Название | Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band. |
---|---|
Автор произведения | Gerstäcker Friedrich |
Жанр | Книги о Путешествиях |
Серия | |
Издательство | Книги о Путешествиях |
Год выпуска | 0 |
isbn |
»Und die Mi-to-na-res?« sagte das Mädchen leise.
»Werden die Reuige gern und liebend in ihren Schutz und Schirm nehmen und ihr die Sünden vergeben, wie Gott einst gnädig auf uns niederschauen möge,« sagte Sadie rasch und freudig, denn in der Frage schon lag eine Zusage ihrer Bitte. Aia lag noch lange an der Gespielin Schooß und ihre Thränen schienen rascher zu fließen, als eine laute Männerstimme fröhlichen Gruß durch die Hecke blühender Akazien rief, die den Garten von der Straße trennte.
»Ah Lefevre,« antwortete René, »wie geht es Euch, Nachbar, und kommt Ihr nicht herüber?«
»Gleich, gleich,« lautete die Antwort, und sie hörten wie der junge Franzose draußen noch mit Jemanden sprach und ihm Aufträge gab.
Aber auch Aia hatte sich rasch und wie erschreckt emporgerichtet, und die Locken aus der Stirn, die Thränen aus dem Auge werfend wandte sie sich, als ob sie den Platz fliehen wollte; Sadie aber ergriff rasch ihre Hand und sagte leise und bittend:
»Gehe nicht fort von hier, Aia, bleibe bei uns.«
»Nein nein,« rief aber das Mädchen und Sadie konnte sehen welchen Seelenkampf es ihr kostete die Bitte auszuschlagen, den stillen Frieden ihrer Wohnung zu verschmähn und allein und freundlos in dem wilden Leben fortzustürmen, »nein ich kann – ich darf nicht bei Dir bleiben – ich verdiene es nicht – ich bin bös und schlecht geworden, und deines Gottes Fluch würde mich von der Schwelle treiben, auf der jetzt noch Dein Glück und Frieden weilt – aber« setzte sie wilder hinzu, und ihr Auge blitzte in unheimlicher Gluth nach René hinüber, »wenn sie Dich Alle verlassen haben, und Du allein und freundlos in der Welt stehst – wie ich jetzt – dann wird Aia an deiner Seite sein, und Dir für das freundliche Wort danken, das Du heute zu ihr gesprochen. Dann wollen wir lachen und tanzen und zusammen in's Leben stürmen, aber nicht mehr klagen und weinen. – Den faï über die Thränen – sie waschen den Schaum von der Seele des Menschen, daß man hinunter sehen kann bis auf den Grund – und der Fischer lacht doch nur, der darüber hinfährt.«
»Du hast vielleicht Ursache Einem von uns zu zürnen, Aia,« sagte aber René, der wohl sah welchen schmerzlichen, ja peinlichen Eindruck die Worte auf seiner Sadie Seele machten, »und schmähst jetzt ungerecht das ganze Geschlecht. Du wirst uns in späteren Jahren Abbitte thun.«
»Werd' ich – ha? und Le-fe-ve auch, wie?« – lachte das Mädchen zornig und deutete mit dem ausgestreckten Arm nach dem, eben den Garten betretenden Franzosen.
»Hallo Aia!« rief ihr dieser zu, »summt die wilde Hummel auch wieder ihr Lied auf unserer Flur? – ha, Du hast Thränen im Auge Mädchen? – geh, Du bist ein schwarzer Vogel und prophezeihst nur Unheil.«
»Es bedarf keines Propheten,« sagte aber das Mädchen zürnend, indem sie sich abwandte und das Schultertuch fester um sich zog – »Jeder von uns kann leicht vorhersagen daß die Sonne morgen früh wieder über die Berge kommt, wenn sie am Abend hinter Morea2 in die See gesunken. – Fort mit Euch, Ihr habt süße Worte auf der Zunge, und Gift, tödtliches Gift im Herzen – fort, Aia kennt Euch – fort!« – und ohne Gruß noch Blick zurückzuwerfen, schritt sie den schmalen Pfad hinab, der nach dem unteren Pförtchen führte und war bald in der sogenannten broomroad, dem gebahnten Weg nach Papetee, verschwunden.
Sadie sah ihr seufzend nach und auch René konnte sich eines unheimlichen Gefühls nicht ganz erwehren.
»Joranna René, – ah bon jour Madame,« rief aber Lefevre der wohl den peinlichen Eindruck zu verwischen wünschte, den die Worte des wunderlichen Mädchens unverkennbar besonders auf Sadie gemacht, »hat Ihnen Aia den schönen Abend verderben wollen? – es ist ein albernes Ding, und darf mir gar nicht mehr über die Schwelle, denn Aumama weint jedes Mal, wenn sie nur den Fuß unter das Dach gesetzt.«
»Sie ist arm und unglücklich,« sagte Sadie.
