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offen. Ein Jahr zuvor hatte sie wegen einer Beleidigung ein Duell in Oakford gefochten. Ein anderes Mal war sie einem Schmied, der versucht hatte, sie um ihren Anteil zu bringen, durch das halbe Grasland nachgejagt.

      Stephania würde für das, was sie getan hatte, sterben. Und Elethe…

      In vielerlei Hinsicht war ihr Betrug noch schlimmer. Stephania war eine Schlange. Das hatte Felene von dem Augenblick an, als Stephania ihren Fuß auf das Boot gesetzt hatte, gewusst. Elethe hatte sich gewagt, sie etwas fühlen zu lassen. Es war einer der seltenen Momente in ihrem Leben gewesen, in dem Felene nicht an den nächsten Diebstahl gedacht hatte, sondern zu träumen angefangen hatte.

      „Welch ein Traum“, sagte Felene zu sich selbst. „Die Welt bereisen, schöne Prinzessinnen retten und holde Maiden verführen. Wer glaubst du, bist du? So eine Art Heldin?“

      Das klang eher nach etwas, das Thanos getan hätte und nicht jemand wie sie.

      „Mein Leben wäre so viel einfacher, wenn ich dich nicht getroffen hätte, Prinz Thanos“, sagte Felene. Sie riss an einer der Leinen ihres Boots, sodass es in eine neue Richtung glitt.

      Doch das glaubte sie nicht wirklich. Ohne die Begegnung mit Thanos wäre ihr Leben vor allem kürzer gewesen. Ohne ihn wäre sie auf der Gefangeneninsel gestorben und dann…

      Er schien ein Mann zu sein, der ein Ziel verfolgte. Der für etwas einstand, auch wenn Felene ihn hatte daran erinnern müssen, was das war. Er war ein Mann, der bereit war, gegen alles zu kämpfen, mit dem er aufgewachsen war. Er hatte gegen das Reich gekämpft, auch wenn es leichter gewesen wäre, es nicht zu tun. Er war bereit gewesen, sein Leben für jemanden wie Stephania zu geben, was tatsächlich heldenhaft war.

      „Wenn mir nur der Sinn so stehen würde, dann würde ich mich wohl in dich verlieben“, sagte Felene, als sie über den Prinzen nachdachte. Es war sicher besser, sich in ihn zu verlieben als in jemanden wie Elethe. Aber man bekommt eben nicht immer, was man will in diesem Leben. Mit Sicherheit konnte man sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebte.

      Es genügte, dass Thanos ein Mann war, dem man Respekt vielleicht sogar Bewunderung entgegenbringen musste. Es genügte, dass der Gedanke an das, was er in solch einer Situation täte, Felene zu einem besseren Menschen machte.

      „Wenn auch zu keinem besonders sensiblen.“

      Felene seufzte. Dieser innere Kampf führte sie nirgendwo hin. Sie wusste, was sie tun würde.

      Sie würde nach Delos fahren. Sie würde Thanos finden, wenn es glückliche Umstände zugelassen hatten, dass er noch am Leben war. Sie würde Stephania finden, sie würde Elethe finden und Blut und Tod würden ausgleichende Gerechtigkeit herstellen. Thanos hätte wahrscheinlich für einen freundlicheren und zivilisierteren Kurs plädiert, aber ihr Wille ihm nachzueifern, hörten eben auch irgendwo auf. Auch wenn er ein Prinz war.

      Jetzt musste sie es nur noch nach Delos schaffen. Felene hatte keinen Zweifel, dass sich die Stadt bei ihrer Ankunft im Krieg befinden würde, wenn sie nicht sogar schon vor die Hunde gegangen war. Felldusts Flotte würde wie eine schwimmende Barrikade vor der Stadt liegen, denn es war geläufige Taktik in Zeiten des Kriegs, die Häfen zu blockieren.

      Nicht, dass Felene sich über derlei Dinge Gedanken machte. Sie hatte oft kräftig verdient, wenn sie Güter an Blockaden vorbei geschmuggelt hatte. Nahrung, Informationen, Menschen, die fliehen wollten, es war immer das Gleiche gewesen.

      Felene konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass Felldusts Soldaten ihr sonderlich wohlgesonnen sein würden, wenn sie dumm genug war, einfach in die Stadt zu stürmen. Felene erblickte bereits Teile von Felldusts Flotte vor sich, Schiffe reihten sich zwischen Felldust bis zum Reich wie einer Perlenkette über das Wasser. Die Hauptflotte war schon vor einer ganzen Weile aufgebrochen, doch jetzt kamen stoßweise neue Schiffe in Dreier- oder Vierergruppen hinzu, denn sie hofften, so viel wie möglich aus der Invasion herausholen zu können.

