Emilia Galotti. Gotthold Ephraim Lessing

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Название Emilia Galotti
Автор произведения Gotthold Ephraim Lessing
Жанр Драматургия
Серия
Издательство Драматургия
Год выпуска 0
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er einige von den Papieren auf dem Tische hastig zusammenrafft, tritt der Kammerdiener herein.) Laßt vorfahren!—Ist noch keiner von den Räten da?

      Der Kammerdiener. Camillo Rota.

      Der Prinz. Er soll hereinkommen. (Der Kammerdiener geht ab.) Nur aufhalten muß er mich nicht wollen. Dasmal nicht!—Ich stehe gern seinen Bedenklichkeiten ein andermal um so viel länger zu Diensten. —Da war ja noch die Bittschrift einer Emilia Bruneschi.—(Sie suchend. ) Die ist's.—Aber, gute Bruneschi, wo deine Vorsprecherin

      Achter Auftritt

      Camillo Rota, Schriften in der Hand. Der Prinz.

      Der Prinz. Kommen Sie, Rota, kommen Sie.—Hier ist, was ich diesen Morgen erbrochen. Nicht viel Tröstliches!—Sie werden von selbst sehen, was darauf zu verfügen.—Nehmen Sie nur.

      Camillo Rota. Gut, gnädiger Herr.

      Der Prinz. Noch ist hier eine Bittschrift einer Emilia Galot..

      Bruneschi will ich sagen.—Ich habe meine Bewilligung zwar schon beigeschrieben. Aber doch—die Sache ist keine Kleinigkeit.—Lassen Sie die Ausfertigung noch anstehen.—Oder auch nicht anstehen: wie Sie wollen.

      Camillo Rota. Nicht wie ich will, gnädiger Herr.

      Der Prinz. Was ist sonst? Etwas zu unterschreiben?

      Camillo Rota. Ein Todesurteil wäre zu unterschreiben.

      Der Prinz. Recht gern.—Nur her! geschwind.

      Camillo Rota (stutzig und den Prinzen starr ansehend). Ein Todesurteil—sagt' ich.

      Der Prinz. Ich höre ja wohl.—Es könnte schon geschehen sein. Ich bin eilig.

      Camillo Rota (seine Schriften nachsehend). Nun hab ich es doch wohl nicht mitgenommen!—Verzeihen Sie, gnädiger Herr.—Es kann Anstand damit haben bis morgen.

      Der Prinz. Auch das!—Packen Sie nur zusammen; ich muß fort—Morgen, Rota, ein Mehres! (Geht ab.)

      Camillo Rota (den Kopf schüttelnd, indem er die Papiere zu sich nimmt und abgeht). Recht gern?—Ein Todesurteil recht gern?—Ich hätt' es ihn in diesem Augenblicke nicht mögen unterschreiben lassen, und wenn es den Mörder meines einzigen Sohnes betroffen hätte.—Recht gern! Recht gern!—Es geht mir durch die Seele dieses gräßliche Recht gern!

      Zweiter Aufzug

      Die Szene: ein Saal in dem Hause der Galotti.

      Erster Auftritt

      Claudia Galotti. Pirro.

      Claudia (im Heraustreten zu Pirro, der von der andern Seite hereintritt). Wer sprengte da in den Hof?

      Pirro. Unser Herr, gnädige Frau.

      Claudia. Mein Gemahl? Ist es möglich?

      Pirro. Er folgt mir auf dem Fuße.

      Claudia. So unvermutet?—(Ihm entgegeneilend.) Ach! mein Bester!

      Zweiter Auftritt

      Odoardo Galotti und die Vorigen.

      Odoardo. Guten Morgen, meine Liebe!—Nicht wahr, das heißt überraschen?—Claudia. Und auf die angenehmste Art!—Wenn es anders nur eine Überraschung sein soll.

      Odoardo. Nichts weiter! Sei unbesorgt.—Das Glück des heutigen Tages weckte mich so früh; der Morgen war so schön; der Weg ist so kurz; ich vermutete euch hier so geschäftig—Wie leicht vergessen sie etwas, fiel mir ein.—Mit einem Worte: ich komme, und sehe, und kehre sogleich wieder zurück.—Wo ist Emilia? Unstreitig beschäftigt mit dem Putze?—Claudia. Ihrer Seele!—Sie ist in der Messe.—"Ich habe heute, mehr als jeden andern Tag, Gnade von oben zu erflehen", sagte sie und ließ alles liegen und nahm ihren Schleier und eilte—Odoardo. Ganz allein?

      Claudia. Die wenigen Schritte—Odoardo. Einer ist genug zu einem Fehltritt!—Claudia. Zürnen Sie nicht, mein Bester; und kommen Sie herein—einen Augenblick auszuruhen und, wann Sie wollen, eine Erfrischung zu nehmen.