»Ach – sie verstellt sich,« entgegnete mürrisch Lefevre – »und trägt wahrscheinlich selber mit die größte Schuld ihres Leid's. Wir armen Teufel sollen's dann immer allein verbrochen haben, nicht wahr René? – Doch, was ich gleich sagen wollte; gehen Sie mit nach Papetee? – die ehrwürdigen Protestantischen Herren haben da wieder eine Zusammenkunft, heut Nachmittag, und wie das Gerücht geht beabsichtigen sie den Beschluß ernster Maßregeln, jeden Französischen Einfluß, und mit ihm vielleicht auch gleich wieder die Französischen Priester, die ihnen ein Dorn im Auge sind, von sich abzuschütteln.«
»Die Missionaire« – sagte René rasch, fuhr aber gleich darauf langsamer fort, »sind wackere und brave, aber kurzsichtige Männer, sie glauben das Heft jetzt in Händen zu haben und spielen so lange damit bis es ihnen unter den Fingern wegschlüpft – sie sollten sich nicht in die Politik mischen.«
»Was sagt Mr. Nelson dazu?« frug Lefevre.
»Er hält die Ankunft der Katholiken auch für ein Unglück für die Inseln, ist aber mit den Gewaltsmaßregeln unzufrieden die man dagegen ergreifen will; doch was kann der Einzelne gegen die ganze Schaar ausrichten.«
»Und gehen Sie mit nach Papetee?«
»Was sollen wir dort? – herbe Reden hören, die uns vielleicht ärgern und zu Gegenreden treiben? – ich habe keine Freude an der Sache, und sehe das Leid und Elend schon vor Augen das daraus entspringen wird und muß.«
»Aber wir mögen vielleicht noch Manches mildern was geschehen könnte. Mörenhout ist ein vernünftiger Mann, und wird nicht zu weit gehn.«
»Was kann Mörenhout thun?« sagte René achselzuckend – »so wie die Missionaire unter dem Schutz eines Englischen Kriegsschiffes stehn, und so lange das im Hafen liegt, daß sie sich sicher fühlen, haben sie das Wort, und wir kennen sie doch dahin gut genug, zu wissen, wie sie das gebrauchen. – Aber ich gehe mit, wir haben dann wenigstens unsere Pflicht gethan, und uns selber nichts vorzuwerfen. Ich komme bald wieder zurück, Sadie,« sagte er sich niederbeugend und ihre Stirn küssend.
»Bleibe nicht so gar lange aus heut',« bat die junge Frau ihn, leise flüsternd, und die Kleine noch auf dem Knie haltend, die erst die Aermchen um den von ihr Abschied nehmenden Vater geschlungen, sah sie den Männern lange und schweigend nach.
Aber Aia's Worte hatten doch trübe und schmerzliche Gedanken in ihrer Seele wach gerufen. Nicht für das eigene Glück fürchtete sie dabei; so keck und leicht René auch immer in das Leben stürmte, so treu war er sich geblieben, was sie betraf, von erster Stunde an wo er sie gesehen, und das Kind, das er mit unendlicher Zärtlichkeit liebte, schlang die Bande des Herzens ja noch fester um sie. Aber das wilde Leben der Insel selber; die ihr feindlich dünkende Religion, die weiter und weiter um sich zu greifen drohte, und viel, so entsetzlich viel von dem verwarf, was ihr bis dahin der Seele Heiligstes gegolten; der Unfrieden dabei zwischen den eigenen Lehrern, die Vorwürfe, die von den Missionairen ihrem alten Vater o so ungerecht gemacht wurden, der Römischen Kirche mehr als mit seiner Stellung verträglich zugethan zu sein, wie er denn auch selbst das einzige Wesen das ihm näher stand, einem Katholiken zur Frau gegeben; ja selbst René's Gleichgültigkeit gegen einen Kampf, der doch die heiligsten Interessen ihrer einstigen Seligkeit betraf, das Alles zog ihr in trüben ängstigenden Bildern an der Seele vorüber. – Und dabei hatte ja die arme Aia recht mit so vielen Anderen; wohin sie dachte schrak sie vor dem wilden Treiben zurück, das lockere Bande schlang um Europäer und Insulanerinnen, und sie losließ, wie es dem Augenblick gefiel. Ob das Herz darüber brach, oder die Verlassene in Schmerz und Trotz Entschädigung, Vergessen suchte in wilder lasterhafter Lust; die Welle des flüchtigen Tages schlug über ihr zusammen, und die nächste Sonne hatte vergessen was sie gestern beschien in Lieb und Treue.
»Mein schönes Atiu,« seufzte sie da leise vor sich hin – »Du lieber, lieber Platz an dem freundlichen Strand – Deine Palmen so grün, Deine Früchte so süß – Atiu. Und der alte kleine Mi-to-na-re da am Haus, der
2
Die Indianer nennen die Insel Imeo meist Morea.