Sie sah, wie Stephania mit den Schultern zuckte.
„Das wirst du noch. Deine Rebellion kämpft gerade eine Schlacht gegen die Armee von Felldust. Vielleicht gewinnen sie und dann werde ich dich gegen einen Fluchtweg aus der Stadt eintauschen und dabei soviel mitnehmen wie ich nur kann. Ich würde allerdings davon ausgehen, dass Felldust wie ein Wirbelsturm über die Stadt fegen wird. Sie können sich an den Mauern dieses Schlosses abarbeiten, bis sie bereit sind, mit mir zu sprechen.“
„Du denkst, dass solche Männer einfach nur reden werden?“ fragte Ceres. „Sie werden dich töten.“
Ceres wusste nicht, warum sie Stephania diese Art von Warnung gab. Die Welt würde zu einem besseren Ort, wenn sie jemand tötete, auch wenn es die Armeen von Felldust wären.
„Du denkst, dass ich meinen Plan nicht durchdacht habe?“ erwiderte Stephania. „Felldust ist leicht reizbar. Es kann sich nicht leisten, seine Soldaten auf die Besetzung eines Schlosses anzusetzen, dass es nicht einnehmen kann. Nach ein paar Wochen würden sie sich untereinander in die Haare bekommen, wenn nicht schon früher. Sie werden mit mir reden müssen.“
„Und du glaubst, dass sie sich an das halten werden, was sie dir versprechen?“ fragte Ceres.
Sie konnte manchmal kaum glauben, wie arrogant Stephania war.
„Ich bin kein Idiot“, sagte Stephania. „Ich bereite eine meiner Zofen darauf vor, mich in einem ersten Treffen zu doubeln, sodass ich Zeit habe, durch die Tunnel aus der Stadt zu fliehen, sollten sie uns zu hintergehen versuchen. Danach werde ich dich auf Knien und in Ketten dem Ersten Stein Irrien anbieten. Eine Gabe um Friedensverhandlungen einzuleiten. Und wer weiß? Vielleicht lässt sich der Erste Stein Irrien davon überzeugen… unsere zwei Staaten zu vereinen. Ich habe das Gefühl, dass ich neben einem solchen Mann so einiges leisten könnte.“
Ceres schüttelte bei diesem Gedanken den Kopf. Sie würde sich auf Stephanias Befehl hin genauso wenig hinknien wie auf den Befehl jedes anderen Adligen. „Du denkst, dass ich dir diese Genugtuung geben werde – “
„Ich glaube nicht, dass ich warten muss, bis du mir irgendetwas gibst“, zischte Stephania zurück. „Ich kann mir von dir nehmen, was immer ich will, dein Leben miteingeschlossen. Denk daran, wenn es soweit ist: wenn es keinen Krieg gegeben hätte, dann hätte ich mich gnädig gezeigt und dich einfach getötet.“
Diese Auffassung von Gnade war genauso seltsam wie Stephanias Verständnis von allen anderen Dingen in dieser Welt.
„Was ist dir nur zugestoßen?“ fragte Ceres sie. „Was treibt dich an, so etwas zu tun?“
Stephania lächelte. „Ich habe gesehen, wie die Welt wirklich ist. Und jetzt denke ich, ist es Zeit, dass die Welt dich als das sieht, was du bist. Ich kann dich nicht töten, also zerstöre ich das Symbol, zu dem du geworden bist. Du wirst für mich kämpfen Ceres. Immer und immer wieder und das ohne die Kräfte, die dich in den Augen der anderen so besonders gemacht haben. Und in der Zwischenzeit finden wir Wege und Mittel, es für dich noch schlimmer zu machen.“
Das klang nicht viel anders als das, was Lucious oder die anderen Adligen versucht hatten.
„Du wirst mich nicht brechen“, versprach Ceres ihr. „Ich werde nicht nachgeben und dich um deiner Unterhaltung oder erbärmlichen Rache willen anbetteln.“
„Das wirst du“, versprach Stephania ihr. „Du wirst vor dem Ersten Stein von Felldust niederknien und ihn anbetteln, seine Sklavin zu sein. Dafür werde ich sorgen.“
KAPITEL SECHS
Felene hatte unterdessen einige Boote in ihre Gewalt gebracht und stellte zufrieden fest, dass das letzte zu den besseren gehörte. Es war nicht viel mehr als ein Ruderboot, aber es glitt leicht über das Wasser und schien augenblicklich zu reagieren, sodass es sich wie ein Teil ihres Körpers anfühlte.
„Dafür bräuchte es mehr Löcher“, sagte Felene, die sich nach vorne beugte, um das Wasser, was über die Seiten gedrungen war, wieder aus dem Boot zu schöpfen. Selbst das verursachte Schmerzen und dann erst das Rudern selbst, wenn der Wind nicht blies…
Felene zuckte beim bloßen Gedanken daran zusammen.
