Zielobjekt Null . Джек Марс

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Название Zielobjekt Null
Автор произведения Джек Марс
Жанр Современные детективы
Серия Ein Agent Null Spionage-Thriller
Издательство Современные детективы
Год выпуска 0
isbn 9781094310275



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wusste, gab es Amun nicht mehr; ihr Plan in Davos war gescheitert, die Anführer waren entweder festgenommen oder getötet worden und jede Strafverfolgungsbehörde auf der Welt wusste über die Markierung, die Hieroglyphe von Amun, welche den Mitgliedern in die Haut gebrannt wurde, Bescheid. Rais durfte nicht fernsehen, aber er erhielt seine Informationen von seinen bewaffneten Polizeiwachen, die sich oft unterhielten (und das meist für lange Zeit, sehr zu Rais’ Ärgernis).

      Er hatte die Markierung aus seiner Haut geschnitten, bevor er ins Krankenhaus von Sion gebracht wurde, aber es stellte sich als umsonst heraus; sie wussten bereits, wer er war, und zumindest ein paar der Dinge, die er getan hatte. Die gezackte, fleckige, rosafarbene Narbe, wo sich einst die Markierung an seinem Arm befunden hatte, war eine tägliche Erinnerung daran, dass es Amun nicht mehr gab, und deshalb schien es passend zu sein, dass er sein Mantra änderte.

      Ich bestehe.

      Elena nahm den Styroporbecher, der Eiswasser und einen Strohhalm enthielt. „Möchten Sie etwas trinken?“

      Rais sagte nichts, er beugte sich jedoch leicht nach vorn und öffnete seine Lippen. Sie führte den Strohhalm mit vollkommen ausgestrecktem Arm und Ellbogen vorsichtig zu seinem Mund, während sie ihren Körper zurücklehnte. Sie hatte Angst; vor vier Tagen hatte Rais versucht, Dr. Gerber zu beißen. Seine Zähne hatten den Nacken des Arztes gestreift, sie waren allerdings noch nicht einmal durch die Haut gedrungen. Dennoch hatte er sich dadurch einen Schlag gegen den Kiefer von einem seiner Wächters eingehandelt.

      Rais versuchte diesmal nichts. Er nahm lange Schlucke durch den Strohhalm und genoss die Angst des Mädchens und die strenge Angespanntheit der zwei Polizeiwachen, die hinter ihr zusahen. Als er genug hatte, lehnte er sich zurück. Sie stieß ein hörbar erleichtertes Seufzen aus.

      Ich bestehe.

      Er hatte in den letzten vier Wochen eine ganze Menge ertragen. Er hatte eine Nephrektomie durchgemacht, um seine durchstochene Niere zu entfernen. Er hatte sich einer zweiten Operation unterzogen, bei der ein Teil seiner gerissenen Leber entnommen wurde. Er hatte eine dritte Prozedur ertragen, um sicherzustellen, dass keine seiner anderen lebenswichtigen Organe beschädigt worden waren.

      Er hatte mehrere Tage auf der Intensivstation verbracht, bevor er in eine chirurgische Abteilung verlegt wurde, aber er verließ niemals das Bett, an welches er mit beiden Handgelenken gefesselt war. Die Krankenschwestern drehten ihn, wechselten seine Bettpfanne und machten es ihm so bequem, wie es ihnen möglich war, aber es wurde ihm nie erlaubt, sich aufzurichten, zu stehen, oder sich aus freien Stücken zu bewegen.

      Die sieben Stichverletzungen an seinem Rücken, und die eine in seiner Brust, waren genäht worden und heilten gut, wie die Nachtschwester Elena regelmäßig wiederholte.

      Trotzdem gab es wenig, was die Ärzte gegen die Nervenschäden tun konnten. Manchmal wurde sein gesamter Rücken taub, bis hinauf zu seinen Schultern und teilweise sogar hinunter bis zu seinem Bizeps. Er fühlte nichts, so als würden diese Teile seines Körpers zu jemand anderem gehören.

      Manchmal wachte er mit einem Schrei in der Kehle aus einem tiefen Schlaf auf, wenn ein stechender Schmerz wie ein Blitz durch seinen Körper schoss. Es hielt nie lange an, aber wenn es passierte, war es stark, intensiv und tauchte unregelmäßig auf. Die Ärzte nannten dies „Stechen“, eine Nebenwirkung, die manchmal bei Menschen auftrat, die so schwerwiegende Nervenschäden erlitten hatten wie er.

      Sie versicherten ihm, dass dieses Stechen mit der Zeit oft verblasse und sogar ganz aufhören könnte, aber sie konnten ihm nicht sagen, wann dies geschehen würde. Stattdessen sagten sie ihm, dass er Glück gehabt habe, dass seine Wirbelsäule nicht beschädigt wurde. Sie sagten ihm, dass er Glück habe, überhaupt am Leben zu sein.

      Ja, Glück, dachte er bitter. Glück, dass er nur gesund werden würde, um in die wartenden Arme des CIA-Gefängnisses geworfen zu werden. Glück, dass alles, wofür er gearbeitet hatte, ihm im Laufe eines einzigen Tages genommen wurde. Glück, nicht nur einmal, sondern zweimal von Kent Steele besiegt worden zu sein – einem Mann, den er mit jeder Faser seines Daseins hasste und verabscheute.

