Im Reiche des silbernen Löwen II. Karl May

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Название Im Reiche des silbernen Löwen II
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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so sicher wie im Schoße Ibrahims. Komm, holen wir sie!«

      Die zehn Minuten waren noch nicht verflossen, so hatten wir die Pferde in dem Hofe untergebracht und suchten dann unsern Lagerplatz wieder auf, weil wir eine etwaige Annäherung dort am leichtesten bemerken konnten.

      Der Abendwind hatte sich erhoben; er kam aus nördlicher Richtung, und das war uns insofern lieb, als er uns, falls die Leute am Kanale ja die Absicht hegten, nach der Ruine zu gehen, das Geräusch ihrer Schritte zutragen mußte. So vergingen wohl zwei Stunden, da begann Halef zu pusten und verdrießlich vor sich hin zu brummen, bis er dann in höchst ärgerlichem Tone fragte:

      »Riechst du etwas, Sihdi?«

      »Ja,« antwortete ich, denn ich hatte dieselbe Bemerkung wie er gemacht.

      »Es beginnt sich in meiner Nase ein sehr schmerzliches Unbehagen zu entwickeln, und die Grundpfeiler der Gesundheit meiner Geruchsnerven scheinen ins Wanken geraten zu wollen. Ich glaube – — – ah – — bah pschah – — – pfui! Das wird ja immer schlimmer.

      Das ist schon kein Geruch mehr, sondern ein Höllenduft, grad als ob eine Leichenkarawane hier vorüberzöge!«

      »Sie wird wohl auch kommen!«

      »Wer – —? Was – — —? Die Leichenkarawane?«

      »Ja, wenn auch keine große, wie wir damals gesehen haben. Man riecht ganz deutlich, daß sie immer näher kommt. Verhülle deine Nase, aber öffne deine Ohren desto mehr. Horch!«

      Wir hörten Schritte, welche in nicht sehr beträchtlicher Entfernung an uns vorübergingen; einzelne kurze Worte, wie Kommandorufe, ließen sich vernehmen; dann wurde es wieder still.

      »Allah sei Dank, sie sind vorüber!« seufzte Halef erleichtert auf. »Der Wind hat ihre Düfte mitgenommen, und wir können nun wieder Atem holen.«

      »Das magst du thun; ich aber werde diese Wohlgerüche noch länger genießen, denn ich will ihnen folgen.«

      »Folgen? – Warum?«

      »Ich muß wissen, wer sie sind und was sie hier treiben.«

      »Oh, Sihdi, laß sie thun, was ihnen beliebt! Was kann es dir für Nutzen bringen, wenn deine Augen sie sehen, aber deine Nase für immer krank und elend wird!«

      »Das Wohlbefinden meiner Nase muß mir jetzt leider gleichgültig sein. Ich bin nun überzeugt, daß es sich wirklich um die Leichen« handelt, welche der Säfir erwartet, und möchte gern wissen, was es mit ihnen für eine Bewandtnis hat.«

      »Gar keine, jedenfalls gar keine weiter, als daß es gewöhnliche Leichen sind, welche nach Kerbela oder Meschhed Ali geschafft werden sollen.«

      »Nein! Der Bote, welcher von ihnen sprach, betonte das Wort in ganz eigentümlicher Weise. Und gewöhnliche Leichen würde man auch auf dem gewöhnlichen Wege transportieren, nicht aber so heimlich den Euphrat hinab, in den Kanal hinein und dann auf Menschenarmen noch hierher.«

      »So willst du ihnen also wirklich nach?«

      »Ja.«

      »Dann laß ich dich nicht allein fort; ich gehe mit.«

      »Das ist nicht nötig; ich brauche dich nicht.«

      »Ob du mich brauchst oder nicht, geht mich nichts an. Sollst du etwa den Teufelsgestank allein einatmen, während ich hier in den schönsten, reinsten Lüften schwelge? Ich bin mit dir geritten, um alles, aber auch alles, was dir begegnet, mit zu erleben; also will und muß ich nun auch hier meinen Teil von diesen beglückenden Gaben der Verwesung haben. Wenn du mich nicht freiwillig mitnimmst, laufe ich dir heimlich nach; darauf kannst du dich verlassen!«

      »Es ist mir nicht lieb, Halef, wirklich gar nicht lieb, daß du mitgehen willst!«

      »Aber warum?«

      »Ich habe deiner Hanneh versprochen, daß – — —«

      Da fiel er mir schnell in die Rede:

      »Schweig, Sihdi, schweig! Was du ihr, der Wonne meines Herzens und der Seele meines Lebens, versprochen hast, das hast du, aber nicht ich ihr zu halten. Erfülle ihr ihren Wunsch, indem du mich nicht mitnimmst! Ich aber laufe hinter dir her, denn ich sehe wirklich nicht ein, weshalb ich hier allein liegen bleiben soll!«

