Waldröschen III. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 1. Karl May

Читать онлайн.
Название Waldröschen III. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 1
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
isbn



Скачать книгу

Tag vor meiner Ankunft abgereist.« – »So wollen Sie ihm nach?« – »Ja, und Sie sollen mit.« – »Das wird schwer gehen. Ich bin vorbereitet, Paris zu verlassen und mein Mädchen zu heiraten …« – »Dieselbe, die ich gestern gesprochen habe?« – »Ja. Sie hat das Haus, worin Sie sie trafen, verlassen. Sie sehen, daß es mich große Opfer kosten würde, Sie zu begleiten.« – »Ich bin reich, ich vergüte Ihnen alles.« – »Hm! Wohin soll die Reise gehen?« – »Nach Mainz. – Wie lange wir abwesend sind, das kommt ganz auf die Verhältnisse und auf Ihre Geschicklichkeit und Entschlossenheit an.« – »Sie meinen, daß ich Ihnen zunächst als Dolmetscher zu dienen habe?« – »Ja, als Dolmetscher in Gestalt eines Dieners in Livree; und zweitens, daß Sie diese Person zu beseitigen haben, sowie auch eine Dame.« – »Die sämtlich sich an demselben Ort befinden?« – »Ja.« – »Und wenn ich Ihnen nun diese Opfer bringen möchte, was bieten Sie mir dafür?« – »Was verlangen Sie?« – »Ich habe eine Braut und einen Vater zurückzulassen, ich habe Pläne aufzuschieben oder gar aufzugeben, welche sich auf meine Zukunft beziehen; dafür sind tausend Franken wohl nicht zu viel!« – »Ich zahle sie, und zwar vor der Abreise.« – »Ferner habe ich zwei Menschen verschwinden zu lassen. Was zahlen Sie für ein Menschenleben, das Sie so außerordentlich belästigt, daß sogar Ihre Existenz dadurch in Frage gestellt wird?« – »Auch tausend Franken.« – »Pah, das ist zu wenig. Ich frage jetzt nicht, wer diese beiden Personen sind, denn später, wenn ich bemerke, daß sie den höheren Standen angehören, könnte ich wohl einen sehr hohen Preis verlangen!« – »Was fordern Sie?«

      »Fünfzehnhundert Franken mindestens.« – »Das wäre dreitausend Franken für beide, ich gebe sie, sind Sie nun einverstanden?« – »Noch nicht.« – »Was gibt es noch?« – »Ein jeder Geschäftsmann hat das Risiko zu berechnen. Ich riskiere Leben und Freiheit, das kann ich nicht umsonst tun.« – »Alle Teufel, Sie sind ein guter Rechner.« – »Das muß ich. Wie nun, wenn man mich in Mainz fängt und köpft? Ich muß in diesem Fall für die Meinen sorgen.« – »Ich sehe, daß Sie sehr sorgfältig verfahren, und hoffe, daß Sie in meiner Angelegenheit ebenso handeln. Darum will ich auf Ihre sonst ungewöhnliche Forderung eingehen. Wieviel verlangen Sie für Ihr Risiko?« – »Tausend Franken.« – »Verdammt, das ist viel!« – »Sie werden mir erlauben anzunehmen, daß mein Leben mir tausend Franken wert ist, das Glück der Meinen gar nicht mit gerechnet.« – »Gut. Die Summe beträgt also fünftausend Franken.« – »Ja, und zwar sind dreitausend vorher zu bezahlen, weil ich sie brauche.«

      Der Graf lachte zynisch.

      »Das ist allerdings ein sehr triftiger Grund. Aber wenn ich sie nun verweigere?« – »So reisen Sie allein nach Mainz. Was ich sage, das gilt. Sie werden mich in dieser Beziehung noch kennenlernen.« – »Gut, so will ich mich einverstanden erklären. Aber ich hoffe auch, daß Sie Ihre Pflicht erfüllen!«

      Der Graf bemerkte das zweideutige Lächeln nicht, mit welchem Gerard antwortete:

      »Kein Sorge, Monsieur, ich werde meiner Pflicht sicherlich richtig nachkommen.« – »So ist dies abgemacht. Wir werden abreisen, sobald ich die Brieftasche in den Händen habe. Wann gehen Sie wieder hin zu dem Mann?« – »Vielleicht am Abend; eher würde es auffällig sein, auch fürchte ich, daß er dann eine größere Entschädigung verlangen möchte, da er meinen müßte, das Portefeuille sei von höchstem Wert.« – »Gut. So können Sie mir jetzt helfen. Ich habe Ursache, dieses Hotel zu verlassen. Der Wirt soll denken, daß ich nach der Bahn von Orleans fahre, ich will aber in der Nähe des Nordbahnhofs wohnen. Wissen Sie dort ein gutes Hotel?« – »Das Hotel de l‘Empereur auf der Rue de St. Quentin, in der Nähe des Bahnhofs.« – »So senden Sie mir den Kellner mit der Rechnung herauf, und holen Sie mir eine Droschke.«

      Der Schmied erhob sich von seinem Sitz und ging. Draußen blieb er einen Augenblick stehen und reckte die riesigen Glieder drohend empor.

