Der Kunstreiter, 2. Band. Gerstäcker Friedrich

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Название Der Kunstreiter, 2. Band
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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einmal eine, aber sie kommen doch zu Zeiten vor und tun dann gar erschrecklichen Schaden unter den lieben Waldtieren. Es ist blutdürstiges, unersättliches Zeug, das Katzengeschlecht, und Wolf und Fuchs reichen ihm nicht das Wasser. – Nur der Mensch treibt es manchmal noch schlimmer als sie.«

      »Und so haltet Ihr den Wolf für besser als den Menschen,« lächelte Georg, der schon von den Eigenheiten des Alten gehört hatte, und der sich jetzt freute, einmal so allein mit ihm zusammengetroffen zu sein – vertrieb es ihm doch auch die bösen Gedanken, die sein Hirn peinigten und seine Seele quälten.

      »Gewiß tu' ich das,« erwiderte leise der Mann. »Der Wolf ist ein wildes Tier, ohne weiteren Verstand als den, den ihm der liebe Gott gegeben hat, um seine Beute zu beschleichen.«

      »Ihr meint den Instinkt.«

      »Den mein' ich nicht, ich meine Verstand,« beharrte der Alte, »Instinkt ist ein Wort, das prächtig für die Art von Leuten paßt, die in den Städten die dicken Bücher schreiben, und deren eigener Verstand still steht, wenn sie einmal zu uns in den Wald kommen und das Leben und Treiben der Tiere zu sehen kriegen. Wir aber, die wir eben diese Tiere näher kennen, wissen das wohl besser. Glauben Sie zum Beispiel, gnädiger Herr, daß Ihnen das kluge Pferd da etwa nur aus Instinkt folgt?«

      »Ein Pferd? nein, das hat gewiß Verstand.«

      »Schön, das sagen Sie, weil Sie näher mit ihm bekannt geworden sind; würden Sie meine lieben Waldtiere so gut kennen lernen, so fänden Sie gar bald, daß wir ihn denen noch viel weniger absprechen dürfen. – Der Mensch aber, was ich vorhin sagen wollte, hat seinen vollen Verstand und Geist und Vernunft und Seele, und wie er es sonst noch nennt, vom lieben Gott erhalten, und wie gebraucht er das alles nur zu oft!«

      »Und nur die wilde Katze setzt Ihr noch an bösartigen Eigenschaften über den Menschen?« lächelte Georg.

      »Vielleicht hab' ich unrecht,« sagte der Alte, »aber ich kann mir einmal nicht helfen, wenn ich die Katzen mehr als anderes wildes Getier hasse und verabscheue. Aber gerade sie, mehr als Schuhu und Raubvögel, zerstören mir im Frühjahr die junge Brut meiner lieben kleinen Singvögel, und wenn ich dann so ein armes Tierchen neben seinem zerrissenen Nestchen sitzen und trauern und die zerbrochenen Eierschalen unter dem Baume liegen sehe, dann überläuft's mir immer, ich weiß eigentlich selber nicht wie, und ich schwör's den Katzen, Mardern und Iltissen zu, daß sie mir's büßen sollen für alle Zeit – wo ich sie nämlich erwischen kann.«

      »Und Ihr habt die Singvögel so gern, Forstwart?«

      »Ja, gnädiger Herr, und mit Recht,« sagte der alte Mann, und es war fast, als ob seine Stimme bei den Worten zitterte. »Die kleinen Waldsänger sind mir die liebsten Tiere in der Welt; vielleicht, weil es die einzigen Freunde sind, die ich in der Welt habe,« setzte er langsamer hinzu, »und bei denen wäre es denn schon nicht mehr als Schuldigkeit, daß man ihnen wieder Anhänglichkeit bewiese. Haben sie doch niemanden hier weiter wie mich, der ihren Feinden nachstellt und sie schützt und beschirmt, wo es not tut.«

      »Und weiter habt Ihr keine Freunde, Barthold?«

      »Keine weiter,« sagte der alte Mann und schüttelte dazu langsam den greisen Kopf.

      »Aber der Graf hat mir sehr freundlich von Euch gesprochen und Euch mir warm empfohlen.«

      »Der Graf ist ein wackerer, braver Herr,« meinte der Forstwart, »und ich werde ihm ewig danken, was er an mir getan – mehr, als Sie und jemand anders wissen können; – aber – den Herrn kann ich doch nicht zu meinen Freunden zählen!«

      »Nicht? – und weshalb?«

      »Lieber Gott, weshalb? Der Herr Graf ist mir ein lieber und gnädiger Herr – aber er ist eben ein Herr und noch dazu ein recht vornehmer, wenn auch wohlwollend und herablassend, und da kann mit Unsereinem von Freundschaft nicht die Rede sein. Unter Freunden, mein gnädiger Herr, verstehe ich zwei Teile, die voreinander kein Geheimnis haben, die einander mitteilen, was sie freut, was sie drückt, die einander helfen, wo sie können – nicht nur der eine Teil dem andern, sondern auch umgekehrt, und die beisammen ausharren in Freud' und Leid – solange eben dieses morsche Leben noch zusammenhält und das Herz nicht aufgehört hat zu schlagen.«