      »Es ist möglich, daß ich mich Gefahren aussetzen muß, welche dir – — —«

      »Gefahren aussetzen? Du?« unterbrach er mich wieder. »Und da mutest du mir zu, dich ohne die Stärke meines Schutzes zu lassen? Mutest du das mir wirklich zu, Effendi?«

      »Ja.«

      »So sage ich dir, daß ich mit dir gehen und dich nicht verlassen werde, selbst wenn zehntausend Teufel ihre Krallen nach dir ausstrecken!«

      Da er so fest auf seinem Vorsatz bestand, mußte ich mit der Wahrheit heraus:

      »Ich bitte dich dennoch, hier zu bleiben, denn dein Mut ist mir zu flink! Du weißt von früher her, daß du zu Unvorsichtigkeiten geneigt bist, welche uns zuweilen großen Schaden bereitet haben. Es ist jedenfalls besser und gewährt uns mehr Sicherheit, wenn ich den jetzigen Gang allein unternehme.«

      »O Sihdi, Sihdi, welche tiefe Betrübnis bringst du über meine Seele! Was geschehen ist, das ist vorüber, und ich bin längst nicht mehr der Sausewind, den du meinst, sondern der bedachtsame und kluge Oberscheik der Haddedihn vom Stamme der Schammar. Wenn du mich so schwer und bitter kränken willst, so thue es; ich aber behalte dich dennoch lieb und kenne meine Pflicht, welche mir gebietet, dir in jeder Gefahr treu zur Seite zu stehen. Ich werde sie erfüllen und, wenn du mich nicht mitnimmst, hinter dir herlaufen wie ein Hund, der seinen Herrn beschützt, obgleich er Schläge von ihm bekommen hat!«

      Was konnte ich da machen? Ich mußte ihm seinen Willen thun, denn er war wirklich imstande, seinen Vorsatz auszuführen und mir ohne meine Erlaubnis zu folgen. Darum sagte ich:

      »Da du in dieser Weise darauf bestehst, will ich nicht länger widerstreben und wünsche nur, daß du mir keine Veranlassung zu Vorwürfen giebst. Komm, wir wollen unsere Gewehre zu den Pferden schaffen!«

      »Warum das?«

      »Wenn man sich anzuschleichen hat, darf man sich nicht mit langen, schweren Waffen schleppen. Wärest du hier geblieben, so hätte ich dir meine Gewehre gegeben; da du aber darauf bestehst, mitzugehen, müssen wir sie verstecken.«

      »Das können wir doch hier thun!«

      »Nein. Wir wissen nicht, was geschieht, und müssen unsere Sachen an einer Stelle beisammen haben. Komm; wir nehmen auch die Decken mit!«

      Er sah die Notwendigkeit dieser Maßregel nicht ein; ich aber gehorchte dem Gebote der Vorsicht, gegen welches ich nie zu handeln pflege, und es sollte sich leider später herausstellen, daß ich sehr wohl daran gethan hatte.

      Nachdem wir also wieder hinauf zu den Pferden gestiegen waren, diese fester angepflockt und die in die Decken gewickelten Gewehre in das Geröll versteckt hatten, machten wir uns auf den Weg, den geheimnisvollen Leuten, welche an uns vorübergegangen waren, zu folgen.

      Das war nicht leicht, weil seitdem gewiß eine Viertelstunde vergangen war und wir ihre Schritte also längst nicht mehr hören konnten. Glücklicherweise wurde das, was sich unsern Ohren entzogen hatte, unsern Augen bemerkbar gemacht, denn wir waren der Richtung, welche wir einzuschlagen hatten, noch gar nicht lange gefolgt, so sahen wir, indem wir um eine Biegung der Ruine schwenkten, in nicht sehr großer Entfernung einige Feuer vor uns leuchten, und zugleich drang in unsere Nasen ein Gestank, der so unbeschreiblich und dabei scharf und stechend war, daß wir, fast zurückprallend, stehen blieben.

      »Allah behüte uns vor dem neunmal geschwänzten Teufel!« klagte Halef. »Oh Muhammed, o ihr heiligen Kalifen alle, o ihr Ahnen und Urahnen aller Gerechten und Frommen, die auf Erden leben, welche Qualen der Hölle und welche Leiden der Verdammnis erwarten uns, wenn wir dorthin müssen, wo diese Feuer der Vernichtung meiner Nase brennen! Müssen wir denn wirklich hin, Sihdi, wirklich?«

      »Du nicht, aber ich!«

      »So gehe ich auch, und wenn ich tausendmal daran ersticke! Zwar wird mich meine Nase dereinst, wenn ich Rechenschaft