      Odoardo. Wie du meinest, Claudia.—Aber sie sollte nicht allein gegangen sein.—Claudia. Und Ihr, Pirro, bleibt hier in dem Vorzimmer, alle Besuche auf heute zu verbitten.

      Dritter Auftritt

      Pirro und bald darauf Angelo.

      Pirro. Die sich nur aus Neugierde melden lassen.—Was bin ich seit einer Stunde nicht alles ausgefragt worden!—Und wer kömmt da?

      Angelo (noch halb hinter der Szene, in einem kurzen Mantel, den er über das Gesicht gezogen, den Hut in die Stirne). Pirro!—Pirro!

      Pirro. Ein Bekannter?—(Indem Angelo vollends hereintritt und den Mantel auseinanderschlägt.) Himmel! Angelo?—Du?

      Angelo. Wie du siehst.—Ich bin lange genug um das Haus herumgegangen, dich zu sprechen.—Auf ein Wort!—Pirro. Und du wagst es, wieder ans Licht zu kommen?—Du bist seit deiner letzten Mordtat vogelfrei erkläret; auf deinen Kopf steht eine Belohnung Angelo. Die doch du nicht wirst verdienen wollen?—Pirro. Was willst du?—Ich bitte dich, mache mich nicht unglücklich.

      Angelo. Damit etwa? (Ihm einen Beutel mit Gelde zeigend.)—Nimm! Es gehöret dir!

      Pirro. Mir?

      Angelo. Hast du vergessen? Der Deutsche, dein voriger Herr—Pirro.

      Schweig davon!

      Angelo. Den du uns, auf dem Wege nach Pisa, in die Falle führtest—Pirro. Wenn uns jemand hörte!

      Angelo. Hatte ja die Güte, uns auch einen kostbaren Ring zu hinterlassen.—Weißt du nicht?—Er war zu kostbar, der Ring, als daß wir ihn sogleich ohne Verdacht hätten zu Gelde machen können. Endlich ist mir es damit gelungen. Ich habe hundert Pistolen dafür erhalten, und das ist dein Anteil. Nimm!

      Pirro. Ich mag nichts—behalt alles.

      Angelo. Meinetwegen!—wenn es dir gleichviel ist, wie hoch du deinen Kopf feil trägst—(Als ob er den Beutel wieder einstecken wollte.)

      Pirro. So gib nur! (Nimmt ihn.)—Und was nun? Denn daß du bloß deswegen mich aufgesucht haben solltest—Angelo. Das kömmt dir nicht so recht glaublich vor?—Halunke! Was denkst du von uns?—daß wir fähig sind, jemand seinen Verdienst vorzuenthalten? Das mag unter den sogenannten ehrlichen Leuten Mode sein: unter uns nicht.—Leb wohl! —(Tut, als ob er gehen wollte, und kehrt wieder um.) Eins muß ich doch fragen.—Da kam ja der alte Galotti so ganz allein in die Stadt gesprengt. Was will der?

      Pirro. Nichts will er; ein bloßer Spazierritt. Seine Tochter wird heut abend auf dem Gute, von dem er herkömmt, dem Grafen Appiani angetrauet. Er kann die Zeit nicht erwarten—Angelo. Und reitet bald wieder hinaus?

      Pirro. So bald, daß er dich hier trifft, wo du noch lange verziehest. —Aber du hast doch keinen Anschlag auf ihn? Nimm dich in acht. Er ist ein Mann—Angelo. Kenn ich ihn nicht? Hab ich nicht unter ihm gedienet?—Wenn darum bei ihm nur viel zu holen wäre!—Wenn fahren die junge Leute nach?

      Pirro. Gegen Mittag.

      Angelo. Mit viel Begleitung?

      Pirro. In einem einzigen Wagen.—die Mutter, die Tochter und der Graf.

      Ein paar Freunde kommen aus Sabionetta als Zeugen.

      Angelo. Und Bediente?

      Pirro. Nur zwei; außer mir, der ich zu Pferde voraufreiten soll.

      Angelo. Das ist gut.—Noch eins: wessen ist die Equipage? Ist es eure? oder des Grafen?

      Pirro. Des Grafen.

      Angelo. Schlimm! Da ist noch ein Vorreiter, außer einem handfesten Kutscher. Doch!—Pirro. Ich erstaune. Aber was willst du?—Das bißchen Schmuck, das die Braut etwa haben dürfte, wird schwerlich der Mühe lohnen—Angelo. So lohnt ihrer die Braut selbst!

      Pirro. Und auch bei diesem Verbrechen soll ich dein Mitschuldiger sein?

      Angelo. Du reitest vorauf. Reite doch, reite! und kehre dich an nichts!

      Pirro. Nimmermehr!

      Angelo.