      »Schuft!« murmelte er drohend. »Warte, ich werde dir das Handwerk legen. Zunächst aber muß ich wissen, wem der Mordanschlag gilt.«

      Er stieg die Treppe hinab und traf unten auf den Hausknecht.

      »Ah, Freund, eine Frage«, sagte er, griff dabei in die Tasche und reichte ihm ein Frankstück hin. – »Danke! Was?« – »Hat kürzlich ein Deutscher hier gewohnt, und zwar Herr Doktor Sternau?« – »Ja, es war ein Deutscher aus Mainz.« – »Hatte er Damen mit?« – »Eine Spanierin. Außerdem waren ein Diener und eine Dienerin bei ihm.« – »Danke! Schicken Sie den Kellner hinauf zum Marchese d‘Acrozza. Er will die Rechnung haben.«

      Der Schmied ging, um eine Droschke zu holen, und zwar sehr langsam, denn die Auskunft, die er erhalten hatte, gab ihm viel zu denken.

      »Ein Doktor, ein Arzt ist es«, brummte er leise vor sich hin. »Und die Dame ist eine Spanierin. Was hat mir denn Annette gesagt, als ich sie gestern bei dem Professor besuchte? Ein deutscher Arzt war es, der sie gerettet hat, und eine kranke spanische Dame ist bei ihm gewesen. Das hat sie von Marion, dem Stubenmädchen, erfahren. Himmel, wenn er es wäre, dem ich an das Leben soll!«

      Gerard machte eine Geste in der Luft, als ob er jemand erwürgen wolle, und brummte weiter:

      »Das muß ich zu erfahren suchen. Aber wenn diese Dame eine Spanierin ist, so ist dieser unechte Marchese d‘Acrozza jedenfalls ein Spanier, und sein Taschenbuch ist in spanischer Sprache geschrieben. Sein richtiger Name steht darin. Er heißt Alfonzo de Rodriganda y Sevilla, und sie ist nicht Italienisch sondern Spanisch; wenigstens liegt Sevilla in Spanien. Na warte, Bursche! Eine Droschke hole ich dir, aber zum Teufel sollst du fahren, wenn der Sternau, dem ich an das Leben soll, derselbe Arzt ist, der meine Schwester Annette aus den Fluten der Seine gezogen hat.«

      Gerard erreichte den Halteplatz der Fiaker und nahm einen mit zum Hotel. Dort wurden die Effekten des Marchese aufgeladen. Dieser stieg ein, der Schmied hinten auf, und nun ging es scheinbar dem Bahnhof von Orleans und Lyon zu. Bei der Brücke Notre Dame angekommen aber, gebot der Marchese, in die lange Straße Martin einzulenken und nach dem Nordbahnhof zu fahren.

      So gelangten sie an das Hotel de l‘Empereur auf der Straße St. Quentin, wo sie abstiegen und Alfonzo sich einige Zimmer anweisen ließ.

      »Jetzt weißt du genau, wo du mich zu finden hast?« – »Gewiß, Monsieur.« – »Ich werde nicht ausgehen. Sobald du das Portefeuille hast, kommst du.« – »Ich gehe heute abend hin.« – »Vergiß nicht daß ich mitten in der Nacht für dich zu sprechen bin!«

      Der Schmied ging. Als er außer Sicht des Hotels war, nahm er eine Droschke und ließ sich nach der Rue de Lavande Nummer 4 fahren, wo der Professor wohnte. Der Zutritt zu seiner Schwester stand ihm offen, und als er sich mit seiner Erkundigung an sie wandte, erfuhr er, daß ihr Retter allerdings jener Doktor Sternau gewesen sei, der eine spanische Dame bei sich gehabt.

      Er sagte von dem Grund seiner Erkundigung nichts und ging zunächst nach Hause, um seinen Vater aufzusuchen, den er ganz ohne Mittel wußte. Er hatte sich vorgenommen, während seines Aufenthalts in Deutschland in der Weise für den Vater zu sorgen, daß dieser keine Not litt, ohne aber seiner Trunksucht weiter frönen zu können.

      Er traf ihn, auf einer alten Matratze liegend, doch in vollständig nüchternem Zustand, da er keine Mittel gehabt hatte, sich Branntwein zu kaufen, und sein Kredit so erschöpft war, daß kein Budiker ihm mehr borgte.

      »Kommst du endlich!« grollte der Alte. »Man könnte sterben und verderben.« – »Wie ich sehe, lebst du noch«, antwortete der Sohn. – »Aber wie! Hast du Geld?« – »Hm! Wenig.«

      Der Alte sprang von seinem Lager auf.

      »Gib her!« sagte er, die vor Begierde zitternde Hand ausstreckend.

      Gerard griff in die Tasche und gab ihm einen Frank.

      »Eins!« sagte der Vater mit heiserem Lachen. »Zwei —!«

      Dabei streckte er die Hand abermals aus.

      »Aus zwei wird nichts«, antwortete der Sohn, »weil ich nicht mehr geben kann, als ich selbst habe. Das andere brauche ich für mich.« – »Halunke!«

      Bei diesem Wort faßte der Vater den Sohn beim Arm und schüttelte ihn.

      »Du schimpfst mich?« fragte