Название | Claus Störtebecker |
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Автор произведения | Georg Engel |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
»Du bist nicht gefragt«, schleuderte ihm der Junggraf unwillig entgegen, wobei er herrisch die Rechte vorwarf, als wolle er die nahende, die unbegreifliche Auflehnung an ihren Platz bannen. »Gleich packst du dich von dannen, Tölpel.«
Der im weißen Kittel rührte sich nicht. Nur der Buchenast hörte auf zu zittern, ja, das Holz gewann von Minute zu Minute eine immer straffere Spannung. Eine Weile verharrten die drei Gestalten bewegungslos wie in der Tiefe eines Traumes. Selbst das Pferd stand gepreßt unter dem einfangenden Druck. Da vermochte sich der Zisterzienser in seiner Herzensangst am frühesten aus der Lähmung emporzuraffen. Kaltblütig schritt er, als wäre nichts Erhebliches geschehen, bis dicht an die Flanke des Rosses heran, um dort dem Tier kosend über den Hals zu klopfen. Mit großen Augen verfolgten die Jungen, die Aufgeregten, sein Tun.
»Ja, es sind Annerbäulkenkinder«, sprach er im weichen Dialekt der Gegend, und keine Hast, keine Unruhe verrieten in dem ebenen Antlitz, wie sehr er mit der Überlegenheit des Alters bemüht war, die aufgepeitschten Sinne der anderen zu besänftigen. »Anna Knuths Vater ist ertrunken. Man sagt, die Schuimer hätten ihn ins Meer geworfen. Da hat sich ihre Mutter nun ein Hüttlein dicht neben den Beckeras errichtet, und Mutter und Tochter nähren sich recht und redlich vom Mattenflechten. Ein mühselig Gewerbe, Herr, das die Finger zerschneidet.«
Weisend hob er den Arm der Kleinen empor, und der Graf bemerkte nun verdutzt, wie die Hand der Blonden von schwärzlichen Kerben durchfurcht war. Das lenkte seine unüberlegte Begehrlichkeit wohltätig ab. Sofort suchte er nach Art der großen Herren das Leid der Armen durch ein Almosen zu lindern.
»Warum sagtest du das nicht gleich, dummes Gör«, tadelte er wohlwollend, während er ungestüm an einer Silbermünze seines gelben Kragens herumdrehte. »Matten? Gut, da magst du die weichsten von deinem Geflecht auf unseren Hof bringen. Mein Hund soll darauf liegen. Und hier, Rotröckchen, hier hast du deinen Lohn im voraus.«
Lachend, mit einer freigebigen Gebärde schleuderte er den abgerissenen Knopf dem Mädchen vor die Füße. Und ehe die drei Zurückgebliebenen sich noch besinnen konnten, hatte der gewandte Reiter seinen Gaul zur Seite geworfen und sprengte nun um die Mauer herum dem Stalle zu.
»Eilt nach Hause«, drängte der Bruder die beiden Kinder, die bestürzt auf das sich entfernende Klingeln der silbernen und goldenen Münzen lauschten. »Geht – geht rasch, der Mann will euch nicht wohl.«
III
Sie saßen in der Hütte der Beckeras zum kargen Nachtmahl vereint. Die Alten hatten ihren Hunger bereits gestillt und hockten ausruhend am Herd, von wo ein verglimmender Kienspan leuchtete. Zu ihnen hatte sich Anna Knuths Mutter gesellt, ein hageres, früh ergrautes Weib mit unzähligen Sommersprossen im abgemagerten Antlitz. Arbeitsverbittert sah sie aus, und vor der hereinströmenden Kühle des Meeres fröstelte die Abgezehrte häufig zusammen.
»Kalt – immer kalt«, schüttelte sie sich. Dann hob sie den gespendeten Silberknopf von ihrem Schoß, um ihn beinahe ungläubig gegen den ungewissen Lichtschein zu kehren. »Warum er das wohl geschenkt?« suchte sie in fruchtlosen Zweifeln zu ergründen; als aber die Hausfrau, die prall und rund, voll gesparter, selbstbewußter Kraft ihr gegenüberlehnte, eine heftige Bewegung gegen die Esse ausführte, wie wenn sie das Wertstück am liebsten in die Flammen schleudern möchte, denn Hilda kannte die Aufmerksamkeiten der Herren, da schüttelte die Mattenflechterin müde das Haupt. »Nicht doch – nicht doch«, wehrte sie sich gegen diesen Gedanken ihrer gewalttätigen Schwester. »Wie käme ich wohl je wieder zu solch einem Schatz? Morgen segle ich nach Stralsund und kaufe für uns Decken. Die Hauptsache ist, daß wir es warm haben.«
»Ja, ja, hübsch warm«, murmelte der alte Claus Beckera und zog seine allmählich spindeldürr gewordenen Beine bis tief unter seinen Sitz, da der Husten, der nicht zum Ausbruch kommen wollte, seinen ausgemergelten Leib wieder verkrümmte. Mit äußerster Kraft rang er danach, das laute Bellen zu verhindern. Nicht eigentlich, um seine Umgebung nicht zu erschrecken, denn der kranke Riese war noch immer nicht zart und nachgiebig geworden. Nein, er mochte nur nicht die Augen des Weibes so groß und erkennend auf sich gerichtet fühlen. Das Weib wußte alles, sie war klug und ließ sich nicht täuschen. Ja, der Fischer glaubte, sie lese ihm Zeit und Stunde des Kommenden ganz sicher von der Stirn. Und dagegen sträubte er sich. Es war wohl noch gar nicht so schlimm, und er wollte einmal sehen, wer zäher war, er oder die Augen von ihr.
