Название | Im Reiche des silbernen Löwen IV |
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Автор произведения | Karl May |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
»Weiß ich jetzt alles, was dir der Bote mitgeteilt hat?«
»Ja.«
»So über alles Andere, auch über das Rennen, später. Nur über die Stute des Ustad bin ich mir noch nicht im klaren. Ich glaube, dieser Tifl hat sie gänzlich aus der Schule gebracht.«
»Das ist nur eben richtig, wenn Tifl im Sattel sitzt, sonst aber nicht.«
»Wer aber soll sie reiten?«
»Wer anders als der Ustad?« fragte er verwundert. »Er reitet jetzt nur selten; aber stelle jedes beliebige Pferd gegen seine Sahm, so wird er es besiegen, höchstens deinen Assil ausgenommen! Tifl aber wird vom Rennen ausgeschlossen sein.«
»Warum?«
»Das sage ich dir, sobald es reif geworden ist. Ich vermute, dieser Schwätzer wird nicht lange mehr zu den Dschamikun gehören. Der Ustad hat sich seiner nur aus Mitleid angenommen, und die Nachsicht, die er gegen ihn und Pekala übt, ist Vielen unbegreiflich.«
»Schwätzer?« fragte ich.
»Ja. Es genüge ein Beispiel: Tifl hatte die Perser, als der Bluträcher hier war, über die Grenze zu bringen. Da ist er den ganzen, weiten Weg zwischen dem Mirza und dem Multasim geritten und hat ihnen bereitwilligst Auskunft gegeben über alles, was sie wissen wollten.«
»Von wem hast du das erfahren?«
»Von meinem Ruderer hier, welcher dabei gewesen ist. Kein Dschamiki hat mit diesen Leuten ein Wort gesprochen; nur Tifl allein hielt keinen Augenblick den Mund. Doch damit sei es genug. Ich sehe, daß du aufbrechen willst, Effendi.«
Ich war nämlich auch aufgestanden.
»Ja; ich muß heim,« sagte ich. »Aber ich möchte mich über den See rudern lassen. Willst du dich auf Assil setzen und ihn mir an die Landestelle bringen?«
»Wie gern!« rief er aus. »Einmal deinen Rappen unter mir; das war schon längst mein Wunsch! Läßt er mich hinauf?«
»Wenn ich nichts dagegen habe, ja.«
»So zögere ich keinen Augenblick.«
Er schwang sich in den Sattel. Assil schnaubte verwundert, weigerte sich aber nicht, zu gehorchen. Als der Chodj-y-Dschuna ihn dann in hocheleganten Gängen davontänzeln ließ, sah ich, daß beide gar nicht übel zu einander paßten. Hierauf stieg ich in das Boot, und der Dschamiki legte sich in die Ruder.
So kurz dieser unbeabsichtigte Ausflug gewesen war, ich hatte auf ihm außerordentlich Wichtiges erfahren. Meine Gedanken wollten sich ganz ausschließlich hiermit beschäftigen, und ich mußte mich zwingen, sie auf die Schönheit der Umgebung zu lenken, als wir uns auf der Mitte des Sees befanden.
Ich sah jetzt zum ersten Male die westliche Seite des Thales grad vor mir liegen und alle ihre Linien auf zum Himmel streben. Nur allein der Fuß des Berges hatte sich nicht senkrecht, sondern quer gelagert, doch nicht vollständig wagerecht, sondern schief. Das erinnerte mich an die Struktur der Wände des Wadi Jahfufe, durch welches man im Antilibanon von Muallaka nach Damaskus reitet. Ich betone diese Art der Felsenlagerung besonders, weil sie mich zu einer Entdeckung führte, die ich sonst wohl schwerlich gemacht hätte.
Als ich von hier, von der Mitte des Sees aus, nach dem Alabasterzelte emporschaute, fiel mir etwas auf, was ich von dem Rosentempel aus nicht bemerkt hatte. Das Zelt besaß nämlich die Gestalt einer Krone, deren durchbrochene Kuppel von acht weißschimmernden Flügeln auf dem Ringe getragen wurde. Es stand, wie ich sah, nicht auf dem höchsten Punkte des Berges. Sondern von diesem lief ein heller Felsenstreif, fast wie ein niederwärts gestreckter Arm geformt, bis zu der senkrecht abstürzenden Kante vor und bildete dort eine hand- oder faustförmige Verbreitung, auf welche das Zelt gesetzt worden war. Zu beiden Seiten dieses Felsenstreifens lag nur unfester Steingrus, nur lockeres Geröll. Es bedurfte keiner großen Phantasie, sich einen Wetterguß oder sonst eine Katastrophe zu denken, durch welche dieses lose Gestein in die Tiefe gespült oder gerissen wurde. Dann mußte der felsige Arm sich frei in die Lüfte dehnen, um auf gewaltiger Faust die Alabasterkrone über dem Thale herniederzustrecken. Das war nur so eine ganz flüchtige, schnell vorübergehende Idee, wie man sie hat, um dann lächelnd den Kopf darüber zu schütteln. Aber wie oft verdichtet sich scheinbar Flüchtiges zur festen Form, die uns belehrt, daß die Idee denn doch wohl etwas anderes ist, als nur eine schnell und spurlos zerplatzende Gedankenblase!
