Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Dritter Band. Gerstäcker Friedrich

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Название Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Dritter Band
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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schwarzes Seidenkleid wie eingeschnürt und ohne Crinoline, mit einer großen, weißen Haube auf, die weiter nichts Merkwürdiges als zwei furchtbar große, reich gestickte – leider auch schon einmal ausgebesserte – Zipfellappen und eine sehr große, orangenfarbige Rose trug.

      Glücklicherweise blieben diese Beiden nicht lange die einzigen Gäste, denn die Unterhaltung wäre unter so verschiedenen Elementen sehr bald in's Stocken gerathen. Bald danach meldete Jeremias: »Herr Balthasar Rohrland nebst Frau Gemahlin, Madame Rohrland.«

      Madame Rohrland war ganz das Gegentheil der Frau Pastorin: ein kleines, rundes, munteres Frauchen, sehr einfach, aber gar nicht geschmacklos gekleidet, mit weiter keinem Schmuck, als ihrem Trauring und einer einzelnen Achatschnur um den Hals.

      Rohrland selber war ein schlichter, praktischer Mann mit gesundem Mutterwitze, und er wie seine Frau bewegten sich vollkommen ungenirt in der bis jetzt noch immer etwas steifen Umgebung.

      Mit dem Schlage halb Neun erschien Baron Jeorgy, und zwar grundsätzlich stets genau eine halbe Stunde später, als die an ihn ergangene Einladung lautete. Er war natürlich à quatre épingles gekleidet; seine Toilette ließ Nichts zu wünschen übrig, und er hätte eben so gut damit bei dem Lever irgend eines europäischen Fürsten erscheinen können. Pastor Beckstein schrak auch wirklich ordentlich in sich zusammen, als er zufällig einmal einen Blick auf seine Nankings warf. Die Frau Pastorin haßte den Baron aber seit diesem Augenblicke noch viel mehr, als sie ihn je gehaßt hatte – es versteht sich von selber, nur seines Stolzes und Hochmuths wegen, der ihn sogar nicht ein einziges Mal in ihre Kirche ließ.

      Jetzt erschien auch endlich – als Hausgenosse jedoch eben so gewissenhaft und laut von Jeremias angemeldet – Herr von Pulteleben, gleichfalls sehr elegant gekleidet, sogar mit einem noch neueren Frackschnitt als der Baron, was seinerseits diesen wieder ärgerte. Herr von Pulteleben ging übrigens vor allen Dingen auf die Damen zu, diese zu begrüßen, machte dem Baron dann die gehörige Verbeugung und grüßte den Herrn Pastor mit seiner Gattin, die anfingen, sich in eine Ecke zu drücken und dort festzusetzen, in etwas summarischer Weise – was wieder einen Stachel in der Brust der Frau Pastorin zurückließ. Die Frau Pastorin sammelte überhaupt heute Abend Stacheln – wären es thatsächliche gewesen, ihr Herz hätte beim Nachhausegehen wie ein blutiges Nadelkissen aussehen müssen. Dann näherte sich Herr von Pulteleben der Frau Gräfin, um ihr nur vorläufigen, übrigens nicht befriedigenden Bericht über die Auction abzustatten. Die Frau Gräfin hatte nämlich gehofft, daß er eine ganze Menge sehr hübscher, wenn auch vielleicht sehr unnöthiger Dinge mitbringen würde, und sah sich darin eben nicht angenehm getäuscht. Jetzt meldete Jeremias wieder einen neuen Gast, den Herrn Director von Reitschen, dem er aber vorher noch einmal, aus Ungeschicklichkeit oder Malice, die Thür vor der Nase zumachte, und dann tausendmal um Entschuldigung bat.

      Günther und Felix waren die Letzten, die erschienen, und Felix in der That noch bis zum letzten Augenblick unschlüssig gewesen, ob er gehen oder bleiben solle. Ja, noch vor der Thür hatte er des Freundes Arm gefaßt und gesagt:

      »Laß mich lieber unten, Günther – es ist wahrhaftig besser, und die Frau da oben mag ihre Rolle weiter spielen nach Herzenslust. Wir sind ja alle mit einander Komödianten auf dieser wunderlichen Weltbühne, und die Gesellschaft betrügt entweder selber oder verlangt dringend, betrogen zu werden – warum ihr also den Spaß verderben?«

      »Ich würde Dir trotzdem zureden, mit hinauf zu kommen,« sagte Günther, »wenn ich nicht heute zufällig gehört hätte, daß diese Abendgesellschaft wirklich zu einer Art Verlobungsfeier benutzt werden soll, und ich kann mir denken, daß Dir das nicht angenehm wäre. Hast Du also nicht ganz besondere Lust mit hinaufzugehen, so kehre ruhig nach Haus zurück; ich will Dich dann schon oben entschuldigen. Es findet sich später wohl einmal eine andere und bessere Gelegenheit, die Frau Gräfin wenigstens wissen zu lassen, daß man ihre wahre Abkunft kennt.«

