Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil

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Название Tausend Und Eine Nacht
Автор произведения Gustav Weil
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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die er mitgebracht hatte, gab er ihm mit und viel Volk, und die übrigen Großen und Statthalter wurden reichlich beschenkt. Der Vezier verabschiedete sich dann, küßte dem König die Hand und reiste ab; der Sultan und der junge Mann blieben in der Stadt, und der Fischer ward einer der reichsten Leute jener Zeit und seine Töchter waren alle mit Königen verheiratet.

      Geschichte der drei Kalender

      Einst stand in Bagdad ein lediger Lastträger auf dem Markte auf seinen Korb gelehnt, da kam eine über jede Beschreibung erhabene schöne Frau im glänzendsten Aufzuge auf ihn zu, lüftete ihren seidenen Schleier, zeigte ihm ein paar schwarze, freundlich blickende Augen von langen Augenwimpern beschattet und sagte zu ihm mit zarter Stimme und holdem Ausdruck: »Nimm deinen Korb, Lastträger, und folge mir!« Der Lastträger hatte kaum die Worte der Frau vernommen, so nahm er seinen Korb und rief: »O Tag des Glücks, o Tag der Freude!« und folgte ihr, bis sie vor einem Hause still stand und an dessen Tür klopfte.

      Kaum war dies geschehen, so trat ein alter Christ zu ihr herunter, welcher ihr eine geklärte, ölige Substanz (Wein) reichte, die sie in den Korb des Lastträgers tat, nachdem sie dem Christen einen Dinar gegeben. Sie ging dann mit dem Lastträger weiter bis zu dem Laden eines Früchte— und Blumenhändlers; hier kaufte die Frau die besten Sorten Äpfel, Quitten, Pfirsiche, Gurken, Limonen, Orangen, Myrten, Basiliken, Kamillen, Lilien, Veilchen, Nelken, Rosen und andere wohlriechende Blumen, tat alles in den Korb, ging von da zu einem Metzger und ließ sich zehn Pfund Schaffleisch abwiegen, und nachdem sie dieses bezahlt, kaufte sie auch etwas Kohlen und ließ alles von ihrem immer mehr erstaunenden Lastträger sich nachtragen; dieser folgte ihr auch mit dem oft wiederholten Ausruf: »O Tag des Glücks! o Tag der Freude!« Sie ging dann in einen anderen Laden und kaufte verschiedene Sorten Oliven, Käse und allerlei eingemachte Kräuter; dann wieder in einen anderen und ließ sich große Nüsse, Haselnüsse, Zuckerrohr, Zibeben, Pistazien und andere trockene Früchte geben und legte es gleichfalls zum übrigen in den Korb des Trägers; sie ging dann noch zum Zuckerbäcker, bei dem sie das beste und feinste Backwerk und verzuckerte Früchte kaufte. Als sie auch dies noch dem Träger gab, sagte er: »Hätte ich gewußt, daß du so viele Einkäufe zu machen hast, so hätte ich ein Kamel oder ein Lastpferd mitgenommen.« Sie lächelte und ging dann noch zu einem Gewürzhändler, kaufte bei ihm Moschus, Rosenöl, Weihrauch, Ambra und viele andere Gewürze. Nachdem der Träger auch dieses noch aufgeladen, folgte er der Dame, bis sie vor einem großen Hause mit einer prächtigen Halle von hohen Pfeilern getragen, hielt. Hier klopfte sie ganz leise an eine elfenbeinerne mit Gold beschlagene Türe.

      Der Träger, der schon von der Schönheit und Liebenswürdigkeit der Einkäuferin ganz entzückt war, verlor nun vollends seinen Verstand und ließ beinahe seinen Korb fallen, als eine Frau die Türe öffnete, welche die erste noch an Schönheit übertraf. Ihr Wuchs war schlank, der Busen rund geformt, die Stirne leuchtend wie der Mond; sie hatte Augen wie ein Reh, Wangen wie Rosen, Lippen wie Korallen, Zähne wie Perlen und einen Hals wie der einer Gazelle, einen Mund wie Salomos Siegelring.Die Muselmänner fabeln viel von Salomos Ring, dem er viele Wunder zu verdanken hatte, und der ihm einmal, als er ein Bad genommen, von einer höllischen Furie geraubt ward, die ihn ins Meer warf. Salomo war ganz trostlos und bestieg so lange den Thron nicht, bis er den Ring in einem Fische, den man auf seine Tafel gebracht, wieder gefunden hatte. Der Träger war ganz in Verwirrung, bis die Pförtnerin zur Wirtschafterin sagte: »Was wartet ihr so lange vor der Tür, kommt herein, wir wollen dem armen Manne seinen Korb abnehmen.« Jetzt traten sie in einen prächtigen Saal mit vielen Teppichen belegt, von Schränken und kleinen Kabinetten umgeben, deren Türen schöne Vorhänge verbargen. Mitten im Saale war ein großer Wasserbehälter mit einem kleinen Nachen. Ein Thron von Ambra, getragen von vier Säulen aus Cypressenholz, befand sich am Ende des Saales. Er war mit rotem Atlas überzogen und mit Perlen, so groß wie Haselnüsse, und mit Edelsteinen geschmückt. Auf diesem Thron saß ein Weib mit verzaubernden Augen, von rundgewölbten Augenbrauen eingefaßt, ihr Atem füllte den ganzen Saal mit Ambraduft, süß wie Zucker war ihr Lächeln, ihre Stirne glich der leuchtenden Sonne, wie ein Dichter sagt:

      »Man glaubte, ihr Lächeln enthülle schön gereihte Perlen, Hagelkörner oder Ukanth, die Haare, die ihre Stirne umflattern, gleichen der Nacht, die Stirne aber beschämt den Glanz des Sonnenaufgangs.«

      Als sie den Träger nebst der Pförtnerin und Wirtschafterin erblickte, erhob sie sich vom Thron und ging ihnen langsamen Schrittes entgegen; die drei Frauen halfen nun dem Träger seinen Korb abnehmen, leerten ihn und ordneten alles, was darin war, legten die Blumen und wohlriechenden Wasser auf die eine, die Früchte und übrigen Speisen auf die andere Seite und gaben hierauf dem Träger seinen Lohn.

