Die Äbtissin von Castro. Stendhal

Читать онлайн.
Название Die Äbtissin von Castro
Автор произведения Stendhal
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
isbn



Скачать книгу

und mit Anwendung von Gewalt seine eigne Tochter Beatrice, die schon groß und schön war, zu schänden. Er schämte sich nicht, sich nackt in ihr Bett zu legen. Er ging ganz unbekleidet mit ihr in den Sälen seines Palastes umher, dann nahm er sie ins Bett seiner Frau; damit die arme Lucrezia beim Schein der Lampe sehen könne, was er mit Beatrice treibe.

      Er redete dem armen Mädchen eine gräßliche Ketzerei ein, die ich kaum wiederzugeben wage, nämlich: wenn ein Vater seine eigne Tochter umarme, würden die Kinder, die daraus geboren werden, Heilige; ja, daß alle von der Kirche verehrten großen Heiligen solcherart zur Welt gebracht worden seien, sodaß ihr Großvater mütterlicherseits zugleich ihr Vater war.

      Wenn Beatrice seinen abscheulichen Wünschen widerstand, überfiel er sie mit den grausamsten Schlägen, so daß dieses arme Mädchen solch unglückliches Leben nicht länger aushalten konnte und den Einfall hatte, dem Beispiel, das ihre Schwester ihr gegeben hatte, zu folgen. Sie richtete eine sehr eingehende Bittschrift an unsern Heiligen Vater, den Papst, aber es ist anzunehmen, daß Francesco Cenci Maßnahmen getroffen hatte, denn es scheint, daß diese Schrift nie in die Hände Seiner Heiligkeit gelangt ist; wenigstens war es unmöglich, sie im Sekretariat der Memoriali aufzufinden, als Beatrice im Gefängnis war und ihr Verteidiger das Schriftstück dringend suchte; es hätte wohl in irgendeiner Weise die unerhörten Ausschweifungen im Schloß von Petrella bezeugen können. Wäre es nicht für jedermann augenscheinlich gewesen, daß Beatrice Cenci sich im Fall der berechtigten Notwehr befunden hatte? Dies Memoriale sprach auch im Namen Lucrezias, der Stiefmutter Beatrices.

      Francesco Cenci kam dieser Versuch zur Kenntnis und man kann sich denken, mit welcher Wut er die schlechte Behandlung der beiden unglücklichen Frauen verdoppelte.

      Das Leben wurde ihnen gradezu unerträglich, und damals war es – da sie wohl sahen, daß sie von der Gerechtigkeit des Papstes nichts erhoffen konnten, denn die Höflinge waren durch die reichen Geschenke Francescos gewonnen – daß ihnen der Gedanke kam, zum äußersten Mittel zu greifen, das sie ins Verderben gebracht hat, aber das wenigstens den Vorteil hatte, ihre Leiden in dieser Welt zu beenden.

      Man muß wissen, daß der berühmte Monsignore Guerra oft in den Palast der Cenci ging; er war hoch gewachsen und ein sehr schöner Mann und hatte die eigene Gabe vom Schicksal erhalten, daß er alles, was er tun wollte, mit einer ganz besondern Anmut vollbrachte. Man hat vermutet, daß er Beatrice liebte und die Absicht hatte, die Mantellata zu lassen, um Beatrice zu heiraten; aber obgleich er mit äußerster Sorgfalt seine Gefühle zu verbergen suchte, wurde er von Francesco Cenci verabscheut, der ihm vorwarf, mit seinen Kindern gemeinsames Spiel zu machen. Sobald Monsignore Guerra erfuhr, daß Signore Cenci von seinem Palast abwesend sei, stieg er in die Gemächer der Damen, verbrachte mehrere Stunden der Unterhaltung mit ihnen und hörte ihre Klagen über die unglaubliche Behandlung an, der alle beide ausgesetzt waren. Es scheint, daß Beatrice als erste wagte, dem Monsignore Guerra von dem Plan, den sie gefaßt hatten, zu sprechen. Mit der Zeit gewannen sie ihn dafür und auf Beatrices lebhaftes und wiederholtes Drängen willigte er ein, diesen Plan Giacomo Cenci mitzuteilen, ohne dessen Zustimmung man nichts unternehmen konnte, da er der älteste Bruder und nach Francesco das Haupt der Familie war.

      Es gelang außerordentlich leicht, ihn in die Verschwörung zu ziehen: er wurde von seinem Vater äußerst schlecht behandelt und bekam nicht die geringste Unterstützung, was ihm um so empfindlicher erschien, als er verheiratet und Vater von sechs Kindern war. Man wählte für die Zusammenkünfte, wo man beriet, wie man Francesco Cenci ermorden könnte, die Wohnung des Monsignore Guerra. Die Sache ging in angemessenen Formen vor sich, und man holte bei jeder Einzelheit die Meinung der Stiefmutter und des jungen Mädchens ein. Als endlich eine Entscheidung getroffen war, wählte man Untergebene Francesco Cencis, die ihn tödlich haßten. Der eine hieß Marzio, war ein Mann von Herz und den unglücklichen Kindern Francescos sehr anhänglich; er willigte ein, an dem Vatermord teilzunehmen, um sich ihnen angenehm zu machen. Olimpio, der zweite, war vom Fürsten Colonna zum Kastellan der Festung La Petrella im Königreich Neapel ernannt worden, aber durch seinen allmächtigen Einfluß auf den Fürsten hatte ihn Francesco Cenci davonjagen lassen.