Sie hatte die Wunde behutsam untersucht und ihren Arm in jede Richtung gehoben, um so ihre Rückenmuskulatur zu dehnen. Bei einigen Bewegungen konnte sie den Schmerz ganz gut ignorieren, aber es gab auch andere –
„Zugrunde mit euch!“ fluchte Felene als heißer Schmerz sie durchflutete.
Das Schlimmste war, dass jeder Stich die Erinnerung an die Tat zurückbrachte. Elethes geweitete Augen im Moment, als Stephania sie von hinten erstach. Jeder physische Schmerz brachte auch die Qual des Betrugs mit sich. Sie hatte zu glauben gewagt, dass…
„Was“, fragte Felene. „Dass du endlich glücklich werden könntest? Dass du mit einer Prinzessin und einem süßen Mädchen in den Sonnenuntergang segelst und die Welt dich einfach in Ruhe genießen lassen würde?“
Das war dumm gewesen. In dieser Welt existierten keine glücklichen Ausgänge so wie in den Geschichten der Barden. Mit Sicherheit nicht für eine Diebin wie sie. Was auch immer geschah, es würde immer irgendetwas zu stehlen geben, ob es Juwelen waren oder ein Stückchen von einer Landkarte oder das Herz eines Mädchens, die sich dann als…
„Hör auf“, sagte Felene sich selbst, aber das war leichter gesagt als getan. Manche Wunden verheilten einfach nicht.
Davon abgesehen, dass auch die physischen Wunden noch längst nicht verheilt waren. Sie hatte sie so gut es ging am Strand genäht, doch Felene begann sich um die Einstichstelle, die Stephanias Messer in ihrem Rücken hinterlassen hatte, Sorgen zu machen. Sie zog ihr Hemd nach oben und spritzte Seewasser über die Wunde. Sie biss die Zähne vor Schmerzen zusammen, als sie die Wunde sauberwusch.
Felene war in ihrem Leben bereits verwundet worden und das hier fühlte sich wie eine der schlimmeren Verletzungen an. Sie hatte diese Art von Wunden gesehen und das war in den seltensten Fällen gut ausgegangen. Sie erinnerte sich an einen Kletterführer, der von einem Eisleoparden zerfleischt worden war, als Felene gerade aus einem der toten Tempel etwas hatte stehlen wollen. Felene erinnerte sich an das Sklavenmädchen, dass sie spontan vor ihrem Herren, der es blutig gepeitscht hatte, gerettet hatte, nur um ihr beim Sterben zusehen zu müssen. Dann erinnerte sie sich an diesen Spieler, der darauf bestanden hatte, am Tisch sitzen zu bleiben, nachdem er sich seine Hand an der Scherbe eines zerbrochenen Glases verletzt hatte.
Das einzig Vernünftige, was sie jetzt tun konnte, war, den Rückweg anzutreten, einen Heiler zu suchen und sich so lange auszuruhen bis sie wieder die Alte war. Dann würde die Invasion wahrscheinlich vorbei sein und alle, die an ihr beteiligt waren, in alle Winde zerstreut sein. Doch Felene würde es wieder gut gehen und sie würde hingehen können, wo auch immer sie wollte.
Es hätte ihr eigentlich egal sein können, was mit der Invasion geschah. Sie war eine Diebin. Diebesgut würde es immer geben genauso wie es immer Menschen geben würde, die sie fangen wollten. Nach dem Krieg würde es wahrscheinlich noch mehr von ihnen geben, wenn die Dinge etwas außer Kontrolle gerieten. Aber letztlich gab es für jene, die durchtrieben genug waren, immer eine Lücke, durch die sie schlüpfen konnten.
Sie konnte zurück nach Felldust gehen, sich ausgiebig ausruhen und dann nach einem neuen Abenteuer ausschauhalten. Sie konnte nach langvergessenen Inseln suchen oder zu den Landen fahren, die fest von Eis überzogen waren. Sie würde Schätze und Gewalt, Frauen und Alkohol antreffen. All die Dinge, die sich in ihrem bisherigen Leben so bereitwillig zusammengefügt hatten.
Was sie jedoch antrieb, den Ruderstock weiterhin auf Delos zu richten war einfach: dort würden Stephania und Elethe sein. Stephania hatte sie in Bezug auf Thanos reingelegt. Sie hatte sie benutzt, um nach Felldust zu gelangen und dann hatte sie versucht, sie zu töten. Mehr als nur das, sie hatte versucht, Thanos zu töten, auch wenn die Gerüchteküche Felldusts munkelte, dass er zumindest den Sieg