Название | Aus zwei Welttheilen. Zweiter Band. |
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Автор произведения | Gerstäcker Friedrich |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
Zeit hatte er ja für den Augenblick: die Welt lief im Allgemeinen in ihren ewigen Kreisen ruhig fort, und wenn ihm nicht manchmal ein Komet durchbrannte und einen Schweif roher Gesellen auf den Hacken, mit offenen Laternen und Pechfakeln die stillen Straßen des Firmaments auf staatsgefährliche Weise durchtobte, so war keine Unordnung zu fürchten. Doch auch selbst hierüber hatten ihn die Berechnungen der besten Astronomen beruhigt, die ja die Erscheinung des nächsten noch bis auf x Jahre hinausgeschoben.
Sein Plan ward also, kaum gewollt, auch schon ausgeführt. Mit Gedankenschnelle flogen die Zeilen mit der Enthüllung jener göttlichen, uns noch unbekannten Urkräfte des Erdkörpers auf das Papier nieder, und wenn sich der liebe Gott auch, seit er damals die zehn Gebote entworfen, nicht mehr mit literarischen Arbeiten beschäftigt hatte, so ging die Sache doch verhältnißmäßig ungemein schnell.
Das geschehen, rauschte er, die Liebe für seine oft unfolgsamen Kinder im treuen Vaterherzen, auf unsere schöne Erde hernieder, um einen Verleger für sein Werk zu suchen und stieg, wie sich das von selbst versteht, in Leipzig und zwar im ersten Gasthof daselbst ab.
Um aber jedes Aufsehen zu vermeiden, mußte er natürlich die Gestalt des Menschen – die edle schöne Gestalt des Mannes, wie er ihn früher nach seinem eigenen Bilde erschaffen, annehmen, und kleidete sich zwar sehr einfach, aber doch nach der gerade bestehenden Mode. Vor dem Hotel hielten mehrere Droschken und eine derselben brachte ihn denn auch bald zu dem Buchhändler Schmerz, bei dem er ohne weitere Umstände eintrat und ihm, nach wenigen einleitenden Worten, sein fertiges Manuscript anbot.
Herr Schmerz – ein langer hagerer Mann, mit tiefliegenden, dunkeln Augen, nöthigte ihn sehr artig zum Sitzen, las dann den Titel des Manuscripts und frug, sich leicht gegen den Fremden verneigend:
»Mit wem hab' ich die Ehre?«
Das war nun allerdings eine sehr natürliche Frage; jeder Buchhändler wünscht doch zu wissen, mit wem er es zu thun bekommt. Dem lieben Gott kam sie aber nichts desto weniger unerwartet, denn er durfte dem Manne doch nicht sagen wer er sei; Herr Schmerz hätte ihm das auch im Leben nicht geglaubt. Er faßte sich also kurz und antwortete, indem er, um nicht unartig zu scheinen die Verbeugung erwiederte:
»Schultze!«
»Ah – Herr Schultze – mir sehr angenehm. Und Sie wünschen also dies hier drucken zu lassen?«
»Ich wünsche dadurch einem dringenden Bedürfniß abzuhelfen,« sagte der liebe Gott, und Herr Schmerz schlug das Manuscript schnell auf, denn er glaubte wahrscheinlich, es lauere der Antrag zu einem neuen Theatergeschäftsbüreau oder zu einer Illustrirten Zeitung im Innern; bald sah er jedoch daß er sich geirrt habe und frug – schon etwas beruhigt:
»Und über was handelt es? Der Titel ist etwas – etwas umfassend: »Enthüllungen der geheimsten und segensreichsten Urkräfte des Erdballs« –«
»Ueber Alles – Viehzucht und Ackerbau – Religion und Politik.«
»Sie sind Literat?«
»Nicht eigentlich; ich bin mehr Oekonom, habe aber dieses Werk aus reiner Liebe zur Sache geschrieben, denn ich liebe die Menschen und weiß welchen Dienst ich ihnen damit erzeigen werde.«
Herr Schmerz blätterte ein wenig im Manuscript herum, um einzelne Sätze daraus zu lesen und schüttelte dabei bedeutend mit dem Kopfe.
»Sehr flüchtig geschrieben das, sehr, Herr – Herr –«
»Schultze,« sagte der liebe Gott.