So strich er sich scheinbar aufgeräumt über die Welle des roten Bartes, der jetzt doppelt scharf gegen die vergilbten, eingefallenen Wangen abstach, und gegen den Tisch gewandt, richtete er die wohlwollende Ermahnung an seinen Sohn:
»Iß, Jünging, iß.«
Der Knabe träumte vor der rohen Platte, hielt das Haupt aufgestützt, und nur ab und zu führte er den Holzlöffel ungewiß und willensunmächtig in den Napf mit dem warmen Hirsebrei. Seine sonst so blitzenden Augen aber hatten sich verschleiert, wie nach innen gerichtet schienen sie Bilder und Vorstellungen zu verfolgen, die auf dem Grund seiner Seele dahinstiebten. Unwillig zuckten seine Lippen oft, als könne er das Fliehende weder erkennen noch festhalten. Betroffen beobachteten seine Angehörigen das an dem immer Unruhigen befremdliche Wesen.
»Iß, Claus«, bat die kleine Anna Knuth, die dem Versunkenen gegenübersaß, wobei sie ebenfalls versäumte, ihren Löffel gegen den Napf zu lenken, denn ihr Gemüt nahm willigen Anteil an dem völligen Verstummen ihres Gefährten. »Wir sind lange gelaufen – du bist müde.«
Doch auch diese warme Bitte erreichte den in Fremdes Hinabgetauchten nicht. Offenbar hatte er die sanfte, demütige Stimme gar nicht vernommen. Über die Schulter seiner Freundin hinweg starrte er immer ausdrucksloser durch die offene Luke der Hütte, dorthin, wo das letzte Abendrot fern auf den Wassern schaukelte. Langsam stieg die blaue Wand der Nacht über die Ränder der See. Und zugleich verfinsterte sich auch die Stirn des Träumenden immer auffälliger.
»Willst du wohl antworten, wenn man dich fragt?« drohte Hilda, seine Mutter, ungeduldig. Heftig war sie hinter den Schemel des Sohnes getreten. Nun ließ sie ihre Hand klatschend auf den Nacken des Abgewandten niederfallen. Ihre lebhafte, tatbereite Natur sträubte sich gegen solch ein zweckloses und unheimliches Hindämmern. Was hatte der große, kräftige Bursche in sich hinein zu horchen, anstatt seinem arbeitsunfähigen Vater hilfreich zur Seite zu stehen? Verlangte doch der Vogt nach wie vor den vollwichtigen Fang. »Junge, willst du wohl?«
»Mutter«, unterbrach der kranke Riese erschreckt, indem er abermals gegen den gefährlichen Hustenreiz ankämpfte, und dabei versuchte er, sich zu erheben, was ihm aber nicht sofort gelang. »Laß – laß den Jungen. Wer weiß, was er hat. Er trägt Gedanken in seinem Kopf. Und Gedanken kann man nicht immer verstehen.«
Hieraus war zu entnehmen, was Hilda längst wußte, daß der alte Beckera in scheuer Achtung vor der wilden, trotzigen Art seines Sohnes dahinlebte, daß er aber geradezu in Aberglauben und Bewunderung versank, sobald sein Pflegling merkwürdige Fragen und Ansichten äußerte, wie sie der Rotbart in seinem einförmigen Gewerbe niemals für möglich gehalten. Je weniger der Plumpe ein derartiges hitziges Arbeiten des Hirns begriff, desto rückhaltloser fühlte er sich heimlich geschmeichelt, weil solches an seinem eigenen Sassenherde geschah.
»Laß ihn, Mutting, laß, wer weiß?«
»Ih, was hier, wer weiß?« schalt Hilda. »Was nützt das?« Sie schlug noch einmal zu.
Mit einem Sprung war der Knabe auf den Füßen. Der zweite Hieb hatte ihn geweckt. Der Napf auf dem Tisch zitterte vor dem ungestümen Auffahren, selbst der Kienspan auf dem Herd schickte seine Flamme in dem Luftzug rauchend zur Höhe.
»Was ist?« ermannte sich der Bursche, und seine Blicke umfingen seine Angehörigen so dunkel und fremd, daß alle merkten, sein Körper sei eben erst, wie ein Stein aus Himmelshöhen, unter sie gefallen.
Staunend,