Satan und Ischariot III. Karl May

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Название Satan und Ischariot III
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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dieses Menschen befanden, so war wenig für uns zu hoffen. Gesehen hatte ich ihn noch nicht, doch wußte ich, daß er noch nicht alt war.

      Und wer hatte da neben mir gesprochen? Ich drehte den Kopf nach dieser Seite und sah ihn bei mir sitzen. Es war noch ziemlich dunkel, dennoch erkannte ich, daß er die Kleidung der Weißen trug. Aber ich hätte gar nicht nötig gehabt, mich nach ihm umzudrehen, denn ich kannte die Stimme zu genau; es war Jonathan Melton.

      »Ihr wendet Euch ab von mir?« lachte er: »Bin ich Euch denn gar so verhaßt, oder erkennt Ihr mich nicht? Sagt, wißt Ihr, wer ich bin?«

      Es wäre nicht nur lächerlich gewesen, zu schweigen, sondern auch unklug. Ich konnte von ihm doch Aufklärung über unsere Lage bekommen. Darum antwortete ich, aber keineswegs höflich:

      »Wer Ihr seid? Der größte Lump und Schurke, der mir im Leben begegnet ist!«

      »Das ist ein Vorurteil, ein ebenso großes wie ungerechtes Vorurteil, Sir. Ich bin ein ehrlicher Mann, besonders gegen Euch. Soll ich Euch das beweisen?«

      Ich antwortete nicht; darum fuhr er höhnisch fort:

      »Ihr werdet Euch hoffentlich freuen, mich als Ehrenmann kennen zu lernen. Ihr sollt gleich hören, daß ich die Wahrheit rede. Ihr gebt doch zu, daß ich Euch viel, sehr viel verdanke?«

      »Ja.«

      »Nun, ich bin eben darüber, Euch das alles ehrlich und rechtschaffen zurückzuzahlen, sogar mit Zinsen und Zinseszinsen. Ist das nicht hübsch von mir?«

      »Ich bin entzückt darüber!«

      »Nicht wahr? Ich dachte es. Ich will sogar noch rücksichtsvoller gegen Euch sein, als Ihr erwarten könnt. Ihr möchtet natürlich gern wissen, wie Ihr in Eure gegenwärtige Lage gekommen seid und was Ihr zu erwarten habt?«

      »Freilich.«

      »Nun also! Haltet mich aber nicht für dumm und unvorsichtig! Ich sage Euch die reine Wahrheit, weil ich überzeugt bin, daß ich mir damit nicht den geringsten Schaden thue. Eure abenteuerliche Rolle ist ausgespielt. Ihr könnt mich nicht mehr stören, denn Euer Testament ist gemacht! Ihr seid Gefangener des großen Pfeiles. Wißt Ihr, wer der Vater dieses Häuptlings war?«

      »Nein.«

      »Die »starke Hand«, welche Ihr ermordet und droben im Todesthale begraben habt. Dafür erwartet Euch der grausamste Tod, den es nur geben kann. Ihr werdet mit Winnetou, der damals dabei war, lebendig bei den Gebeinen des Toten begraben werden. Der große Pfeil hat es mir zugeschworen, und Ihr wißt, daß ein Indianer unter solchen Umständen einen solchen Schwur nicht bricht. Nun, Sir, wie ist Euch jetzt zu Mut?«

      »Mir ist sehr wohl.«

      »Schön; es wird Euch noch viel wohler werden. Also sterben werdet Ihr, langsam, in einem steinernen Grabe. Und da Ihr so große Freundschaft für mich hegt, so will ich Euer Ende verschönern, indem ich Euch die Gewißheit mit in die Hölle gebe, daß ich mich nach Eurem Tode hier auf Erden wie im Himmel fühlen werde. Ich will Euch noch vor Eurer Abfahrt die Freude machen, Euch zu gestehen, daß ich wirklich der bin, für den Ihr mich gehalten habt.«

      »Jonathan Melton, der Betrüger, und jener Tote in der Schlucht bei den Uled Ayar war der echte Small Hunter?«

      »Ja.«

      »Der Kolarasi war Euer Vater?«

      »Ja. Er hat ihn erschossen. Wir glaubten Euch dann in den Händen der Uled Ayun gut aufgehoben. Die dummen Kerle haben Euch aber entwischen lassen. Dennoch habt Ihr uns nicht eingeholt. Wir gingen unverzüglich nach Neu Orleans, wo uns seit langem hübsch vorgearbeitet worden war.«

      »Von Euerm Oheim?«

      »Ja. Er empfing die Depesche und die Briefe, und wir richteten uns darnach. Wir haben die Gelegenheit so eilig betrieben, daß Ihr dann auch hier das Nachsehen hattet. Ihr glaubtet zwar, die Sache schlau angefangen zu haben, müßt aber nun endlich einsehen, daß Ihr ein Stümper seid. Und was mir bei alledem die größte Freude macht, ist, daß ich Euch sogar bei Mrs. Silverhill den Rang abgelaufen habe. Es ist Euch wohl recht ans Herz gegangen, daß sie Euch damals den Korb gegeben hat?«

      »Wann?«

      »In der Sonora, wo Ihr so oft vor ihr auf den Knieen gelegen habt.«

      »Ich?« fragte ich, indem ich trotz der Lage, in welcher ich mich befand, hell auflachen mußte.

