Название | Der Erbe. Dritter Band. |
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Автор произведения | Gerstäcker Friedrich |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
»Aber er hat sie ja schon an…«
»Nun gut, dann wenigstens den Werth des Stoffes ersetzt erhalten. Ich glaube selber, daß dieser Heßberger ein nichtsnutziger Bursche ist, und hat er den Diebstahl wirklich verübt, so wollen wir ihm dieses Mal schon beikommen.«
»Und was habe ich dabei zu thun?«
»Gar nichts; sollte ich Sie noch brauchen, so schicke ich heute Abend zu Ihnen hinaus. Sind Sie zu Hause?«
»Gewiß; gegen Abend gehen wir ein wenig im Garten spazieren und um halb neun Uhr legen wir uns in's Bett.«
»Das ist früh; aber so spät schicke ich keinenfalls.«
»Und Sie meinen wirklich, Herr Staatsanwalt…«
»Daß Sie Ihr Hosenzeug ersetzt bekommen; ich habe es Ihnen garantirt.«
»Dann bin ich mit Allem einverstanden,« sagte Frühbach und streckte ihm die Hand entgegen. »Und jetzt will ich gleich nach Hause gehen und es meinem Frauchen sagen, daß ich den Dieb selber entdeckt habe – die wird sich freuen. Angenehmen Nachmittag, meine Herren!« Und vergnügt vor sich hin schmunzelnd verließ der Rath das Zimmer.
Der Actuar hatte, seit ihm Witte zugewinkt, kein Wort mehr in die Sache hineingesprochen, denn er konnte ja auch gar nicht wissen, welchen Zweck der Staatsanwalt dabei verfolge. Er schüttelte aber vor sich hin mit dem Kopf, denn wenn jener Heßberger wirklich einfach bewies, daß er das Zeug in jenem Laden gekauft habe – und das schien schon geschehen zu sein –, so war es doch gar nicht denkbar, in dieser Sache gegen ihn vorzugehen. Kaum hatte der Rath die Thür hinter sich in's Schloß gezogen, als er sich deshalb auch an Witte wandte und ihn fragte, was er in der unklaren Geschichte zu thun gedächte.
»Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Actuar,« erwiederte der Staatsanwalt: »daß der Heßberger das Hosenzeug gestohlen hat, glaube ich, nach der Bereitwilligkeit, mit welcher er den Rath in den Laden führte, selber nicht; aber meiner moralischen Ueberzeugung nach ist der Schuhmacher ein vollkommen nichtsnutziges Subject, bei dem ich schon lange auf eine Gelegenheit gewartet habe, um ihm einmal beizukommen, und die bietet sich jetzt in vortrefflicher Weise durch unsern Rath Frühbach; der soll mir die Kastanien aus dem Feuer holen.«
Der Actuar lachte. »Aber was wollen Sie thun?«
»Haussuchung bei Heßberger's halten, und zwar einfach auf Anklage Frühbach's hin. Findet sich dann nichts, so mag er den Rath immerhin wegen Ehrenbeleidigung oder sonst was verklagen.«
»Aber Sie können den armen Rath dadurch in schmähliche Verlegenheit bringen, und er wird es Ihnen wenig Dank wissen.«
»Bah,« sagte Witte, »ich habe ihm erst neulich aus einer ganz ähnlichen herausgeholfen, und da mag er denn Eins gegen das Andere abrechnen. Uebrigens muß ich Ihnen gestehen, Actuar, daß gegen diesen Heßberger in mir ein ganz eigener und schwerer Verdacht aufgestiegen ist. Ich habe nämlich heute Morgen das Protokoll durchgeblättert, das Sie beim alten Salomon aufgenommen haben und mir zuschickten. Seine Aussagen sind allerdings vollständig unbestimmt, seine Personalbeschreibung des Mörders würde auf tausend Menschen in der Stadt passen; aber etwas habe ich darin gefunden, das mich stutzig machte. Er erwähnt, daß der Mann, der schon ein paarmal bei ihm im Laden gewesen, sonderbare Ausdrücke beim Reden gebraucht. Das thun nun allerdings ebenfalls viele Leute, aber bei diesem Heßberger ist es mir besonders aufgefallen, und es wäre doch merkwürdig, wenn wir dadurch auf die richtige Spur kämen.«
»Aber Sie glauben doch nicht, daß der kleine Heßberger…«
»Man kann keinem Menschen in's Herz sehen; übrigens weil ich eben nichts Bestimmtes weiß, kam mir der Rath mit seiner Klage gerade recht.«
»Und Sie haben ihm den Erfolg schon garantirt…«
»Nichts weiter als den Ersatz seines Hosenzeugs,« sagte Witte, »das sich nicht so hoch belaufen wird, wenn der Schuhmacher Heßberger den nämlichen Stoff trägt. Das Schlimmste, das mir also passiren kann, ist, daß ich dem Rath seine Hosen bezahle. Aber was ich Sie fragen wollte, wie steht es mit dem jungen Baumann?«
