Ein Kampf um Rom. Felix Dahn

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Название Ein Kampf um Rom
Автор произведения Felix Dahn
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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doch nur eine Art moralischen Protektorats, keine sichere Verstärkung seiner Macht verschaffen können.

      Es fehlte dem Gotenreich, das eine geniale Persönlichkeit allzu verwegen und vertrausam mitten in das Herz der römischen Bildungswelt gepflanzt hatte, der unmittelbare Zusammenhang mit noch nicht romanisierten Volkskräften, es fehlte der Nachschub an frischen germanischen Elementen, der das gleichzeitig entstehende Reich der Franken immer wieder verjüngt und wenigstens dessen nordöstlichen Teil vor der mit der Romanisierung verbundenen Fäulnis bewahrt hätte, während die kleine gotische Insel, auf allen Seiten von den feindlichen Wellen des römischen Lebens umspült und benagt, diesen gegenüber von Jahr zu Jahr zusammenschmolz.

      Solange Theoderich, der gewaltige Schöpfer dieses gewagten Werkes, lebte, blendete der Glanz seines Namens über die Gefahren und Blößen seiner Schöpfung.

      Aber mit Recht zitterte man vor dem Augenblick, da das Steuer dieses gefährdeten Schiffes in die Hand eines Weibes oder eines kranken Jünglings übergehen sollte: Aufstände der Italier, Einmischung des Kaisers, Abfall der Unterworfenen, Angriffe der feindlichen Barbarenstämme waren zu besorgen. Wenn der gefährliche Augenblick gleichwohl ruhig vorüberging, so war dies vor allem der unermüdlich eifrigen und vorsorglichen Tätigkeit zu danken, die Cassiodor, des Königs Freund und lang bewährter Minister, schon seit Wochen entfaltet hatte und jetzt, nach dem Tode Theoderichs, verdoppelte. Um die Italier in Ruhe zu erhalten, ward sofort ein Manifest erlassen, das die Thronbesteigung Athalarichs, unter Vormundschaft seiner Mutter, als eine bereits vollendete und in aller Ruhe vollzogene Tatsache Italien und den Provinzen verkündete. Sofort auch wurden in alle Teile des Reiches Beamte entsendet, die den Huldigungseid der Bevölkerung entgegennehmen, aber auch im Namen des jungen Königs eidlich geloben sollten, daß die neue Regierung alle Rechte und Freiheiten der Italier und Provinzialen achten und in allen Stücken die Milde, ja Vorliebe des großen Toten für seine römischen Untertanen zum Muster nehmen werde.

      Gleichzeitig wurde aber auch dafür gesorgt, daß eine Furcht gebietende Entfaltung der gotischen Heeresmacht an den Grenzen und in den wichtigsten oder unruhigsten Städten des Reiches äußeren und inneren Gegnern die Lust zu Feindseligkeiten vertreibe, während mit dem Kaiserhof das gute Vernehmen durch Gesandschaften und Briefe sehr verbindlicher Haltung befestigt oder erneuert wurde.

      ZWEITES KAPITEL

      Neben Cassiodor war es nun aber vor allem ein Mann, der in jenen Tagen des Übergangs eine bedeutende und, wie es der Regentschaft schien, hochverdienstliche Rolle spielte.

      Das war kein anderer als Cethegus.

      Er hatte das wichtige Amt eines Stadtpräfekten von Rom übernommen. Er war, sowie der König die Augen geschlossen, spornstreichs aus dem Palast und den Toren von Ravenna nach der ihm anvertrauten Tiberstadt geeilt und dort vor aller Kunde des Geschehenen eingetroffen.

      Sofort, noch eh’ der Tag angebrochen, hatte er die Senatoren in dem »Senatus«, d. h. dem geschlossenen Hallenbau Domitians nahe dem Janus Geminus, rechtsab vom Severusbogen, versammelt, darauf das Gebäude mit gotischen Truppen umstellt, die überraschten Senatoren — von denen er gar manchen erst neuerlich in den Katakomben gesehen und zur Vertreibung der Barbaren angefeuert hatte — von dem bereits vollzognen Thronwechsel benachrichtigt und (nicht ohne einige auf die von dem Saal aus deutlich sichtbaren Speere der Gotentausendschaft gelinde hinweisende Worte) mit einer keinen Widerspruch duldenden Raschheit für Athalarich in Eid und Pflicht genommen.

      Dann verließ er den »Senatus«, wo er die Väter eingeschlossen hielt, bis er in dem slawischen Amphitheater, wohin er eine Volksversammlung der Römer berufen, diese unter Beiziehung der starken gotischen Besatzung abgehalten und die leicht beweglichen »Quiriten« durch eine meisterhafte Rede für den jungen König begeistert hatte. Er zählte die Wohltaten Theoderichs auf, verhieß gleiche Milde von dessen Enkel, der übrigens bereits von ganz Italien, den Provinzen und den Vätern dieser Stadt anerkannt sei, meldete eine allgemeine Speisung des römischen Volkes mit Brot und Wein als den ersten Regierungsakt Amalaswinthens an und schloß mit der Verkündung siebentägiger Zirkusspiele — Wettfahrten mit einundzwanzig spanischen Viergespannen , mit welchen er selbst die Thronbesteigung Athalarichs und den Antritt seiner Präfektur feiern werde.