      Man verabredete alles mit den beiden Männern. Da Francesco Cenci angekündigt hatte, daß er, um der schlechten Luft in Rom zu entgehen, den folgenden Sommer auf dem Kastell La Petrella verbringen würde, war man auf den Gedanken gekommen, ein Dutzend neapolitanischer Banditen anzuwerben; Olimpio erbot sich, sie herbeizuschaffen. Man entschied sich dafür, sie in den Wäldern um La Petrella zu verbergen, damit man sie unverzüglich benachrichtigen könne; wenn Francesco Cenci sich auf den Weg mache, sollten sie ihn dann von der Straße weg entführen und seiner Familie Botschaft schicken, daß sie ihn gegen ein hohes Lösegeld frei lassen würden. Dann würden die Kinder genötigt sein, nach Rom zurückzukehren, um die von den Briganten geforderte Summe zustande zu bringen; sie sollten aber vorgeben, sie nicht in solcher Schnelligkeit aufbringen zu können und die Briganten würden, wenn sie kein Geld anlangen sähen, ihrer Drohung gemäß Francesco Cenci ermorden.

      Auf diese Weise sollte niemand die wirklichen Urheber dieses Todes verdächtigen können.

      Aber als Francesco Cenci Anfang des Sommers von Rom nach Petrella reiste, benachrichtigte der Spion, der die Abreise melden sollte, zu spät die in den Wäldern verstreuten Banditen, und sie hatten nicht mehr Zeit, zur Landstraße hinunterzugelangen. Cenci kam ohne Hindernis nach Petrella, und die Briganten, die keine Lust hatten, noch länger auf eine zweifelhafte Beute zu warten, gingen nun anderswo auf eigne Rechnung zu rauben aus.

      Was den vorsichtigen und argwöhnischen alten Francesco Cenci betraf, so wagte er sich niemals aus seinem Kastell heraus. Und weil sich seine schlechte Laune mit den zunehmenden Altersgebrechen, die ihm unerträglich waren, steigerte, verdoppelte er die grausame Behandlung, die er die armen Frauen erdulden ließ. Er behauptete, daß sie sich über seine Gebrechlichkeit freuten.

      Beatrice, welche durch die schrecklichen Dinge, die sie erleiden mußte, zum Äußersten getrieben wurde, ließ Marzio und Olimpio an die Mauer des Kastells rufen. Nachts, während ihr Vater schlief, sprach sie aus einem niedrigen Fenster mit ihnen und warf ihnen Briefe zu, die an Monsignore Guerra gerichtet waren. Mittels dieser Briefe wurde verabredet, daß Monsignore Guerra tausend Piaster an Marzio und Olimpio versprechen sollte, wenn sie Francesco Cenci ermorden würden. Ein Drittel der Summe sollte ihnen in Rom durch Monsignore Guerra im voraus gezahlt werden, und die beiden andern Drittel von Lucrezia und Beatrice, sobald sie nach vollbrachter Tat über Cencis Geldschrank verfügen könnten.

      Außerdem wurde noch vereinbart, daß die Sache am Tage Mariä Geburt geschehen solle, und die beiden Männer wurden durch List in die Festung eingelassen. Aber Lucrezia ließ sich durch den Respekt, den man einem Fest der Madonna schuldet, zurückhalten und bestimmte Beatrice, den Mord einen Tag hinauszuschieben, um nicht eine doppelte Sünde zu begehen.

      Es war also am 9. September 1598 abends; Mutter und Tochter hatten mit großem Geschick Francesco Cenci Mohnsaft gegeben und dieser Mann, der so schwer zu täuschen war, fiel in tiefen Schlaf.

      Gegen Mitternacht ließ Beatrice selbst Marzio und Olimpio in die Festung ein; darauf führten sie Lucrezia und Beatrice in das Zimmer des alten Mannes, welcher fest schlief. Dort verließ man sie, damit sie das vollbringen sollten, was ausgemacht war, und die beiden Frauen warteten im Nebenzimmer. Plötzlich sahen sie die zwei Männer bleich und ganz außer sich zurückkommen.

      „Was gibt es?“ riefen die Frauen. „Daß es eine Schande und Schmach ist, einen armen schlafenden Greis zu töten!“ antworteten die Männer. „Das Mitleid hat uns gehindert zu handeln.“

      Als sie diese Entschuldigung hörte, wurde Beatrice von Empörung ergriffen und begann sie zu beschimpfen, indem sie sagte: „Also Ihr Männer, die Ihr für solche Tat wohl vorbereitet seid, habt nicht den Mut, einen schlafenden Mann zu töten! Wie viel weniger würdet Ihr wagen, ihm ins Gesicht zu sehen, wenn er wach ist! Und, um es so zu Ende zu führen, habt Ihr gewagt, Geld zu nehmen! Nun wohl, da Eure Feigheit es will, werde ich selbst meinen Vater töten; und was Euch betrifft, sollt Ihr dann nicht mehr lange leben!“

      Durch diese wenigen zündenden Worte wieder angefeuert und auch, weil sie eine Verminderung des festgesetzten Preises fürchteten, traten die Männer von neuem ins Zimmer ein und die Frauen folgten ihnen. Der eine nahm einen großen Nagel, setzte ihn senkrecht