Ein Kampf um Rom. Felix Dahn

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Название Ein Kampf um Rom
Автор произведения Felix Dahn
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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und ich werde dir die Gotenkrone zu Füßen legen.«

      »Gut«, sprach der Kaiser erfreut, »dies Wort hat mir wohlgetan. Was sprichst du ‘Perle meiner Rechtsgelehrten’, Tribonianus?«

      Der Angeredete war wenig kleiner als Belisar, aber nicht so breitschultrig und die Glieder nicht so sehr durch stete Übung entwickelt. Die hohe, ernste Stirn, das ruhige Auge, der festgeschnittene Mund zeugten von einem mächtigen Geist. »Imperator«, sagte er gemessen, »ich warne dich vor diesem Krieg. Er ist ungerecht.«

      Unwillig fuhr Justinianus auf: »Ungerecht! Wiederzunehmen, was zum Römischen Reich gehört.«

      »Gehört hat. Dein Vorfahr Zeno überließ durch Vertrag das Abendland an Theoderich und seine Goten, wenn sie den Anmaßer Odoaker gestürzt.«

      »Theoderich sollte Statthalter des Kaisers sein, nicht König von Italien.«

      »Zugegeben. Aber nachdem er es geworden — wie er es werden mußte, ein Theoderich konnte nicht der Diener eines Kleinern sein —, hat ihn Kaiser Anastasius, dein Ohm Justinus, du selbst hast ihn anerkannt, ihn und sein Königreich.«

      »Im Drang der Not. Jetzt, da sie in Not und ich der Stärkere, nehm’ ich die Anerkennung zurück.«

      »Das eben nenn’ ich ungerecht.«

      »Du bist unbequem und unbeholfen, Tribonian, und ein zäher Rechthaber. Du taugst trefflich, meine Pandekten zusammenzubauen. In Politik werd’ ich dich nie wieder befragen. Was hat die Gerechtigkeit mit der Politik zu tun!«

      »Gerechtigkeit, o Justinianus, ist die beste Politik.«

      »Bah, Alexander und Cäsar dachten anders.«

      »Sie haben erstens ihr Werk nicht vollendet, und dann zweitens« — er hielt inne.

      »Nun, zweitens?«

      »Zweitens bist du nicht Cäsar und nicht Alexander.«

      Alle schwiegen. Nach einer Pause sagte der Kaiser ruhig: »Du bist sehr offen, Tribonianus.«

      »Immer, Justinianus.«

      Rasch wandte sich der Kaiser zu dem Dritten. »Nun, was ist deine Meinung, Patricius?«

      VIERZEHNTES KAPITEL

      Der Angeredete verbannte rasch von seinen Lippen ein kaltes Lächeln, das ihm die Moralpolitik des Juristen erweckt, und richtete sich auf.

      Er war ein verkrüppeltes Männchen, noch bedeutend kleiner als Justinian, weshalb dieser im Gespräch mit ihm den Kopf noch viel mehr als nötig gewesen wäre, herabsenkte. Er war kahlköpfig, die Wangen von krankhaftem Wachsgelb, die rechte Schulter höher als die linke, und er hinkte etwas auf dem linken Fuß, weshalb er sich auf einen schwarzen Krückstock mit goldnem Gabelgriff stützte. Aber das durchdringende Auge war so adlergewaltig, daß es von dieser unansehnlichen Gestalt den Eindruck des Widrigen fernhielt, dem fast häßlichen Gesicht die Weihe geistiger Größe verlieh: und der Zug schmerzlicher Entsagung und kühler Überlegenheit um den feinen Mund hatte sogar einen fesselnden Reiz. »Imperator«, sagte er mit scharfer bestimmter Stimme, »ich widerrate diesen Krieg — für jetzt.«

      Unwillig zuckte des Kaisers Auge: »Auch aus Gründen der Gerechtigkeit?« fragte er, fast höhnisch. — »Ich sagte für jetzt.« — »Und warum?« — »Weil das Notwendige dem Angenehmen vorgeht. Wer sein Haus zu verteidigen hat, soll nicht in fremde Häuser einbrechen.« — »Was soll das heißen?« — »Das soll heißen: vom Westen, von den Goten droht diesem Reiche keine Gefahr. Der Feind, der dieses Reich verderben kann, vielleicht verderben wird, kommt vom Osten.«

      »Die Perser!« rief Justinian verächtlich.

