Im Reiche des silbernen Löwen I. Karl May

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Название Im Reiche des silbernen Löwen I
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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und zweitens ist sie nicht sicher genug. Sie liegt zu frei; wer sich dort befindet, kann leicht gesehen werden. Darum denke ich, daß die Comantschen bald aufbrechen werden, um sich einen bessern Platz zu suchen.«

      »Wenn man wüßte, wo er liegt, könnte man ihn vorher aufsuchen, um sie zu beschleichen.«

      »Jedenfalls wenden sie sich dem Flusse zu; aber ihnen vorankommen, das würde ein höchst gefährliches Beginnen sein.«

      »Warum?«

      »Weil man, um sicher zu sein, nicht nur die Gegend überhaupt, sondern die spezielle Stelle kennen müßte, wo sie lagern wollen. Kennt man diese nicht, so riskiert man, entdeckt zu werden. Es ist gar nicht zu vermeiden, daß man Spuren hinterläßt, welche am Tage bemerkt werden müssen. Wartet man zufälligerweise gar an dem Punkte auf sie, wo sie bleiben wollen, so ist man unbedingt verraten.«

      »Well, so gehen wir ihnen nicht voran, sondern folgen hinter ihnen her! Die Hauptfrage ist, ob es uns gelingen wird, ihre Gefangenen zu befreien.«

      »Darüber läßt sich jetzt noch gar nichts sagen.«

      »Wenigstens nichts weiter, als daß die Ausführung unsers Vorhabens eine ganz verteufelte, gefährliche Sache ist. Wir sind nur drei gegen siebenzig Personen; das will etwas beißen.«

      »Mit Ziffern darf man in solchen Fällen nicht rechnen; dies wäre nur dann nötig, wenn wir einen offenen Angriff beabsichtigten; da wir aber nur durch List zum Ziele kommen können, haben wir es mit geistigen Faktoren zu thun.«

      »Geistige Faktoren, sehr gut, wirklich sehr gut, Sir! Meint Ihr, daß Jim Snuffle und Tim Snuffle solche geistige Faktoren sind?«

      »Ich hoffe es, da es uns nur in diesem Falle gelingen kann, die Roten zu überlisten.«

      »Ueberlisten? Hm, was das betrifft, so denke ich, daß wir uns nicht allzu dumm anstellen werden. Meinst du nicht, alter Tim?«

      »Yes!«

      »Mesch‘schurs, darf ich eine Bitte aussprechen?« ließ sich da der Gefangene hören.

      »Welche?« fragte ich.

      »Ich bin mit daran schuld, daß meine Gefährten in diese Lage geraten sind; also ist es meine Pflicht, mich auch daran zu beteiligen, daß sie befreit werden. Bindet mich los; gebt mir die Freiheit, und Ihr sollt sehen, daß ich alles thue, was Ihr von mir verlangen könnt!«

      »Ja, wenn wir Euch trauen könnten,« antwortete Jim.

      »Ihr könnt es. Ich gebe Euch die Versicherung —«

      »Schweigt!« fiel ich ihm in die Rede. »Wer seine Kameraden in der Gefahr so feig und treulos verläßt, dem ist nie zu trauen.«

      »Es war ja nur der Schreck, Sir!«

      »Selbst wenn wir dies zugeben wollten, stände zu erwarten, daß Ihr wieder erschreckt.«

      »Auf keinen Fall. Ich weiß ja nun, wen wir vor uns haben, und kann nicht mehr überrascht werden.«

      »Und Eure Feigheit? Wir haben vor, unser Leben zu wagen; dazu aber seid Ihr nicht der passende Mann.«

      »Ich wage es!«

      »Fällt Euch nicht ein! Und die List, die Geistesgegenwart, auf die es hier vor allen Dingen ankommt! Ihr habt bewiesen, daß von beiden bei Euch keine Spur vorhanden ist.«

      Er wollte seine Bitten und Versicherungen fortsetzen; ich verbot es ihm und wendete meine Aufmerksamkeit wieder den Indianern zu, deren Beratung jetzt zu Ende war. Sie kamen in Bewegung; der Kreis löste sich auf, und nun sahen wir, daß innerhalb desselben mehrere Menschen gelegen hatten, welche nicht aufstehen konnten, also wohl gefesselt oder gar tot waren. Sie wurden aufgehoben und auf Pferde gebunden; dann ordneten sich die Roten zu einem Zuge, welcher sich in nördlicher Richtung in Bewegung setzte, also so, wie ich vermutete hatte, denn dort lag der Fluß. An der Spitze ritt ein alter Häuptling. Er war zwar zu weit von uns entfernt, als daß ich sein Gesicht erkennen konnte, aber ein Häuptling war er, weil er die Federn trug, und alt mußte er sein, weil sein hinten lang abfallendes Haar von grauer Farbe war.

