Название | Waldröschen V. Ein Gardeleutnant |
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Автор произведения | Karl May |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
Der König gab dem Grafen Bismarck einen Wink, mit ihm Platz zu nehmen. Sie taten es, und Kurt begann, einen kurzen, jedoch hinlänglichen Bericht von den Erlebnissen und Verhältnissen der ihm so nahestehenden Personen zu geben. Die hohen Herren hörten ihm mit wachsender Spannung zu. Als er geendet hatte, erhob sich der König in sichtbarer Erregung und sagte:
»Das ist außerordentlich; das ist ja fast wie ein Roman! Fast sollte man behaupten, daß solche Dinge unmöglich seien! Sie sagen, daß Seine Großherzogliche Hoheit diese höchst interessanten Familien kennt?« – »Allerdings. Sämtliche Bewohner von Schloß Rheinswalden hatten Zutritt am Hof, und Ihre Hoheit interessierten sich ganz vorzüglich für Rosa de Rodriganda.« – »Nun wohl, der Großherzog ist hier anwesend. Ich höre, daß er heute abend Gäste bei sich sieht, und werde diese Gelegenheit benutzen, das, was Sie mir erzählten, zur Sprache zu bringen. Für jetzt will ich Sie entlassen, um die nötigen Vorkehrungen zu treffen, uns der beiden Emissäre zu bemächtigen. Es freut mich, Sie in meiner Garde zu wissen. Sie haben sich gut bei mir eingeführt und sich so sehr empfohlen, daß Sie meiner Gewogenheit versichert sein dürfen. Glauben Sie, daß ich Sie nicht aus dem Auge lassen werde. Adieu!«
Der König reichte Kurt abermals die Hand, die dieser demütig ergriff, aber im Herzen voll Glück an seine Lippen zog. Auch Bismarck trat heran und gab ihm die Rechte.
»Leutnant«, sagte er, »ich liebe Leute, die bei solcher Jugend bereits so umsichtig und tatkräftig sind, denn diese Jugend verspricht ein dankbares Alter. Wir sehen uns vielleicht nicht zum letzten Male. Für heute aber ersuche ich Sie um Ihre vollste Diskretion. Kein Mensch, merken Sie wohl, kein einziger Mensch außer uns dreien darf wissen, was Sie zu Seiner Majestät führte. Wir wissen jetzt genau, daß der Franzmann den Krieg will, und können uns darauf vorbereiten, dem Feind gerüstet gegenüberzustehen. Das ist viel wert, und das haben wir Ihnen zu danken. Verlassen Sie sich darauf, daß ich Sie nicht vergessen werde. Jetzt gehen Sie mit Gott!«
Kurt verließ das Zimmer und das Schloß. Er dachte nicht an seine Droschke, er wußte nicht, welche Richtung er verfolgte, er war beinahe trunken vor Glück. Er war von diesen beiden mächtigen Männern mit solcher Auszeichnung verabschiedet worden, was kümmerte er sich nun um alle seine Widersacher, vom General an bis zum letzten Leutnant herab. Er hatte ferner die Teilnahme des Königs für die Familie de Rodriganda erregt; es ließ sich hoffen, daß unter einer so hohen Protektion die Forschungen nach dem verschwundenen Sternau von besserem Erfolg als bisher begleitet sein würden.
So ging er, in Gedanken versunken, aufs Geratewohl die Straßen entlang, bis er endlich doch zur Einsicht kam, daß er eine falsche Richtung eingeschlagen habe. Er nahm also einen Fiaker und ließ sich nach Hause fahren.
Dort wurde er mit der größten Ungeduld erwartet. Sie saßen alle im Salon beisammen und empfingen ihn mit liebreichen Vorwürfen wegen seines langen Fortbleibens, das sie sich nicht erklären konnten.
»Wir erwarten dich aus der Restauration da drüben zurück«, sagte der Herzog, »und nun sehen wir, daß du mit einer Droschke angefahren kommst. Wo warst du eigentlich?« – »Das erraten Sie nicht, Durchlaucht«, antwortete er lachend. Und einen Blick auf sich werfend, fuhr er fort: »Sehen Sie dieses Gewand, ein Dorfschulmeister kleidet sich besser, und in diesem Anzug bin ich gewesen …«
Er hielt inne, und der Herzog fiel ein:
»Nun, bei wem?« – »Beim König.« – »Beim König? Unmöglich!« rief es von allen Seiten. – »Allerdings! Beim König und bei Bismarck war ich!« – »Du scherzt!« meinte Olsunna.