      »Ja, Ihr! Lacht immerhin; Ihr macht mich doch nicht irre. Wie hat Euer Gesicht gestrahlt, als Ihr sie dann in New Orleans wiedersaht!«

      »Gestrahlt? Mein Gesicht? Auch nicht übel!«

      »Ja. Ihr seid vor Entzücken geradezu närrisch gewesen!«

      »Wahrscheinlich bin ich da wieder vor ihr auf die Kniee gesunken?«

      »Natürlich, natürlich! Gesteht es nur ein!«

      »Ja, es ist allerdings eine Eigenheit von mir, vor Frauenzimmern sofort in die Kniee zu fallen. Die Mitteilung hat sie natürlich selbst gemacht?«

      »Freilich! Von wem soll ich es denn sonst wissen? Wie herzlich sie lachte, als sie mir erzählte, daß sie Euch eingesperrt hat und fortgegangen ist. Hoffentlich hat sie Euch gesagt, daß sie meine Braut ist?«

      »Ja.«

      »Gesteht es nur, Ihr seid ihr nicht nur meinet-, sondern auch ihretwegen nachgeritten!«

      »Natürlich, natürlich!«

      »Ich habe von ihr alles erfahren. Wahrscheinlich wäre es Euch gelungen, sie einzuholen, wenn ich nicht vorher meine Maßregeln getroffen hätte. Sie hat Euch gesagt, daß ich nach Albuquerque gereist bin und mit meinem Vater und Oheim dort zusammentreffen werde?«

      »Ja.«

      »Und daß wir dann nach ihrem Schlosse gehen werden, wo ich ein glückliches Stillleben zu führen gedenke?«

      »Auch das.«

      »So wißt Ihr also alles, und ich habe nichts hinzuzufügen, als daß die Sehnsucht nach ihr mich nicht weiter vorwärts kommen ließ. Ich blieb am Canadian halten, um sie zu erwarten. Wir wären sofort weitergefahren und hätten, wie ich jetzt sehe, einen Vorsprung von zwei Tagen vor Euch gehabt; da aber gerieten wir in die Hände der Komantschen, als Judith mit ihrer Erzählung zu Ende war. Es sollte uns ans Leben gehen; da kam mir ein famoser Rettungsgedanke. Könnt Ihr den erraten?«

      »Ja.«

      »Ich wußte Euch hinter uns – —«

      »Aber von der Blutrache des großen Pfeiles wußtet Ihr noch nichts!«

      »Nein, doch ist es mir recht wohl bekannt, daß die Komantschen in ewiger Feindschaft mit den Apatschen leben. Darum bot ich dem großen Pfeil einen Handel an, welcher sehr geeignet war, beide Teile auf das höchste zu befriedigen. Ich verlangte, mit Judith und unberaubt meine Reise fortsetzen zu dürfen, wofür ich ihm sagen wolle, wie er Winnetou fangen könne.«

      »Er ging darauf ein?«

      »Mit Vergnügen, zumal als er hörte, daß Old Shatterhand bei Winnetou sei.«

      »Aber er traute Euch nicht recht; er hat Euch doch noch nicht freigelassen.«

      »Ja, er konnte meine Bedingung doch nicht eher erfüllen, als bis ich der seinigen nachgekommen war. Es stand fest, daß man Euch auf Judiths Fährte treffen werde. Wir ritten Euch also auf derselben ein wenig entgegen. Da kam der Orkan, welcher eine Fata Morgana mit sich brachte. Sie spiegelte uns drei Reiter ab, welche sich im Galoppe dem Bache näherten. Wer konnte das sein? Niemand als nur ihr! Die Komantschen waren dem Bache schon nahe; sie dachten, daß ihr dort bleiben würdet, und zogen sich nach dem Walde zurück, welcher eine halbe Stunde rückwärts liegt; ihre Spuren wurden vom Sande verweht. Als das Unwetter vorüber war, sahen wir euch rekognoscieren gehen. Dann wurde es dunkel, und wir schickten Kundschafter aus; sie kehrten zurück und berichteten, was ihr thatet. Ihr saßt an einem Feuer beim Bache und brietet einen Truthahn. Später rückten die Komantschen aus, euch zu umzingeln; sie lagen rund um euch, ohne daß ihr es merktet; sie beobachteten auch, wie ihr die Wache unter euch verteilt hattet. Winnetou oder Old Shatterhand zu überrumpeln, das war schwer; darum warteten die