Amerikanische Wald- und Strombilder. Erster Band.. Gerstäcker Friedrich

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Название Amerikanische Wald- und Strombilder. Erster Band.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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den Sternen – die Spuren seiner scharfen Krallen bezeichneten noch den weichen Grund.

      Aber was hob sich dort, dunkel und ungewiß, im matten Licht, dicht zu Häupten des Grabes? War es ein Stein der Erinnerung, den die Bewohner von Waterton dem fremden Krieger gesetzt? – Hatten sie soweit sein Andenken geehrt, um sogar den Platz zu bezeichnen, wo Einer der von ihnen Vertriebenen sein Haupt berge unter den Bäumen, deren Schatten ihn früher erquickte? Ach nein – nein – nicht Liebe war's, die das erkaltete Herz hier einscharrte in seine irdene Urne – den Leichnam aus dem Weg zu schaffen, hatten sie gemeint; so schnell und bequem das geschehen konnte, so schnell geschah es – daß sie das indianische Grab dazu gewählt, war die einzige Freundlichkeit, die sie der Race selbst bewiesen.

      Und jener Stein? —

      Hättest du die dunkelglühenden Augen gesehen, wie sie unter der fest und stolz emporsteigenden Adlersfeder vorfunkelten – hättest du den leisen monotonen Sang gehört, mit dem er, wie in kaum vernehmbaren Flüstern, die Todtenklage über den Geschiedenen murmelte, du hättest nicht nach einem Stein gefragt – ein lebendes Monument seines Stammes, kauerte der Häuptling, im vollen Schmuck des Kriegers, über dem Grab – seines Vaters, und während die Linke fast bis zum Handgelenk in den weichen lockeren Boden sank, hielt er die Rechte starr und regungslos zu den Sternen gestreckt, als ob er Körper und Seele des Verblichenen herauf und hernieder ziehen wolle zu sich, dem allein Zurückgebliebenen.

      Da plötzlich hob er rasch und lauschend das dunkle Haupt – die hohe Feder schwankte von der fast unwillkührlichen Bewegung, und mehrere Secunden lang schien er mit der gespanntesten Aufmerksamkeit einem noch fernen aber seinen scharfen Sinnen nicht entgangenen Geräusch zu horchen.

      Es kam näher – er unterschied Stimmen – er vernahm das Krachen und Knicken niedergebrochener dürrer Zweige, und sich jetzt vorsichtig erhebend – das Antlitz fortwährend der Stelle zugewandt, von der die störenden Laute tönten, glitt er leise zurück in den schützenden Schatten der Bäume und verschwand im nächsten Augenblick in ihrem Dunkel.

      »Ich sage dir Patrik – du bist ein Esel!« rief Doktor Mac Botherme, als er wenigstens zum fünfzigsten Mal über die im Wege liegenden Äste gestolpert und gestürzt war, und eben wieder, die Schienbeine reibend, aufstand – »du schwatzt ja Zeug, was einen vernünftigen Christenmenschen in seiner eigenen Wohnung zur Verzweiflung bringen könnte, geschweige denn hier, in diesem verfluchten Wirrwarr von knochenzerbrechenden Bäumen – Herr Gott!« unterbrach er sich hier selbst in halbverbissenem Schmerzschrei, als er eben wieder mit dem Gesicht in einer der scharfdornigen Schlingpflanzen hängen geblieben war, und sich nun sorgfältig mit der flachen Hand über Stirn und Backen fuhr, um zu fühlen, ob er nicht blute.

      »Aber Doktor Mac Botherme« – fuhr der dadurch ungerührte Patrik in seinem breiten irischen Dialekte und in der eben erst unterbrochenen Rede fort, indem er stehen blieb, Hacken und Spaten auf die Erde niedersetzte und sich ängstlich dabei nach allen Seiten hin umsah – »ist es denn nicht meiner Mutter Sohn, den sie alle Augenblicke bald rechts, bald links festhalten, als ob sie sagen wollten: »Patrik, mein Herzchen, mein Juwel, gehe nicht weiter – gehe keinen Schritt weiter, in dieser gesegneten Nacht – es kostet sonst deine Seele – du bist ein verlorenes Schaaf.« – «

      »Du bist ein geborener Ochse – Patrik, mein Herzchen!« rief der Doktor ärgerlich, dem die Angst seines Gefährten keineswegs gelegen kam. »Hab' ich dir nicht schon zehntausend Mal gesagt, daß es die Zweige und wilden Rebenstöcke sind, in denen du hängen bleibst; – wenn du dich nicht jedesmal bücktest und an zu beten fingst, so könntest du's selber sehen.«

      »Arrah Sir« – seufzte der sich hier höchst unbehaglich befindende Ire, »mag's mir die Mutter Maria vergeben, daß ich mich bei Nacht in solch heidnischen Wald getraut habe; aber so viel weiß ich – bin ich erst einmal wieder in der Stadt – keine Seele kriegt mich zum zweiten Mal in eine solche Gegend. – Und nun auch erst noch Leichen ausgraben« – fuhr er mit weinerlicher Stimme fort, als der Doktor indessen, sich wenig um seine Klagen kümmernd, die Gegend recognoscirte, in der sie sich befanden; – »Leichen ausscharren, wie's die wilden Bestien in Afrika machen sollen – und Leichen zu Haus tragen und kochen, wie ein anderes ehrliches Stück Rindfleisch – o Jäses, o Jäses, wenn uns heute der Böse nicht holt, dann giebt's gar keinen!«

      Patrik hatte in aller Verzweiflung sein Handwerkszeug fallen lassen, und kauerte sich, die Hände über die Knie gefaltet, ängstlich nieder. Mac Botherme kannte aber den Geist, der seine Geisterfurcht zu bannen vermochte – aus seiner Tasche holte er die mit Leder überzogene Feldflasche vor, zog den Stöpsel ab und hielt sie mit ausgestrecktem Arm dem Muthlosen entgegen.