      »Glaubst Du, daß mich die Verlobung stören würde?« lachte der junge Graf bitter – »wahrhaftig nicht! Im Gegentheil gönne ich der nachgemachten Comtesse von Herzen diesen Herrn von Pulteleben, und ihm eben so gern die Kammerfrau als Schwiegermutter – ich würde mich sogar hüten, die Verbindung zu stören, und wenn mir das auch nur ein Wort kostete. Aber in einer Art hast Du Recht – wenn auch in einem andern Sinn, wie Du es gemeint – Helene selber könnte nämlich glauben, ich sei der Verlobung ausgewichen, und deshalb – gehen wir hinauf. Ich freue mich jetzt selber darauf, einmal einer echt aristokratischen Gesellschaft in einer brasilianischen Colonie beizuwohnen.«

      »Du willst mitgehen?«

      »Gewiß,« lachte Felix, des Freundes Arm wieder ergreifend und ihn mit fortziehend; »es muß überhaupt schon fast dreiviertel sein, und wir werden jedenfalls mit Schmerzen erwartet. Wie sich die Frau Gräfin freuen wird, meine Bekanntschaft zu erneuern! Aber ich bitte Dich, Günther, nie selber über meine Entdeckung zu reden. Das Geheimniß ist mein eigen.«

      »Gewiß – aber glaubst Du, daß sie Dich wiedererkennt?«

      »Ich glaube kaum – zu viele Jahre sind verflossen, seit wir uns nicht gesehen, und ich selber – bin alt dabei geworden; vielleicht kann ich jedoch ihrem Gedächtnisse nachhelfen.«

      »Da sind wir.«

      »Allerdings; es weht ordentlich ein feierlicher Duft durch diese erleuchteten Hallen – wenn nur das Ganze nicht so nach dem Tischler röche – und Jeremias in Gala – Ich fürchte fast, Günther, daß wir nicht in standesgemäßer Toilette erscheinen.«

      »Immer 'rein, meine Hörrschaften,« rief ihnen Jeremias unten im Hausflur entgegen – »immer 'rein – hür ist der Platz, wo Sie Staunenswerthes sehen und erleben werden – immer hereun! Erwachsene Herrschaften zahlen gar Nichts und Säuglinge unter zwölf Jahren die Hälfte!«

      »So recht, Jeremias,« lachte Günther – »ist die Gesellschaft versammelt?«

      »Alle da, meine Hörrschaften,« erwiederte Jeremias mit größtem Ernste – »fehlten nur noch, wie der Dichter sagt, zwei lumpige Personen« – und damit stieg er die Treppe vor ihnen hinauf, riß die Thür auf und meldete:

      »Herr Baron, Günther von Schwartzau mit – Donnerwetter, ich weiß ja Ihren Namen nicht!«

      Oskar lachte g'rad' hinaus, und auch der Director konnte ein Lächeln nicht unterdrücken; nur die Frau Gräfin schoß einen zürnenden Blick auf den tactlosen Diener, und Baron Jeorgy schien ebenfalls bis in die Fingerspitzen hinein empört, über diese Mißhandlung jedes Anstandes, jeder Sitte. Günther übrigens, ohne sich im Geringsten außer Fassung bringen zu lassen, nahm Felix bei der Hand, ging mit ihm auf die Gräfin zu und sagte mit einer leichten Verbeugung:

      »Gnädige Frau, Sie waren so gütig, mich und Freund Randolph auf heute Abend einzuladen, und ich erlaube mir deshalb, uns Beide hier vorzustellen.«

      Die Frau Gräfin machte eine stumme Verbeugung gegen Herrn von Schwartzau, die nur an der äußersten Kante den neben ihm stehenden Freund einschloß; Helene aber, die hinter ihrer Mutter gestanden, trat jetzt vor, und von Schwartzau die Hand reichend, sagte sie herzlich:

      »Sie haben mir besonders eine große Freude gemacht, daß Sie der Einladung gefolgt sind, denn draußen im Walde wurde mir ja gar keine Zeit gegeben, Ihnen so herzlich für die Hülfe zu danken, die Sie mir geboten, wie ich es wohl gemocht.«

      »Comtesse,« sagte Günther, wirklich überrascht von der fast wunderbaren Schönheit des Mädchens – »so sehr wir den Unfall Ihretwegen bedauert haben, so glücklich hat uns der kleine Dienst gemacht, den wir Ihnen leisten durften. Übrigens muß ich die Haupthandlung vollkommen von mir abwenden, denn Freund Randolph hier war der eigentliche Held des Morgens, indem er sich Ihrem Pferd entgegenwarf.«

      Helene hatte sich mit ihrem Danke gegen beide Männer gewandt gehabt, aber während sie sprach doch immer nur Günther angesehen, und höchstens einmal ihren Blick wie scheu zu seinem Begleiter, aber nie bis zu dessen Antlitz erhoben. Jetzt konnte sie es nicht länger vermeiden, und auch ihm die Hand reichend und tief dabei erröthend, sagte sie, aber nicht mehr so zuversichtlich, als vorher:

      »Entschuldigen Sie, mein Herr, aber ich war an jenem Morgen so mit meinem wild gewordenen Thier beschäftigt, daß ich wirklich kaum mehr hörte