Der Actuar zuckte mit den Achseln. »Der alte Salomon,« sagte er, »will allerdings nichts von ihm gesehen haben und behauptet, daß er vollkommen unschuldig wäre; aber ich kann mich noch nicht überzeugen, daß dessen Aussage allein maßgebend sein sollte, da es doch nicht wahrscheinlich ist, daß ein Mensch allein wagen sollte, etwas Derartiges zu unternehmen. Baumann kann möglicher Weise draußen an der Thür Wache gestanden haben.«
»Aber dann wird er doch wahrhaftig nicht selber an die Thür pochen und um Hülfe rufen!«
»Es ist noch immer nicht ganz sicher festgestellt, daß er das auch wirklich gethan hat, denn wir haben dafür nur seine eigene Aussage.«
»Und die Leute aus der Nachbarschaft? Sind sie denn nicht allein auf den Hülferuf herbeigekommen?«
»Allerdings; aber es kann auch Jemand anders gerufen haben.«
»Sie sind unverbesserlich, Actuar, und indessen erzählen sich die Leute in der Stadt, daß der junge Baumann am Freitag geköpft werden sollte.«
»Sie überschätzen die Eile unseres Gerichtsverfahrens,« sagte der Actuar trocken; »wenn er wirklich verurtheilt wäre, könnte das noch immer sechs Monate Zeit haben.«
»Und seine Familie – was muß die dabei empfinden?«
»Mein lieber Staatsanwalt,« sagte der Actuar erstaunt, »Sie wissen doch am besten, daß wir hier auf der Polizei keine Gefühlspolitik treiben, sondern unsern ruhigen Geschäftsgang gehen.«
»Nein, Actuar, Sie haben recht,« sagte Witte; »entschuldigen Sie, daß ich Ihnen Uebermenschliches zutraute!«
»Und wann wollen Sie die Haussuchung vornehmen?«
»Gleich heute Abend. Sie haben vielleicht die Güte, mir die Leute zu besorgen; bis wann sind Sie Abends hier?«
»Jedenfalls bis sieben Uhr; später ist es ungewiß, obgleich ich heute wahrscheinlich etwas länger aufgehalten werde.«
»Also auf Wiedersehen, Actuar!« sagte der Staatsanwalt und stieg, über seinen neuen Plan brütend, die Treppe hinunter.
Daß er den Rath Frühbach, wenn sie wirklich nichts Gravirendes beim Schuhmacher Heßberger fanden, in die Gefahr brachte, von dem Schuster wegen Ehrenkränkung verklagt und nachher auch vom Gericht verurtheilt zu werden, wußte er recht gut; aber das machte ihm nicht die geringste Sorge. Frühbach selber hatte das mehr als reichlich durch sein Benehmen bei der Wittwe Müller verdient, und wie die Sachen gegenwärtig standen, ärgerte er sich, daß er damals auf so albern gutmüthige Weise den Vermittler gespielt. Wie aber das Alles wunderbar zusammenhing! Der Major, welcher schon seit Jahrzehnten an der Erbschaftssache bohrte und die lange Zeit daneben getappt hatte, schien jetzt doch die, wenn auch indirecte, Ursache zu sein, daß die Frau Baumann das Geständniß abgelegt; denn die Angst hatte sie geplagt, daß die so lang verheimlichte Sache nun doch vor Gericht käme. Wenn der jetzt wüßte, wie Alles stände, in welche Aufregung würde er gerathen! Es war aber besser so, denn möglicher Weise hätte er mehr verdorben, als gut gemacht. Was konnte er auch in der Sache thun und welches Interesse hatte er dabei, da es seine Ansprüche nicht im geringsten unterstützte? Ein Erbe war jedenfalls da, ob der nun Bruno oder Friedrich hieß, und nur gegen die Nachfolge einer Tochter würde er seine vermeintlichen Rechte haben geltend machen können.
Mit den Gedanken schlenderte Witte die Straße hinab und bog fast unwillkürlich in die Seitenstraße ein, an welcher das Baumann'sche Haus lag. Er hatte der Frau versprochen, dort vorzukommen, und wollte sein Wort halten.
Welche traurige Veränderung war aber heute in dem sonst so thätigen Hause vorgegangen.
Als Baumann seine Frau vermißte, lief er, mit der Todesangst im Herzen, sie könne sich in der Aufregung ein Leid anthun, so rasch ihn seine Füße trugen, nach dem Fluß hinunter und fragte dort hin und her, ob Niemand ihr begegnet sei oder sie gesehen habe. Umsonst – dorthin konnte sie auch nicht gewandert sein, denn an der Brücke wurde gerade gearbeitet; eine Menge Menschen gingen dort ab und zu, und unbemerkt wäre sie keinesfalls vorüber gekommen.