      »Aber unter der Bedingung, Forstwart, dürft Ihr die Vögel des Waldes, und wenn sie noch so lieb und freundlich singen, doch nicht zu Euren Freunden zählen, denn Ihr mögt ihnen so viel klagen und gestehen, wie Ihr wollt, ihr Mund bleibt stumm für Euch, und mit der Hilfe und dem Beistande, die sie Euch leisten könnten, sieht es auch nur windig aus.«

      »Meinen Sie, gnädiger Herr?« sagte der alte Mann und lächelte dabei gar still und heimlich vor sich hin, »aber da hätten Sie sich doch vielleicht geirrt, denn nicht allein verstehen die Vögel mich, wenn ich bei ihnen einmal hier draußen dem gedrückten Herzen Luft mache, nein, ich verstehe sie ebensogut, ob die paar Zurückgebliebenen mir nun im kalten Winter ihr Leid oder im Sommer den Verlust eines lieben Angehörigen klagen oder mir im Frühling die heimkehrenden Wanderer ihren Jubel, ihre Seligkeit entgegen zwitschern. – Sie, gnädiger Herr, sind eigentlich seit langer, langer Zeit der erste, mit dem ich wieder darüber rede, weil – weil mich etwas zu Ihnen zieht, dem ich keine Worte geben kann, für das ich eigentlich keine Ursache habe. Früher, ja, sprach ich mich offen darüber gegen jeden aus, aber mein Lohn war, daß ich von dem unwissenden Volke verlacht und ausgespottet wurde. Da behielt ich, was ich wußte, lieber für mich, und zog mich mehr und mehr nur auf mich selbst zurück.«

      »Und Ihr glaubt wirklich, daß Ihr die Sprache der Tiere verstehen könnt – daß sie Euch wieder verstehen, wenn Ihr mit ihnen sprecht?«

      »Ich glaube es nicht nur,« sagte zuversichtlich der alte Mann, »ich weiß es ganz gewiß. Stundenlang hab' ich schon draußen auf der Wiese bei den Störchen gesessen und mir von ihren Reisen erzählen lassen – stundenlang dem muntern, manchmal ein bißchen leichtfertigen Stieglitz zugehört, und was meine alte treue Amsel betrifft, die mir eigentlich die liebste ist von allen zusammen, so verstehen wir beide wohl jede Silbe, die wir miteinander reden.«

      »Die Amsel ist Euch die liebste?« fragte Georg, der unwillkürlich Interesse an den Phantasien des alten Mannes nahm.

      »Gewiß,« erwiderte dieser. »Die Amsel ist eines von den bescheidenen, anspruchslosen Wesen in der Welt, die trotz ihres eigenen Verdienstes, eben ihrer Zurückhaltung wegen, es doch nirgends zu etwas Ordentlichem bringen und stets zurückgesetzt und übersehen werden. Und wie treu hält sie bei uns in Frost und Kälte aus; wie bescheiden hüpft sie in ihrem anspruchslosen schwarzen Kleidchen einher, und was für eine lieblich grüne Stimme hat sie dabei!«

      »Eine grüne Stimme?« fragte Georg, dem dieser Ausdruck neu war.

      »Allerdings,« versicherte der alte Mann, »und zwar das ganz bestimmte junge Waldesgrün, wenn ihm der Frühling seinen ersten Saft gegeben – nicht ein Mischmasch von Farben, wie der Finke mit seinem Violett oder der Zeisig gar mit seinem schmutzig gelben Ton – ein reines, schönes, helles Grün, das mit seinem lieben Klange meine alten Ohren auch noch erfreut, wenn der Winter schon lange das wirkliche Grün von den Zweigen gefegt und seine weiße Schneedecke über den Wald gebreitet hat.«

      »So beurteilt Ihr den Gesang der Vögel nach den Farben?«

      »Gewiß tue ich das,« versicherte der Greis, »und nirgends zeigen sich mir die Farben deutlicher als eben im Gesange. Die Grasmücke singt rot, aber kein brennend schmerzendes Rot wie der Kanarienvogel, sondern sanft und doch leuchtend, wie ich nur einmal in meinem Leben am nördlichen gestirnten Himmel habe Strahlen schießen sehen. Die Nachtigall singt dunkelblau – dunkelblau wie der Nachthimmel selber, daß man die beiden kaum voneinander unterscheiden kann. Die Lerche singt jenes wundervolle Korngelb der reifen Aehren, das Rotschwänzchen ein allerliebstes bläuliches Grau, die Schwalbe weiß, der Nußhäer, der spöttische Gesell, ein tiefes Schwarz, ich mag den geschwätzigen hirnlosen Burschen auch deshalb nicht besonders leiden; die Drossel singt dunkelgrün, und fast alle Farben finden sich unter den Sängern des Waldes, alle, mit ihren leisesten Schattierungen – nur nicht hellblau. Kein Vogel, und das ist etwas, worüber ich schon oft und lange nachgedacht, singt hellblau, und nur ein einziges Mal, und zwar eine einzige Nacht, habe ich eine Nachtigall gehört, die hellblau sang, und