Aber Röschen warf einen forschenden Blick auf ihren Gespielen. Sie kannte ihn genau; sie sah seine vor Glück leuchtenden Augen, seine geröteten Wangen und hatte die Überzeugung, daß er nicht im Spaß gesprochen hatte.
»Es ist wahr, er ist beim König gewesen, ich sehe es ihm an!« sagte sie.
Dabei glänzten auch ihre schönen Augen vor aufrichtiger Freude. Sie war stolz darauf, daß Kurt mit so hohen Herren gesprochen hatte.
»Also doch?« fragte ihre Mutter den jungen Mann. – »Ja«, nickte er. – »Mein Gott, in diesem Anzug!« rief der Herzog. »Aber wie kommst du zu der Majestät und zu der Exzellenz?« – »Das darf ich nicht sagen. Ich habe den beiden Herren die größte Verschwiegenheit versprechen müssen, und ich ersuche Sie deshalb, keinem Menschen von einer Audienz zu sprechen. Zu Ihrer Beruhigung jedoch will ich Ihnen sagen, daß ich – ich muß geradezu sagen – mit Auszeichnung entlassen worden bin. Es ist mir gelungen, den Herren einen nicht gewöhnlichen Dienst zu erweisen, und beide haben mir die Hände gedrückt und mir gesagt, daß sie mich nicht aus den Augen verlieren werden.« – »Wie überraschend, wie schön, wie herrlich!« rief Röschen jubelnd.
Dieser Jubel riß Kurt so hin, daß er hinzufügte:
»Bismarck sagte mir sogar, daß er Leute liebe, die bei solcher Jugend so umsichtig und tatkräftig seien. Ich mußte viel erzählen, von Spanien, von Rodriganda, alles, alles, und nun will der König mit dem Großherzog sprechen. Jedenfalls werden Sie alle vorgestellt, und wir dürfen unter königlichem Schutz hoffen, daß unsere Nachforschungen endlich Erfolg haben werden.« – »Das gebe Gott!« sagte Rosa de Rodriganda. »Aber du gingst, um mit dem Kapitän zu sprechen. Wo ist er? Wo hast du ihn gelassen?« – »Er wird in diesem Augenblick gefangen sein«, antwortete Kurt.
7. Kapitel
Kurt hatte sich in seiner Annahme geirrt. Während er den Seinen über sein Gespräch mit Parkert und sein Verweilen im Magdeburger Hof so viel erzählte, als sich mit der angelobten Diskretion vereinigen ließ, hatte der Kapitän das Gasthaus wieder betreten. Die Unterredung mit dem Gesandten Rußlands war nur von kurzer Dauer gewesen. Er kehrte zurück und dachte, als er sein Zimmer betrat, sofort an das wichtige Dokument.
Er öffnete das Handköfferchen, um es noch einmal genauer durchzulesen, als es in Gegenwart des französischen Generals möglich war. Da fuhr er erschrocken zurück – das Dokument war verschwunden. Er suchte im Köfferchen mit fliegender Hast nach – es fand sich nicht mehr. Er suchte im Zimmer, obgleich er genau wußte, daß er die Schrift in das Köfferchen eingeschlossen hatte, da ihn ja auch der General gefragt, ob sie da sicher aufgehoben sei – vergebens. Nun klingelte er. Die Kellnerin erschien. Sie hatte den Hauptschlüssel wieder an seinen Ort gebracht und auch das reiche Geldgeschenk gefunden.
»War während meiner Abwesenheit jemand hier?« fragte er sie. – »Nein, es hat niemand nach Ihnen gefragt«, antwortete sie. – »Ich meine, ob jemand hier in diesem Zimmer war?« – »Nein.« – »Und doch muß irgendwer hier gewesen sein!« – »Wie wäre das möglich? Sie verschließen ja Ihr Zimmer.« – »Es wird wohl einen Hauptschlüssel geben, an den ich früher nicht gedacht habe. Ich bin bestohlen worden, schändlich bestohlen!« – »Bestohlen?« fragte sie, indem sie vor Schreck erbleichte.
Das mußte ein Versehen sein. Sie konnte Leutnant Helmers unmöglich für einen Dieb halten.
»Sie erschrecken, Sie erbleichen!« rief der Kapitän. »Sie sind es selbst gewesen! Sagen Sie, wo Sie das Dokument haben! Ich muß es wiederhaben, sogleich, sogleich!«
Bei dem Wort ›Dokument‹ faßte sich das Mädchen sofort. Es handelte sich also nicht um einen gewöhnlichen Diebstahl. Es war eine Schrift abhanden gekommen. Hatte der Leutnant dieselbe an sich genommen, so war er jedenfalls berechtigt dazu gewesen; aber verraten wollte sie