      Als der Träger das Geld genommen, blieb er eine Weile stehen und bewunderte die drei Frauen, bei denen er keinen Mann erblickte und die doch so einen großen Einkauf an Wein, Fleisch, Früchten, Süßigkeiten, Blumen und Wachslichtern gemacht. Da nun eine der Frauen bemerkte, daß er noch nicht weggegangen, sagte sie zu ihm: »Was tust du noch hier? findest du etwa deinen Lohn zu gering, so soll meine Schwester dir noch einen Dinar geben.« Da erwiderte der Träger: »Gott bewahre, daß ich mehr Lohn wünschen sollte, ich war nur über euch in Gedanken vertieft, denn ich konnte nicht begreifen, wie ihr Frauen ohne Männer so leben möget; ihr wißt doch, daß ein fröhliches Mahl aus vier Tischgenossen bestehen muß, ihr seid aber nur drei, und so wie eine Gesellschaft von Männern ohne Frauen nicht angenehm ist, so wenig kann es eine Frauengesellschaft ohne Männer sein. Zu einer guten Musik gehören vier Instrumente: eine Harfe, eine Laute, eine Flöte und eine Zither; zu einem schönen Strauß viererlei Blumen: Rosen, Myrten, Levkojen und Lilien; zu einem fröhlichen Leben: Wein, Gesundheit, Geld und ein geliebter Gegenstand; da ihr also nur drei seid, so bedürft ihr eines vierten und dieser muß ein Mann sein.« Den Frauen gefiel des Trägers Rede, doch antworteten sie: »Wir müssen als Mädchen ganz zurückgezogen leben, wir wollen nichts mit Männern zu tun haben, denn wir fürchten, verraten zu werden. Weißt du, wie ein Dichter sagte: »Vertraue niemanden ein Geheimnis an, denn hast du einmal etwas einem anderen anvertraut, so hast du dein Geheimnis verloren: hat deine Brust nicht Raum genug, um ein Geheimnis zu bewahren, so ist gewiß die eines Vertrauten auch zu eng dafür.« Als der Träger dies hörte, sagte er: »Ihr habt einen erfahrenen, vernünftigen und gebildeten Mann vor euch, ich weiß das Schöne zu offenbaren und das Unanständige zu verheimlichen, ich habe sowohl Prosaisten als Dichter gelesen und gleiche dem, welcher sagte: »Nur edle Menschen wissen ein Geheimnis zu bewahren, bei diesen aber bleibt es auch wohl verborgen; bei mir hat ein Geheimnis ein eigenes Häuschen mit einem Schlosse, die Tür ist fest zu und der Schlüssel verloren.« Als die Mädchen dieses hörten, sprachen sie: »Du weißt, daß wir diesen Abend vielen Aufwand gemacht, kannst du nun wohl für deinen Teil uns einigermaßen entschädigen und auch etwas beitragen, so darfst du unser Gast sein. Eine Bekanntschaft, die nichts nützt, ist kein Brosämchen wert«, setzte hierauf die Hausherrin hinzu; »hast du etwas, so bist du selbst auch etwas, hast du nichts, so gehe auch mit nichts fort.« Da sagte aber die Wirtschafterin zu ihren Schwestern: »Ich will gern seinen Teil bezahlen, laßt ihn bei uns bleiben, denn er hat mich sehr gut bedient, kein anderer hätte mich so befriedigen können.« Der Lastträger freute sich darüber, küßte die Erde vor dem wohlwollenden Mädchen, dankte ihr vielmal und gestand, daß er nichts besitze, als den eben erhaltenen Lohn, den er gern wieder zurückgeben wolle, nicht um als Gast, sondern nur um als Diener bei ihnen bleiben zu dürfen.

      Während die beiden Schwestern nun in ihn drangen, sich zu setzen, schürzte sich die Wirtschafterin, um freier arbeiten zu können, bereitete die Speisen und Getränke, reinigte allerlei Gold— und Silbergefäße, Tassen, Becher und Gläser, läuterte den Wein und wusch die Gemüse am Ufer des Stroms. Nachdem alles dies geordnet war, brachte sie den Wein und schenkte ihren Schwestern und dem Träger, der zu träumen glaubte, ein. Es trank eine Schwester nach der anderen, der Träger aber sprach folgende Verse, ehe er trank:

      »Trinke nur mit rechtschaffenen Leuten, von reiner Abkunft. Der Wein gleicht dem Winde, der gut wird, wenn er vor wohlriechenden Pflanzen vorüberweht, und übel riecht, wenn er über Leichen streift.«

      Als er hierauf den Becher geleert, reichte ihm die Pförtnerin einen anderen und wünschte, daß er ihm recht wohl bekommen möge; denn auch dieser gefiel er sehr. Er weigerte sich anfangs und wollte nicht zuerst trinken, doch