchweg, wenn auch nicht immoralisch, so doch amoralisch gerichtet. Sie sind verdammt, Lasten und Laster einer Generation vorweg zu nehmen und zu schleppen, die nach ihnen kommt. Diese hat ihre Freiheit der Unfreiheit, ihre schwebende Leichtigkeit der stampfenden Schwere jener zu danken. Jene sind wie Stiere, diese wie Sonnenadler. Der junge Goethe als Student in Leipzig: das ist eine wörtliche Neuauflage des jungen Günther. Der nie ein alter Günther werden sollte, denn er starb im 28. Jahre an einem Blutsturz. Diesen Blutsturz erlebte auch Goethe in Leipzig: aber er überstand ihn und ging gekräftigt aus der Krise hervor. Günther hatte sein Blut verströmt. Sein junges Leben und Dichten ist ein Verbrennen und Verbluten. Er ist der erste Dichter, der sich bewußt außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft stellt, und der dadurch jenen latenten Konflikt mit seinem starrköpfigen Vater heraufbeschwor, der nicht wenig zu seiner Erbitterung und Verbitterung und zu seinem vorzeitigen Zusammenbruch beigetragen hat. Gar so leicht wurde es dem Kinde nicht, von selbst gehen zu lernen in einer Welt, die sich ihm feindlich gegenüberstellte, und die Ablösung von der Nabelschnur, die ihn in den Eltern mit dem Bürgertum verband, geschah nicht ohne Krämpfe und Schmerzen. Er hatte Feinde »ringsum«. Seine wilde Leier wünschten Tausende ins Feuer, »denn sie rasselt allzuscharf«. Wie ein von allen gemiedener räudiger Hund lief er durch Deutschlands Straßen. Da übermannte ihn die Verzweiflung, daß er zu sterben wünschte, weil Leonore selbst ihn verlassen. Aber er reißt sich wieder empor, die Tränen versiegen, die Faust ballt sich:
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