      »Seit wann«, sprach Belisar dazwischen, »seit wann fürchtet Narses, mein großer Nebenbuhler, die Perser?«

      »Narses fürchtet niemand«, sagte dieser, ohne seinen Gegner anzusehn, »weder die Perser, die er geschlagen hat, noch dich, den die Perser geschlagen haben. Aber er kennt den Orient. Sind es die Perser nicht, so sind es andre, die nach ihnen kommen. Das Gewitter, das Byzanz bedroht, steigt vom Tigris auf, nicht vom Tiber.«

      »Nun, und was soll das bedeuten?«

      »Das soll bedeuten, daß es schimpflich ist für dich, o Kaiser, für den Römernamen, den wir noch immer führen, Jahr für Jahr von Chosroes, dem Perserkhan, den Frieden um viele Zentner Goldes zu erkaufen.«

      Flammende Röte überflog des Kaisers Antlitz: »Wie kannst du Geschenke, Hilfsgelder also deuten!«

      »Geschenke! Und wenn sie ausbleiben, eine Woche nur über den Zahltag, verbrennt Chosroes, des Cabades Sohn, deine Dörfer. Hilfsgelder! Und er besoldet damit Hunnen und Sarazenen, deiner Grenze gefährlichste Feinde.«

      Justinian machte einen raschen Gang durchs Zimmer. »Was also rätst du?« fragte er, hart vor Narses stehenbleibend. »Nicht die Goten anzugreifen ohne Not, ohne Grund, wenn man sich der Perser kaum erwehrt. Alle Kräfte deines Reiches aufzubieten, um diese schimpflichen Tribute abzustellen, die schmählichen Verheerungen deiner Grenzen zu verhindern, die verbrannten Städte Antiochia, Dara, Edessa wieder aufzubauen, die Provinzen wieder zu gewinnen, die du im nahen Osten — trotz Belisars tapfrem Schwert — verloren, deine Grenzen durch einen siebenfachen Gürtel von Festungen vom Euphrat bis zum Araxes zu schirmen. Und hast du dies Notwendige alles vollbracht — und ich fürchte sehr, du kannst es nicht vollbringen! —, dann magst du versuchen, wozu der Ruhm dich lockt.«

      Justinianus schüttelte leicht das Haupt. »Du bist mir nicht erfreulich, Narses«, sagte er bitter.

      »Das weiß ich längst«, sprach dieser ruhig.

      »Und nicht unentbehrlich!« rief Belisar stolz. »Kehre dich nicht, mein großer Kaiser, an diese kleinen Zweifler! Gib mir die dreißigtausend, und ich wette meine rechte Hand, ich erobre dir Italien.«

      »Und ich wette meinen Kopf«, sagte Narses, »was mehr ist, daß Belisar Italien nicht erobern wird, nicht mit dreißig—, nicht mit sechzig—, nicht mit hunderttausend Mann.«

      »Nun«, fragte Justinian, »und wer soll’s dann können und mit welcher Macht?«

      »Ich«, sagte Narses, »mit achtzigtausend.«

      Belisar erglühte vor Zorn: er schwieg, weil er keine Antwort fand.

      »Du hast dich doch bei allem Selbstgefühl sonst nie so hoch über deinen Gegner gestellt«, sprach der Jurist.

      »Und tu’s auch jetzt nicht, Tribonian. Sieh, der Unterschied ist der: Belisarius ist ein großer Held, der bin ich nicht. Aber ich bin ein großer Feldherr — und siehe, das ist Belisarius nicht. Die Goten aber wird nur ein großer Feldherr überwinden.«

      Belisarius richtete sich in seiner ganzen stolzen Höhe auf und preßte die Faust krampfhaft um seinen Schwertknauf. Es war, als wolle er dem Krüppel neben ihm den Kopf zerdrücken. Der Kaiser sprach für ihn: »Belisar kein großer Feldherr! Der Neid verblendet dich, Narses.«

      »Ich beneide Belisar um nichts, nicht einmal«, seufzte er leise, »um seine Gesundheit. Er wäre ein großer Feldherr, wenn er nicht ein so großer Held wäre. Er hat noch jede Schlacht, die er verlor, aus zu viel Heldentum verloren.«

      »Das kann man von dir nicht sagen, Narses«, warf Belisar bitter ein.

      »Nein, Belisarius, denn ich habe noch nie eine Schlacht verloren.«

      Eine ungeduldige Antwort Belisars ward abgeschnitten durch den Velarius, der, den Vorhang aufhebend, meldete:

      »Alexandros, den du nach Ravenna gesendet, o Herr, ist seit einer Stunde gelandet und fragt —«

      »Herein mit ihm, herein!« rief der Kaiser, hastig von seiner Kline aufspringend. Ungeduldig winkte er dem Gesandten, von seiner Proskynesis sich zu erheben: »Nun, Alexandros, du kommst allein zurück?«

      Der Gesandte, ein schöner, noch junger Mann, wiederholte: »Allein.«

      »Es verlautete