      In der angegebenen Richtung gab es wieder Wald, unter dessen Bäumen sie verschwanden. Der Vorsicht halber warteten wir noch einige Zeit; dann begaben wir uns nach dem Orte, an welchem sie die Beratung gehalten hatten.

      Es war dort von einem eigentlichen Spurenlesen keine Rede, denn der Boden war so zertreten und zerstampft, daß man Einzelheiten gar nicht unterscheiden konnte. Hier mußten die Weißen überfallen worden sein. Sie hatten sich gewehrt, denn wir entdeckten Blutspuren. Das war schlimm, sehr schlimm für sie und auch uns höchst unlieb, weil es uns zum schnellen Handeln zwang und wir also nicht erwarten konnten, bis sich uns eine günstigere Gelegenheit als hier und heute bieten würde.

      Es galt vor allen Dingen, den Indianern zu folgen. Wir thaten dies, aber nicht direkt, sondern wir machten einen Bogen nach dem Walde und suchten erst dann, als wir ihn erreicht hatten, die Stelle auf, an welcher sie in ihn eingedrungen waren. Von hier aus durften wir uns ohne allzu große Gefahr auf ihrer Fährte halten; der Sicherheit wegen aber stieg ich aus dem Sattel und ging, den andern vielleicht fünfzig Schritte voran, mitten auf der sehr gut ausgetretenen Spur weiter. Meine Schritte verursachten kein Geräusch, während meinem Auge und Ohre auf eine mich sicherstellende Entfernung hin nichts entgehen konnte. Es läßt sich denken, daß unser Vordringen ein langsames war, doch konnten wir dies nicht ändern. Möglich, daß für die Weißen große Gefahr im Verzuge war, aber wir konnten sie doch auch nicht dadurch retten, daß wir uns selbst preisgaben.

      So verging Stunde um Stunde; es wurde Nachmittag, und wenn ich bisher für die Gefangenen sehr gefürchtet hatte, so begann ich jetzt, wieder Hoffnung zu schöpfen. Wenn die Indianer so spät an ihren Lagerplatz gelangten, fanden sie heute keine Zeit mehr, die Bleichgesichter unter Einhaltung der gewohnten Gebräuche hinzurichten; sie mußten dies bis morgen hinausschieben, und am Abende und während der Nacht gab es dann Zeit und wohl auch Gelegenheit, den Mord zu verhindern. Am meisten hoffte ich von dem Umstande, daß die Comantschen von unserer Anwesenheit keine Ahnung hatten. Sie befanden sich auf ihrem Gebiete; sie wußten, daß dies jetzt von jedermann, der nicht zu ihnen gehörte, gemieden wurde, und so stand zu erwarten, daß sie strenge Sicherheitsmaßregeln für überflüssig halten würden.

      Wir hätten den Fluß eigentlich schon längst erreicht haben müssen, aber er bildete gerade hier einen weiten Bogen, auf dessen innerer Seite wir uns befanden, und erst gegen Abend mehrten sich die Anzeichen, daß wir uns dem Wasser näherten. Nun bewegten wir uns noch langsamer vorwärts als bisher, und das war gut, denn bald hörte ich eine rufende Stimme, welcher eine andere antwortete. Wir waren in der Nähe der Comantschen angekommen, und ich huschte zu meinen Gefährten zurück, um sie anhalten zu lassen und für uns ein Versteck zu suchen.

      Es war bald ein passender Ort gefunden, wo wir die Pferde und auch Perkins anbanden. Dieser Mann war uns, wie wohl eigentlich gar nicht erwähnt zu werden braucht, außerordentlich hinderlich; er erschwerte uns alles; wie aber hätten wir uns seiner erledigen können, ohne härter zu sein, als unumgänglich nötig war, oder ohne uns durch ihn in Gefahr zu bringen? Er hatte uns zwar seine Hilfe angeboten, und es war auch ganz möglich, daß er es ehrlich meinte; aber das dazu nötige Vertrauen konnten wir ihm doch unmöglich schenken. Als wir ihn und die Pferde gut untergebracht hatten, erkundigte sich Jim Snuffle:

      »Was thun wir nun, Sir? Wir haben jetzt unter den Bäumen grad noch den rechten Tagesschein, bei dem es sich vortrefflich spionieren läßt, ohne daß man von weitem gesehen werden kann. Wißt Ihr sicher, daß die Roten in der Nähe sind?«

      »Ja. Ich hörte zwei von ihnen, welche einander zuriefen.«

      »Sollte mich sehr wundern. Habt Ihr nicht vielleicht falsch gehört?«

      »Nein. Es waren menschliche Stimmen.«

      »Wahrscheinlich von Weißen!«

      »Nein. Gäbe es ja Weiße hier, so würden sie sich bei den gegenwärtigen Verhältnissen sehr hüten, so laut zu sein.«

      »Aber die Indianer pflegen doch auch nicht so zu brüllen, daß man es meilenweit hört!«

      »Von Brüllen und meilenweit ist auch gar keine Rede.