      Es sprach viel dafür, dass sie zu den Vorsichtigeren gehörten. Felene hatte schon immer einen Hang zu den Menschen gespürt, die zum Stehlen nach einer Schlacht auftauchten als zu jenen, die ihr Leben riskierten. Sie waren diejenigen, die auf sich aufzupassen verstanden. Das waren Felenes Leute.

      Ihr kam eine Idee und Felene steuerte ihren Kahn in Richtung einer der Gruppen. Mit ihrem guten Arm zog sie ein Messer hervor.

      „Hoy, ihr dort!“ rief sie in ihrem besten Felldustakzent.

      Ein Mann mit einem auf sie gerichteten Bogen tauchte an der Reling auf. „Ich denke du, wärest eine gute – “

      Er gurgelte als Felene ihn mit ihrer Klinge das Wort abschnitt. Er kippte vom Boot und landete mit einem Klatschen im Wasser.

      „Er war einer meiner besten Männer“, sagte die Stimme eines Mannes.

      Felene lachte. „Das bezweifele ich, dann hättest du ihn nicht vorgeschickt, um herauszufinden, ob ich eine Bedrohung darstelle. Bist du der Kapitän?“

      „Das bin ich“, rief er zurück.

      Das war gut. Felene wollte keine Zeit mit denen verschwenden, die sowieso in keiner Verhandlungsposition waren.

      „Bist du auf dem Weg nach Delos?“ fragte er.

      „Wohin sollten wir sonst fahren?“ rief der Kapitän zurück. „Denkst du etwa, wir sind zum Fischen hergekommen?“

      Felene musste an die Haie denken, die sie auf dem Weg zum Ufer gejagt hatten. Sie dachte an den Körper, der zu ihnen ins Wasser gefallen war. „Warum nicht. Da schwimmt jetzt ein Köder im Wasser und in diesen Breiten gibt es so einige Hauptgewinne abzusahnen.“

      „Und noch viel größere in Delos“, rief die Stimme zurück. „Versuchst du gerade, dich unserem Konvoi anzuschließen?“

      Felene zuckte mit den Schultern, als wäre es ihr egal. „Ich denke mal, dass du eine zusätzliche Schwerthand gebrauchen könntest.“

      „Und zusätzliche fünfzig wären sicherlich gut für dich. Aber du siehst so aus, als könntest du kämpfen. Du hältst uns nicht auf und isst dein eigenes Essen. Klar?“

      Mehr als klar, wenn Felene so einen Weg nach Delos hinein fand. Wie vorsichtig sie die Stadt auch abschotten mochten, Felldusts Flotte würde sie kein zweites Mal ansehen, wenn sie Teil der Flotte war.

      „Klar“, rief sie zurück. „Solange ihr mich nicht aufhaltet!“

      „Scharf auf das Gold. Das gefällt mir.“

      Sie sollten mögen, was immer sie wollten, solange sie Felene in Ruhe ließen. Lass sie nur denken, dass sie dem Gold nachjagte. Das einzige was zählte, war –

      Ein Hustenanfall überraschte Felene und traf sie mit beinahe doppelter Wucht. Er durchdrang sie und ihre Lungen fühlten sich an, als stünden sie in Flammen. Sie legte eine Hand an ihren Mund, und sie bemerkte das Blut an ihren Fingern.

      „Alles klar da unten?“ fragte der Kapitän des Felldustschiffes mit eindeutig hörbarer Skepsis. „Ist das Blut? Du schleppst doch keine Plage mit dir rum, oder?“

      Felene hatte keinen Zweifel, dass sie alleine weiterreisen musste, wenn er das dachte. Oder er feuerte auf ihr Boot, um sicher zu sein, dass ihm die Krankheit auf keinen Fall zu nahe kam.

      „Musste im Hafen ein paar üble Schläge in den Magen einstecken“, log sie und wischte ihre Hand an der Reling ab. „Keine große Sache.“

      „Wenn du Blut hustest, scheint es übel zu sein“, rief der Kapitän zurück. „Du solltest an Land gehen und einen Heiler aufsuchen. Du kannst kein Gold ausgeben, wenn du tot bist.“

      Das war wahrscheinlich ein guter Ratschlag, doch Felene war nicht so gestrickt, auf die Ratschläge anderer zu hören. Vor allem dann nicht, wenn sie Besseres zu tun hatte. Wenn es nur um Gold gegangen wäre, dann hätte sie vielleicht genau das getan, was der Mann ihr geraten hatte.

      „So sagt man“, witzelte Felene. „Ich, ich sage, dass sie Weicheier sind.“

      Sie ließ den anderen Schiffskapitän in Lachen ausbrechen. Sie hatte Besseres zu tun.

      Es war Zeit, Stephania und Elethe zu