Название | Der Page des Herzogs von Savoyen |
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Автор произведения | Александр Дюма |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
Einen Augenblick stand er unbeweglich vor diesem großen Schmerze, und er wußte nicht, wo er ihn berühren sollte, denn Carl V. liebte seine Mutter über Alles.
»Kaiserliche Majestät,« sagte er endlich, »erinnere Dich was Du mir sagtest, als auch ich vor zwei Jahren das Unglück hatte meinen Vater zu verlieren.«
»Ja, ja, man spricht so,« entgegnete der Kaisers »man findet Gründe Andere zu trösten; wenn dann die Reihe an uns selbst kommt, vermögen wir uns selbst nicht zu trösten.«
»Ich tröste Dich auch nicht, Majestät,« sagte Emanuel, »im Gegentheil, ich sage: weine, weine, denn Du bist auch nur ein Mensch.«
»Welch schmerzenreiches Leben hat sie gelebt, Emanuel!« fuhr Carl V. fort. »Im Jahre 1496 vermählte sie sich mit meinem Vater, Philipp dem Schönen; sie liebte ihn über Alles. Im Jahre 1506 starb er, vergiftet durch ein Glas Wasser, das er beim Ballspiel trank, und sie wurde geisteskrank vor Schmerz. Seit fünfzig Jahren wartete sie auf das Wiederauferstehen ihres Gatten, das ihr ein Mönch zu ihrem Troste versprochen hatte, und seit fünfzig Jahren hatte sie Tordesillas nicht verlassen, außer als sie, 1517, mir nach Villaviciosa entgegenkam und mir selbst die spanische Krone aufsetzte. Obwohl sie geisteskrank war aus Liebe zu ihrem Gatten, fand sie doch den Verstand wieder, wenn sie sich mit mir, ihrem Sohne, beschäftigte. Die arme Mutter! Meine Achtung gegen sie wird aber meine ganze Regierung bezeugen. Seit vierzig Jahren ist in Spanien nichts Wichtiges geschehen, ohne daß man ihren Rath gehört hat; freilich konnte sie ihn nicht immer geben, aber es war meine Pflicht, sie darum anzugehen. Weißt Du, daß sie, obgleich Spanierin, nach Flandern kam, um da von mir entbunden zu werden, damit ich einst an der Stelle Maximilians Kaiser werden könne? Weißt Du, daß sie trotz ihrer Mutterliebe es aufgab, mich selbst zu nähren, damit man mir nicht nachsage, ich sey zu sehr Spanier, weil ich ihre Milch getrunken! Und in der That waren die beiden Hauptgründe, denen ich die Kaiserkrone verdankte, die, daß ich von Anna Sterel gestillt worden und Bürger von Gent war. Siehst Du, schon vor meiner Geburt hatte meine Mutter für alles das gesorgt. Was kann ich für sie nach ihrem Tode thun? Ein prächtiges Begräbniß ihr geben, und das soll sie haben. Ach, Kaiser von Deutschland, König von Spanien, Neapel, Sicilien und den beiden Indien zu seyn, ein Reich zu besitzen, in welchem die Sonne nie untergeht, wie meine Schmeichler sagen, und der verstorbenen Mutter doch nichts gewähren zu können als ein pomphaftes Leichenbegräbniß! Emanuel, die Macht auch des mächtigsten Menschen ist doch sehr beschränkt!«
In diesem Augenblicke öffnete sich die Zeltthür vom neuem und in der Oeffnung erblickte man einen staubbedeckten Offizier, welcher ebenfalls eilige Nachrichten zu bringen schien.
Der Ausdruck des Gesichtes des Kaisers war so schmerzlich, daß der Diener, welcher der Dringlichkeit der Nachrichten wegen es über sich genommen hatte, gegen die erhaltenen Befehle zu handeln und zu dem Kaiser einzutreten, verwundert und bestürzt stehen blieb.
Aber Carl V. hatte den staubbedeckten Offizier gesehen.
»Tretet ein,« redete er ihn deutsch an, »was gibt es?«
»Kaiserliche Majestät,« sagte der Offizier nach einer Verbeugung, »der König Heinrich II. ist mit drei Heerhaufen ins Feld gerückt; der erste steht unter ihm selbst und dem Connétable Montmorency, der zweite unter dem Marschall St. André und der dritte unter dem Herzog von Nevers.«
»Nun und…?« fragte der Kaiser.
»Der König von Frankreich hat Marienburg belagert und genommen und rückt jetzt gegen Bouvines.«
»Wann hat er Marienburg belagert?« fragte Carl V.
»Am 13. April, Sire.«
Carl V. wendete sich an Emanuel Philibert und fragte diesen französisch:
»Was sagst Du zu diesem Tage?«
»Es ist in der That seltsam,« antwortete dieser.