»Ach ja, Herr Schultze – sehr flüchtig – die Setzer beklagen sich so immer!«
»Ich sollte denken, es käme hier mehr auf den Inhalt als die Schrift an!« sagte der Fremde. »Wie unscheinbar sieht zum Beispiel eine Kartoffel aus, und was schließt sie nicht Alles in sich ein? In ihrem Innern lebt und wirkt eine kleine, für sich abgeschlossene, aber deßhalb nicht weniger kunstvolle Welt; dem Menschen unbekannte Kräfte und Lebenstriebe durchströmen sie, und athmende Wesen bewegen sich in dieser festen saftigen Fleischmasse mit derselben Leichtigkeit, mit der sich die Menschen durch die Luft bewegen, und wenn im Frühjahr die Keime –«
»Sie haben Phantasie, Herr Schultze« – unterbrach ihn etwas ungeduldig Herr Schmerz, – »aber dürfte ich Sie wohl bitten, mir den Inhalt dieser Schrift etwas näher anzugeben!«
»Recht gern. – Es ist – wie Ihnen auch der Titel sagt, eine Enthüllung geheimer, bis jetzt noch nicht gekannter, vielleicht nicht einmal geahnter Naturkräfte, zuerst dem Mißwachs und den Viehseuchen entgegenzuwirken und gleichzeitig das moralische Schaffen und Treiben der Menschen – von denen der große Haufe nun doch einmal in den Tag hinein lebt, zu ordnen und zu regeln. Was die ersten Kapitel – Mißwachs und Seuchen betrifft, so existirten in früheren Zeiten andere Verhältnisse; die Bevölkerung des Erdballs war zu schwach und die Erde erzeugte mehr, als ihre Bewohner consumiren konnten. Daher mußte ich diesem Uebelstand durch natürliche Mittel abzuhelfen suchen.«
»Wer? Sie?«
»Ich – meine die Natur. Jetzt aber hat jene Ursache aufgehört, und deshalb soll auch die Wirkung nachlassen. Das Menschengeschlecht ist an Zahl so gewachsen daß es, wenigstens in Europa, Alles braucht was es erzeugen kann, und ich wünschte nun dieses zum Nachtheil werdende Hinderniß gehoben zu sehen. Das können Sie aber nicht verlangen, daß ich deshalb die ewigen Naturgesetze ändern sollte, um –«
»Nein!« sagte Herr Schmerz.
Der liebe Gott sah ihn im ersten Augenblick erstaunt an, besann sich aber schnell und lenkte wieder ein: »Um solchen Uebelständen nämlich abzuhelfen, kann man also, wie ich sagen wollte, doch nicht verlangen daß die einmal bestehenden Gesetze der Natur geändert werden sollten. Dafür liegt aber auch in ihren eigenen Kräften, in ihren geheimsten, innersten Lebensfasern das Heilmittel gegen diese nicht mehr nöthigen Zuwachsminderungen und ich habe das Alles hier kurz und bündig, aber auch leicht faßlich niedergeschrieben. Drucken Sie es und geben Sie das dafür übliche Honorar in die hiesige Armenkasse. – Sie werden überdies Nutzen genug davon haben.«
Herr Schmerz, vielleicht durch dies keineswegs gewöhnliche Benehmen neugierig gemacht, oder auch, weil ihm das ganze Aeußere des Fremden eine gewisse Ehrfurcht einflößte, scheute sich augenblicklich eine bestimmte Antwort zu geben, und bat nur ihm das Manuscript bis morgen zu lassen, wo er sich dann darüber zu entscheiden versprach. –
Zur verabredeten Stunde am nächsten Tag stellte sich der Fremde wieder ein und bat um seine Antwort. Herr Schmerz machte indessen heute ein äußerst bedenkliches Gesicht und blickte kopfschüttelnd und mit emporgezogenen Augenbraunen auf das Manuscript herab, das er in der Hand hielt.
»Ich komme um Ihre Entscheidung über den Druck meines Werkes zu hören,« sagte der Fremde.
»Ja sehen Sie – bester Herr Schultze,« begann endlich der Buchhändler nach kurzer Pause, – »das ist so eine Sache mit dem Druck dieses Heftes. Einestheils glaube ich – aufrichtig gestanden – gar nicht daß das Buch etwas machen wird. Für ein rein wissenschaftliches Werk ist zu viel Phantasie, – für Phantasie zu viel Wissenschaftliches darin und dann – druckten wir es nicht äußerst splendid daß es über zwanzig Bogen gäbe, so striche uns der Censor die ganze Geschichte. Sie halten sich ja gar nicht ein Bischen an das Bestehende, werfen Alles über den Haufen, was nun doch einmal da ist und reden von Sachen die über menschliche Begriffe fast hinausgehen. Ich habe darin herumgeblättert – etwas altväterischer Styl – nun dergleichen ließe sich abändern – aber – das nehmen Sie mir nicht übel – ein Bischen zu prätentiös ist das Ganze auch noch geschrieben. Sie reden da in einem fort: das muß so sein und das so, hier thue dies und da thue das, die Wirkung wird dann im ersten Jahre so im zweiten so, und im dritten und den folgenden so sein; die Behandlungsart von A wirkt auf B und die Unterlassung würde sich für drei Jahre wieder so, und für andere zehn wieder so gestalten. Nein, das geht nicht, mein bester Herr Schultze, damit kommen wir nicht mehr durch. Ja, in alten Zeiten, da ließ man