      Ich bestehe.

      Bevor sie seinen Raum verließ, bedankte sich Elena bei den zwei Wachen auf Deutsch, und versprach, ihnen Kaffee zu bringen, wenn sie wiederkam. Als sie gegangen war, nahmen sie ihre Posten vor seiner Tür wieder ein, die immer offenstand, und führten ihre Unterhaltung fort. Sie sprachen über ein kürzlich stattgefundenes Fußballspiel. Rais’ Deutsch war recht gut, aber die Einzelheiten im schweizerdeutschen Dialekt und die Geschwindigkeit, mit der sie sprachen, ließen ihn manchmal nur wenig verstehen. Die Wachen der Tagesschicht sprachen oft Englisch, wodurch er die meisten Neuigkeiten über das Geschehen außerhalb seines Krankenzimmers erhielt.

      Beide Männer waren Mitglieder der schweizerischen Bundespolizei, die entschieden hatte, dass er zu jedem Zeitpunkt, vierundzwanzig Stunden am Tag, zwei Wachen vor seinem Zimmer stehen hatte.  Sie wechselten alle acht Stunden die Schicht, mit einem anderen Wachenpaar am Freitag und am Wochenende.

      Es waren immer zwei, jederzeit; wenn eine der Wachen zur Toilette musste oder sich etwas zu essen holte, mussten sie zuerst unten anrufen, um eine der Krankenhauswachen zu ihnen hinaufzuschicken, auf dessen Ankunft sie dann erst warten mussten.

      Die meisten Patienten, die sich in seinem Zustand befanden und deren Genesung so weit fortgeschritten war, wären wohl auf eine normale Station verlegt worden, aber Rais war in der Unfallklinik geblieben. Es war, mit den verschlossenen Bereichen und bewaffneten Wachen, eine sicherere Einrichtung.

      Es waren immer zwei, jederzeit. Und Rais hatte entschieden, dass er dies zu seinem Vorteil nutzen würde.

      Er hatte viel Zeit gehabt, um seine Flucht zu planen, besonders in den letzten paar Tagen, als seine Medikamente verringert wurden und er klarer denken konnte.

      Er ging in seinem Kopf immer wieder verschiedene Szenarien durch. Er merkte sich Zeitpläne und belauschte Gespräche. Es würde nicht mehr lange dauern, bevor sie ihn entließen – bestenfalls ein paar Tage.

      Er musste handeln und entschied sich dafür, es heute Nacht zu tun.

      Seine Wachen waren in den Wochen, in denen sie vor seiner Tür gestanden hatten, selbstgefällig geworden. Sie nannten ihn „Terrorist“ und wussten, dass er ein Mörder war. Abgesehen von dem kleinen Vorfall mit Dr. Gerber vor ein paar Tagen hatte Rais jedoch nichts anderes getan, als still dazuliegen, meistens ohne sich zu bewegen, und den Krankenhausmitarbeitern zu erlauben, ihre Pflichten zu erfüllen. Wenn sich niemand bei ihm im Raum befand, schenkten ihm die Wachen nicht mehr Aufmerksamkeit, als gelegentlich einen Blick auf ihn zu werfen.

      Er hatte nicht versucht, den Arzt aus Gehässigkeit oder Wut zu beißen, sondern aus Notwendigkeit. Gerber hatte sich über ihn gelehnt und die Wunde an seinem Arm inspiziert, an der er die Markierung Amuns herausgeschnitten hatte – die Seitentasche des weißen Arztkittels hatte die Finger von Rais’ gefesselter Hand gestreift. Er machte einen Satz und schnappte mit dem Kiefer und der Arzt sprang erschrocken zurück, als die Zähne seinen Nacken streiften.

      Und Rais’ Hand umklammerte dabei fest seinen Füllfederhalter. Eine der diensthabenden Wachen hatte ihm einen ordentlichen Schlag ins Gesicht verpasst und in dem Moment, in dem ihn der Schlag traf, hatte Rais den Stift unter sein Bettlaken geschoben und ihn unter seinem linken Oberschenkel versteckt. Dort war er für drei Tage verblieben, versteckt unter der Decke, bis zur letzten Nacht. Er hatte ihn hervorgeholt, während die Wachen auf dem Flur plauderten. Mit einer Hand, ohne zu sehen, was er tat, hatte er die zwei Hälften des Stiftes auseinandergenommen und die Patrone entfernt. Dabei arbeitete er langsam und vorsichtig, sodass die Tinte nicht verspritzt wurde. Der Stift war klassisch, mit goldener Schreibspitze, welche ein gefährliches, spitzes Ende hatte. Diese Hälfte schob er wieder unter die Bettdecke. Die hintere Hälfte hatte eine goldene Taschenklammer, welche er vorsichtig mit dem Daumen zurückdrückte, bis sie abbrach.

      Die Manschette an seinem linken Handgelenk erlaubte ihm etwas weniger als dreißig Zentimeter Bewegungsfreiraum für seinen Arm, aber wenn er seine Hand bis zum Anschlag ausstreckte, dann konnte er die ersten paar Zentimeter des Nachttisches erreichen. Die Tischplatte bestand aus einer einfachen, ebenen Holzspanplatte, aber die Unterseite war rau wie Sandpapier. In vier äußerst strapaziösen