»Schon gut,« sagte der Kaiser zu dem Boten, »geht.«
Zudem Diener aber setzte er hinzu: »Man sorge für den Capitän, als wenn er dem Kaiser eine gute Nachricht überbracht hätte.«
Diesmal wartete Emanuel Philibert nicht bis der Kaiser ihn fragte. Ehe noch der Thürvorhang niedergefallen war, nahm er das Wort und sagte:
»Wenn wir auch, kaiserliche Majestät, gegen die Wahl Pauls IV. und gegen den Tod Eurer vielgeliebten Mutter nichts thun können, so vermögen wir doch gegen die Einnahme von Marienburg etwas zu unternehmen.«
»Was vermögen wir?«
»Es wieder zu nehmen.«
»Ja Du kannst es, Emanuel, ich nicht.«
»Ihr nicht?« fragte der Fürst von Piemont.
Carl V. erhob sich von dem Diwan, stand auf, versuchte zu gehen und that hinkend einige Schritte.
Er schüttelte den Kopf, wendete sich wieder zu seinem Neffen und sagte:
»Da siehe meine Beine; sie halten mich nicht mehr, ich mag gehen oder reiten wollen; siehe meine Hände, sie vermögen nicht mehr ein Schwert zu halten. Das ist ein Fingerzeig, Emanuel. Wer das Schwert nicht mehr halten kann, vermag auch das Scepter nicht mehr zu führen.«
»Was sagt Ihr, Sire?«
»Etwas, worüber ich schon lange nachgedacht habe und worüber ich noch viel denken werde. Emanuel, Alles deutet darauf hin, daß es Zeit sey, meinen Platz einem Andern zu überlassen. Der Ueberfall von Innsbruck, von wo ich halbbekleidet entfliehen mußte; der Rückzug von Metz, wo ich den dritten Theil meines Heeres und die Hälfte meines Rufes ließ und mehr als alles das, siehst Du, das Leiden, dem die menschlichen Kräfte nicht lange widerstehen werden, das Leiden, welches kein Arzt heilen kann, das schreckliche, unerbittliche, grausame Leiden, das meinen Körper von dem Scheitel bis zur Fußsohle durchzieht und keinen Theil gesund läßt, das mir die Nerven in unerträglichen Schmerzen zusammenzieht, durch die Knochen dringt, das Mark erkältet und in feste Kreide das wohlthätige Oel verwandelt, welches die Natur in unsere Gelenke gebracht hat, damit sie sich leichter bewegen, – das Leiden, welches den Menschen Glied nach Glied schmerzlicher und sicherer verstümmelt, als es das Eisen thut oder das Feuer, das die Heiterkeit die Kraft und die Freiheit des Geistes unter den Qualen zerstört, das Leiden ruft fortwährend: Genug der Gewalt, genug der Regierung, genug der Macht! Kehre in das Nichts des Lebens zurück, bevor Du in das Nichts des Grabes sinkest! Carl, von Gottes Gnaden römischer Kaiser, Carl, König von Deutschland, Castilien, Leon, Granada, Aragonien, Neapel, Sicilien, Majorca, Sardinien, den Inseln von Indien, Beherrscher des Meeres, überlasse Alles einem Andern!«
Emanuel wollte sprechen, der Kaiser aber winkte.
»Und dann,« fuhr er fort, »habe ich noch etwas Dir zu sagen vergessen. Als ob die Auflösung dieses armen Körpers den Wünschen meiner Feinde zu langsam erfolge, als ob ich an den Niederlagen, Ketzereien und der Gicht nicht schon genug hätte, mischt sich auch noch der Dolch ein.«
»Der Dolch?« wiederholte Emanuel.
Das Gesicht Carls V. verdüsterte sich.
»Man hat heute den Versuch gemacht mich zu ermorden,« sagte er.
»Man wollte Ew. Majestät ermorden?« fragte Emanuel erstaunt.
»Warum nicht?« antwortete Carl V. mit finsterem Lächeln. »Hast Du nicht selbst eben mich daran erinnert, daß ich ein Mensch sey?«
»Ah,« fragte Emanuel, der sich von dem Entsetzen über diese Nachricht noch nicht erholt hatte, »und wer ist der Elende?«
»Ja, wer ist der Elende?« wiederholte der Kaiser. »Ich habe den Dolch, aber nicht die Hand.«
»Der Mann, den ich draußen gefesselt sah…?« fragte Emanuel.
»Er ist der Elende, Emanuel, wie Du ihn nennst. Wer aber hat ihn gesandt? Ist er ein Türke? Ich glaube es nicht; Soliman ist ein ehrlicher Gegner. Heinrich II.? Ich habe ihn nicht in Verdacht. Paul IV. Er ist noch nicht lange genug erwählt. Octavio Farnese? Er wird sich nicht an mich wagen, den