Je mehr wir uns dem Ufer näherten, desto mehr wurden meine Gedanken nach unten gezogen. Die schiefe Struktur des Felsens beschäftigte mich. Ich folgte mit dem Auge ganz unwillkürlich den auffallend regelmäßigen Linien dieser Lagerung. Es war interessant, zu sehen, mit welcher Neigungsgleichheit sie alle ohne Ausnahme verliefen. Ohne Ausnahme? Nein; doch nicht! Ich bemerkte eine Stelle, wo dies doch nicht der Fall war. Grad da, wo der Berg am weitesten an den See herantrat, hörten die abwärts gesenkten Linien auf, nicht etwa, um anders zu verlaufen, sondern es gab überhaupt keine mehr. Diese Stelle war nicht groß, nicht breit, aber dicht bedeckt von wuchernden Rankengewächsen, welche von dem Humusboden des Ufers bis in das Wasser niederhingen. Es gab da weder Garten noch Feld, sondern wildliegendes Land, und darum war noch niemand auf den Gedanken gekommen, sich um dieses Gestrüpp und seine Bodenunterlage zu bekümmern. Mir aber fiel diese letztere sofort auf. Ich bin zwar kein Gelehrter, obgleich es wohl auch einige Menschen gab, die mich gar Manches lehrten, aber ich sagte mir doch, daß die Naturlinien da, wo sie aufhörten, durch etwas Anderes ersetzt worden sein mußten, was nicht natürlich, also künstlich war – — also durch Menschenhand.
Hundert Andere wären vorübergerudert, ohne sich um diese scheinbare Nebensache weiter zu bekümmern; mir aber konnte das nicht passieren. Ich ließ den Kahn bis ganz nahe an das Gestrüpp treiben und nahm dann dem Dschamiki das eine Ruder aus der Hand. Indem ich mit demselben die Ranken zur Seite schob, sah ich unter ihnen nicht natürliche Felsen, sondern behauene Steine. Das waren genau solche Kolossalblöcke wie diejenigen, aus denen die Cyklopenmauer da drüben am Berge bestand! Ich begann, zu ahnen, und setzte die Untersuchung fort, doch so unauffällig und scheinbar spielend wie möglich, weil der Dschamiki nicht zu erraten brauchte, was für Gedanken oder Vermutungen mich beschäftigten. Und richtig! Endlich, endlich stieß ich durch, vollständig durch! Es gab eine Oeffnung hier, die unter dem schmalen Dorfwege nach dem Innern des Berges führte! Das Wasser war hier tief, sehr tief. Sollte der See etwa durch diese verwachsene Öffnung mit dem Innern des Berges in Verbindung stehen? Die Art des klüftereichen Gesteins ließ dies keineswegs als unmöglich erscheinen. Ich beschloß, dieser Frage anderweit nachzuspüren, und ließ nun nach dem Landeplatze rudern. Dem Dschamiki sah ich an, daß er nichts erriet, ja daß es ihm sehr gleichgültig gewesen war, weshalb ich in dem Pflanzengewirr herumgestochert hatte.
Der Chodj-y-Dschuna erwartete mich mit dem Pferde. Er pries es als das beste Tier, auf dem er je gesessen habe, und erklärte mir, morgen sofort zu kommen, sobald ich zu ihm schicken werde. Ich ritt langsam den Berg hinauf und durch das Thor in den Hof. Dort vergaß ich bei dem, was ich sah, das Absteigen: Halef hatte sich mit samt dem Lager aus seiner Hallenecke heraus vor die Säulen schaffen lassen. Da lag er nun mit bequem erhöhtem Kopfe und sah mich von meinem ersten Ritt nach Hause kehren. Er winkte mit der schwachen, müden Hand. Da ritt ich hin und ließ Assil die Stufen langsam steigen.
»Sihdi, welche Freude!« sagte er. »Wieder zu Pferde! Nun wohl bald auch ich!«
Hanneh saß bei ihm. Sie streichelte ihm zärtlich die Wange und erklärte mir:
»Wir erschraken, als Assil mit dir entfloh; aber Kara, mein Sohn, rief uns zu, daß er dir folgen und dich behüten werde. Das beruhigte uns. Dann sahen wir dich an seiner
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Pferderennen.