      Da erhob tausendstimmiges Jubelgeschrei die Namen der Regentin und ihres Sohnes, aber noch lauter den Namen Cethegus, das Volk verlief sich in heller Freude, die eingesperrten Senatoren wurden nunmehr entlassen und die ewige Stadt war für die Goten erhalten. Der Präfekt aber eilte nach seinem Hause am Fuß des Kapitols, schloß sich ein und schrieb eifrig seinen Bericht an die Regentin.

      Jedoch ungestüm pochte es alsbald an der ehernen Vortür des Hauses. Es war Lucius Licinius, der junge Römer, den wir in den Katakomben kennengelernt: er schlug mit dem Schwertknauf gegen die Pforte, daß das Haus dröhnte. Ihm folgten Scävola, der Jurist — er war unter den eingesperrten gewesen , mit schwer gefurchter Stirn, und Silverius, der Priester, mit zweifelnder Miene.

      Vorsichtig lugte der Ostiarius an der Türe durch eine verborgene Luke in der Mauer und ließ, als er Licinius erkannte, die Männer ein. Heftig stürmte der Jüngling den andern voraus den ihm wohlbekannten Weg durch das Vestibulum, das Atrium und dessen Säulengang in das Studierzimmer des Cethegus. Dieser, als er die hastig nahenden Schritte vernahm, erhob sich von dem Lectus, auf dem hingestreckt er schrieb, und verschloß seine Briefe in einer Capsula mit silberner Kuppel. »Ah, die Vaterlandsbefreier!« sagte er lächelnd und trat ihnen entgegen.

      »Schändlicher Verräter!« schrie ihn Licinius an, die Hand am Schwert; der Zorn ließ ihn nicht weitersprechen, er zückte halb das breite Eisen aus der Scheide.

      »Halt, erst laß ihn sich verteidigen, wenn er kann«, keuchte, dem Stürmischen in den Arm fallend, Scävola, der jetzt nachgekommen war. »Es ist unmöglich, daß er abgefallen von der Sache der heiligen Kirche«, sprach Silverius im Eintreten.

      »Unmöglich?« lachte Licinius, »wie? Seid ihr toll oder bin ich’s? Hat er nicht uns, die Ritter, in ihren Häusern festhalten lassen? Hat er nicht die Tore gesperrt und den Pöbel für den Barbaren vereidigt?« — »Hat er nicht«, sprach Cethegus fortfahrend, »die edeln Väter der Stadt, dreihundert an der Zahl, in der Kurie wie soviel Mäuse in der Mausfalle gefangen, dreihundert hochadlige Mäuse?« — »Er höhnt uns noch! Wollt ihr das dulden?« rief Licinius. Und Scävola erbleichte vor Zorn. »Nun, und was hättet ihr getan, wenn man euch hätte handeln lassen?« fragte der Präfekt ruhig, die Arme auf der breiten Brust kreuzend. »Was wir getan hätten?« antwortete Licinius, »was wir — was du mit uns hundertmal verabredet! Sobald die Nachricht von dem Tod des Tyrannen eintraf, hätten wir die Goten in der Stadt erschlagen, die Republik ausgerufen und zwei Konsuln ernannt —« — »Namens Licinius und Scävola, das ist die Hauptsache. Nun, und dann? Was dann?« — »Was dann? Die Freiheit hätte gesiegt!«

      »Die Torheit hätte gesiegt!« herrschte Cethegus losbrechend den Erschrockenen an. »Wie gut, daß man euch die Hände band: ihr hättet alle Hoffnung erwürgt, auf immer. Seht her und dankt mir auf den Knien!« Er nahm Urkunden aus einer andern Papyruskapsel und gab sie den Erstaunten. »Da, lest. Der Feind war gewarnt und hatte seine Schlinge meisterhaft um den Nacken Roms geschürzt. Wenn ich nicht handelte, so stand in diesem Augenblick Graf Witichis mit zehntausend Goten vor dem salarischen Tor im Norden, morgen sperrte der junge Totila mit der Flotte von Neapel im Süden die Tibermündung, und gegen das Grabmal Hadrians und das aurelische Tor war Herzog Thulun mit zwanzigtausend Mann von Westen her im Anzug. Hättet ihr heute früh einem Goten ein Haar gekrümmt, was wäre geschehen?«

      Silverius atmete auf. Die beiden andern schwiegen beschämt. Doch faßte sich Licinius: »Wir hätten den Barbaren getrotzt hinter unsern Mauern«, sprach er, mutig das schöne Haupt aufwerfend. — »Ja. So wie ich diese Mauern herstellen werde — eine Ewigkeit, mein Licinius, wie sie jetzt sind — nicht einen Tag.« — »So wären wir gestorben als freie Bürger«, sprach Scävola. »Das hättet ihr vor drei Stunden in der Kurie auch gekonnt«, lachte Cethegus achselzuckend. Silverius trat mit offenen Armen, wie um ihn zu küssen, auf ihn zu; vornehm entzog sich Cethegus: »Du hast uns alle, du hast Kirche und Vaterland gerettet! Ich habe nie an dir gezweifelt!« sprach der Priester. Da ergriff Licinius die Hand des