      »Hier Patrik!« sagte er dabei – »deine Einbildungskraft wird trocken – gieß ihr ein wenig Bergthau auf die Wurzeln – nachher erholt sie sich wieder, und – bedenke, daß du, wenn du mir jetzt getreulich beistehst, nach glücklich abgelaufenem Abenteuer zwei Dollar baar Geld und – zwei Gallonen – sage zwei Gallonen Whiskey erhältst, und den zwar vom besten!«

      »Honey my dear!« sagte Patrik, der schon bei dem Abziehen des Stöpfels den Kopf gehoben und einen flüchtigen aber sehnsüchtigen Blick nach der Flasche hinübergeworfen hatte. – »Doktor Mac Botherme ist der Mann, der einem armen gedrückten Menschen wieder Muth einsprechen kann in der Noth. Doktor Mac Botherme ist ein ordentlicher wirklicher Christ, wie Vater O'Rhoole sagte, wenn er Sonntags den Beichtpfennig kriegte.«

      »Sei nur jetzt ruhig, Patrik!« beschwichtigte ihn der Doktor, und warf einen scheuen Blick umher – »wir können nicht mehr weit von der Stelle sein, und je ruhiger wir das ganze Geschäft abmachen, desto besser ists. Es – es könnte ja doch per Zufall so eine verwünschte Rothhaut im Walde herumkriechen, und dann ist's immer besser, man schreit so wenig als möglich. Komm Patrik – in einer Stunde kann unser ganzes Geschäft abgemacht sein.«

      Er war im Begriff seinen Weg fortzusetzen, als Patrik, der indessen die Flasche an sich genommen hatte, plötzlich seinen Arm ergriff, und leise flüsternd, aber mit ängstlicher Stimme sagte:

      »Und sind es wirklich die rothen, blutdürstigen Deiwels, die einem rechtschaffenen Christen die Haut vom Kopfe ziehn und Geldbeutel d'raus machen? sinds die rothen Indianer, von denen Doktor Mac Botherme fürchtete, daß sie hier herumschnüffeln und Lust nach Paddy O'Flahertis Goldhaar haben könnten?«

      »Rede nicht so albernes Zeug, Pat!« sagte der Doktor, und machte seinen Arm von dem des Dieners los – »komm lieber, und sei gescheidt – denk an den Whiskey und an die Dollar, denn nicht der rothe Pfennig oder der klare Tropfen ist's, den Patrik O'Flaherti zu schmecken bekommt, wenn er jetzt noch lange mit Zweifeln und Reden die Zeit vertrödelt!«

      Der würdige Doktor hatte sich auf die Art mit Willen in eine Art Zorn hineingeärgert, damit er die eigene Furcht beschwichtige, und ohne eine weitere Einwendung abzuwarten, schritt er rasch vorwärts, und hatte so, wenn auch unbewußt, die beste Methode gefunden, seinen Begleiter folgen zu machen, denn der wäre nicht, um alle Versprechungen der Welt, allein im Walde zurückgeblieben. Nur wenige hundert Schritte brachten sie aber auch an das ersehnte Ziel, und Patrik schüttelte sich leise, da er den stillen heimlichen Fleck erblickte, dessen Ruhe sie mit frechen, unheiligen Händen entweihen wollten.

      »Patrik,« flüsterte der Doktor – »das hier ist die Stelle – hier ist das Grab – da gerade in der Mitte. – So, nun nimm deine Hacke und Spaten herunter und ich will indessen die Flinte laden gieb mir einmal das Pulverhorn – wir werden's hoffentlich nicht brauchen, aber der Henker traue doch dem Frieden – besser ist besser – nun? hörst du nicht, Pat? das Pulverhorn will ich haben!«

      »Und ist es das, was Ihr verlangt?« frug Patrik erstaunt, »steckt denn nicht Alles in Eurer eigenen Tasche?«

      »Unsinn, Pat!« sagte der Doktor ärgerlich, während er sich jedoch die Taschen befühlte, ob er das Geforderte vielleicht dennoch in Gedanken eingesteckt habe. – »Unsinn Pat, hier ist's nicht – und da nicht – und da vorne auch nicht – ich hab' es dir ja auch, einen Augenblick ehe wir fortgingen, in die Hand gegeben.«

      »Segne Eure Seele Herr!« rief Patrik schnell – »und ist es weiter Nichts wie das lange Kuhhorn mit dem grünen Bindfaden d'ran, was Ihr sucht?«

      »Nein,